Man vergisst ja gern, welche Vielzahl von Handschriften in der Leipziger Kunstszene zu finden ist. Das muss dann ab und zu doch mal eine Ausstellung in Erinnerung rufen, die sich einem besonderen Aspekt widmet. Wie die, die am Samstag, 26. November, in der Galerie B2 eröffnet wird: „Smuggling Pop“. Quasi eingeschmuggelter Pop. Ganz heimlich, ohne diese Aufmerksamkeitsattitüde eines Andy Warhol.
Drei Künstlerinnen und ein Künstler zeigen in der Ausstellung, wie man auch in Zeiten der strengen künstlerischen Ästhetik noch immer spielen kann mit Elementen der Pop Art. Zwei Künstlerinnen gehören sowieso schon zu den von der Galerie betreuten Künstlern: Caroline Hake und Heide Nord. Dazu kommen mit Ronald de Bloeme und Christine Schulz zwei Gastkünstler.
Dabei geht es eher weniger um das Poppige als große bunte Show, sondern um das Spiel mit den künstlerischen Möglichkeiten, die die moderne Welt mit ihrem bunten Werbesalat bietet. Immerhin geht es um Aufmerksamkeit, die große Show, mit der die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich gezogen werden soll. Wer übertrumpft den anderen? Und welche Mittel stehen dafür zur Verfügung?
Die Ausstellung „Smuggling Pop“ in der Galerie b2 zeigt vier künstlerische Positionen, die eben durch diese Populärkultur inspiriert sind. Die Künstler eignen sich verschiedene Elemente aus dem Alltag an: Ob Markenwelt, Fernsehen, Film oder Science Fiction, die Bezüge stammen aus dem – von Werbung und Konsum geprägten – Alltag.
Sie sind so bunt wie vielfältig. Sie werden adaptiert, kombiniert und in die Kunst hineingeschmuggelt. Gleichzeitig entstehen Kompositionen, die jeweils eine eigene Handschrift tragen und in den Medien Malerei, Fotografie, Skulptur und Installation verarbeitet werden. Aus den Stilmitteln einer schrillen Werbung werden neue Spielformen für Kunst. Die Ästhetik scheint dieselbe – aber ohne die angepriesene Marke (und Andy Warhol konnte sich ja vom Spiel mit dem Markeninhalt noch nicht lösen) wird erst die Ästhetik dieser quietschbunten Bilderwelt sichtbar.
Ob es auszuhalten ist, ist eine andere Frage. Denn die opulente Farbwahl sorgt ja in der Regel dafür, dass die gesehenen Objekte nicht als ruhig, sondern als aufdringlich erscheinen. Sie werfen sich dem Betrachter regelrecht an den Hals, lassen aber dem Auge in der Regel keinen Punkt zur Konzentration.
Ganz zu schweigen von Kontemplation.
Gerade die Arbeiten von Ronald de Bloeme zeigen die ästhetischen Strukturen hinter der schrillen Marketingwelt. Und er nennt seine Arbeit nicht nur „Ironie“ – er arbeitet unübersehbar mit Ironie, baut die Versatzstücke einer markenentkernten Werbesprache zu neuen Bildteppichen zusammen, die den Betrachter geradezu in Verwirrung stürzen. Man müsste eigentlich einen Rettungsring daneben hängen, damit sich einer festhalten kann.
Bei der Künstlerauswahl hat die Berliner Kuratorin Christine Nippe zwei Positionen von der Galerie b2 ganz bewusst mit zwei „externen“ zusammengestellt. Gemeinsam befragen die Künstler die Rolle und Bedeutung von Popkultur heute.
Ronald de Bloeme lässt sich bei seinen mit Lack versehenen Malereien im ersten Moment von Werbung- und Zeitungsslogans inspirieren, um diese dann in zahlreichen Überarbeitungsschritten in die Abstraktion zu überführen.
Caroline Hake zeigt in ihren farbgesättigten Fotografien die Welt von Sendestudios und Blue Screens des Fernsehens. Während Heide Nord in ihren Skulpturen Elemente aus der Wohn- und Modewelt kombiniert und zu eigenwilligen Charakteren verarbeitet. Auch Christine Schulz Arbeiten sprechen von popkulturellen Einflüssen, wenn sie Referenzen aus der Musik in ihre Installationen und Collagen einwebt.
Man kann es Referenz nennen. Aber man kann es auch eine Demontage nennen. Denn dadurch, dass der sonst mitverkaufte Inhalt fehlt, wird für den Betrachter sichtbarer, wie moderne Produktwerbung die Dinge verpackt, aufpeppt und aufpoppt, damit sie sich dem Betrachter ins Auge schieben, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit – logische Folge – allen anderen, nicht-schreienden Dingen, jegliche Aufmerksamkeit entziehen.
Hier wird quasi die Kehrseite der fünf Minuten Ruhm sichtbar, die einst Andy Warhol den eitlen Konsumenten des 20. Jahrhunderts versprach. Dass diese allgegenwärtige Reklame am Ende auch die Wahrnehmung der Wirklichkeit fast unmöglich macht, wird ziemlich deutlich. Und so nebenbei auch, wie sehr Pop selbst die üblichen Medien dominiert. Was bei Caroline Hakes Arbeiten aus der Serie „Monitor“ von 1998 bis 2003 besonders fassbar wird. Alle Blicke werden auf den Monitor gelenkt, regelrecht gebannt auf das, was da gleich in schrillen Farben zu sehen sein wird.
Aber auch da bleibt das Stutzen: Was passiert eigentlich mit dem ganzen „Rest“ unserer Umgebung, wenn wir nur noch auf dieses poppige Zappeln schauen, ins Zentrum dieses in Serie produzierten Fünf-Minuten-Ruhms, der so banal und unwichtig ist und trotzdem am nächsten Tag sogar die Schlagzeilen füllt mit buntem Schaum und einer Aufregung, die eigentlich in den Zirkus gehört, in den schrillen Orchestermoment, wenn der Clown durch die Manage rennt.
Eröffnet wird die Ausstellung „Smuggling Pop“ in der Galerie b2 in der Spinnerei (Gebäude 20) am Samstag, 26. November, ab 16 Uhr.
Zu sehen ist sie dort vom 26. November bis zum 23. Dezember
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