Am gestrigen Abend, 22. November, wurde im Stadtgeschichtlichen Museum im Böttchergässchen eine Ausstellung eröffnet, die sich Museumsdirektor Volker Rodekamp schon seit 15 Jahren gewünscht hat. Seit 30 Jahren reist sie schon durch Deutschland und ist damit wohl die am längsten rollende Ausstellung im Land: die „Duckomenta“. Duck wie Donald Duck, wie Ente. Die berühmteste Ente der Welt.
Und einst auch wahrnehmbar als so etwas wie das Symbol einer unverwechselbaren Konsumkultur. Denn als eine Gruppe Studierender 1982 in Braunschweig begann, sich künstlerisch mit der berühmten Walt-Disney-Ente zu beschäftigen, war man sich auch im Westen Deutschlands noch sehr bewusst, wie sehr das ganze Land und seine ganze Konsumkultur gerade amerikanisiert wurde. Die 1970er und 1980er Jahre waren die Zeit, als McDonald’s, Burger King und all die anderen amerikanischen Ketten und Marken gerade erst in die westdeutschen Städte schwappten. Wer damals jung war, der spürte, wie sich ein ganzes Land veränderte, tatsächlich regelrecht amerikanisiert wurde. Und wie dieser amerikanische Einheitsbrei auf einmal alles zu dominieren begann. Auch die Jugendkultur – bis hin zu diesen zwei berühmten Enten und der berühmten Maus, die als Comic-Figuren Filme und Heftreihen dominierten.
„Dagegen wollten wir was tun“, sagt Anke Doepner heute und erinnert sich auch daran, wie sehr man die Beschäftigung mit der Comic-Ente auch als aufklärerisches Projekt begriff. 1986, als die kleine Künstlergruppe erstmals ihre Projektarbeiten ausstellte, war die künstlerische Beschäftigung mit Donald Duck nur ein Teil der Ausstellung. Der Rest bestand aus Informations- und Aufklärungstafeln.
Aber gerade dieser kleine Teil „Duckomenta“ rief die Medien auf den Plan. Die fanden es sensationell, wie die fünf Künstler sich die Disneysche Comic-Figur aneigneten und aus ihr mit einer Menge Ironie handfeste neue Kunstwerke schufen. Seitdem haben die fünf Künstler immer neue Werke mit Maus und Ente geschaffen, einen ganzen Kosmos von mittlerweile 500 Kunstwerken, von denen immer nur ein Teil ausgestellt werden kann. Aber seit 1986 ist die sich fortwährend ändernde Ausstellung unentwegt unterwegs, gastiert in einem berühmten Museum nach dem anderen. Anfangs immer noch mit einem spielerischen Impetus. Die jungen Künstler hatten einfach Spaß daran, immer neue klassische Kunstwerke der Weltkultur neu zu schaffen mit schnabeltragenden Heldinnen und Helden.
Nur irgendwie kam ihnen der eigentlich kritisierte Walt Disney dabei abhanden. Nicht weil sie die ganze Comic-Kultur nicht trotzdem kritikwürdig fanden. Aber sie konnten die Entwicklung nicht aufhalten. „Wir haben es leider nicht geschafft“, sagt Anke Doepner, die selbst zur Künstlergruppe InterDuck gehört und die Ausstellungen managt. Was wohl eher ein Vertrösten ist: Bis 2020 ist die Schau ausgebucht.
Die amerikanische Kultur hat das ganze Land überzogen, hat sich so in unser Leben hineingefressen, dass wir oft gar nicht mehr unterscheiden können, was originär unseres ist und was nur der nächste Klon einer Mode aus den USA, die um den ganzen Weltball schwappt.
Aber wogegen opponiert man noch, wenn die Schlacht verloren ist?
Das war für die Gruppe InterDuck gar nicht die Frage. Auch 1999 nicht. Die Ausstellung war ausgebucht, die Leute waren begeistert. Nachahmer schossen überall aus dem Boden. Da machten sie aus der Freizeitbeschäftigung eine Firma und änderten auch die Sicht auf ihre berühmte Ente. Sie begannen eine ganze Welt der Enten zu erschaffen, lösten sich zusehends vom Disney-Vorbild, und das Ergebnis war eine ganze Kulturgeschichte der Enten.
Eben das, was seit gestern Abend im Stadtgeschichtlichen Museum in 180 Exponaten zu sehen ist.
Und wer die ganze Geschichte sehen will, der beginnt seinen Rundgang im Keller, in jenem kleinen Kabinettraum, wo die Museumsleute sonst immer kleine, eher verschwiegene Ausstellungen gestalten. Jetzt haben sie dort alle Ausstellungsstücke untergebracht, die an die lange, lange Vorgeschichte der Ducks erinnern, die irgendwie immer präsent waren und eine Entwicklung genauso wie die Menschen durchmachten: Sie schufen Pyramiden und hatten ihre Schnabel-Nofretete, sie balsamierten ihre Könige ein und bauten Hölzerne Enten, um Troja zu erobern. Sie brachten berühmte griechische Philosophen hervor und prägten Geldmünzen, auf denen in perfektem Latein zu lesen stand: „Donald ist doof.“
Keine Frage. Donald kommt mehrfach vor in dieser Ausstellung. Und wer Bezüge zur Gegenwart sucht, der findet sie.
Wer Tragik sucht, findet auch die. Denn ausgestellt ist auch die berühmte Mumie des Dötzi, gefunden in Schnee und Eis. Nein, diese berühmte Ente hat die Alpenüberquerung nicht geschafft.
Wer dann in den großen Ausstellungsraum emporsteigt, findet im Grunde die ganze reiche Kulturgeschichte der Enten in den berühmtesten Kunstwerken der vergangenen 500 Jahre – als geheimnisvolle Schöne, von da Vinci gemalt, als Rembrandtscher Entenmann mit Goldhelm, als grübelnder Goethe in Italien oder als mal nicht ganz so gestrenger Johann Sebastian Bach. Die großen expressionistischen Maler Frankreichs haben sich der Ente genauso gewidmet wie die wilden Maler der Moderne. Mal schreitet sie den fröhlichen Hunden der französischen Revolution voran, mal finden sich gleich zwei Entenfreunde in Bronze, wie sie vor dem Theater in Weimar stehen.
Da haben nicht nur Kinder ihren Spaß, findet Volker Rodekamp. Denn als er die Schau in Hildesheim vor zehn Jahren zum ersten Mal sah, haben ihn besonders die Bildtexte in ihren Bann gezogen. Da bekommen diese Bilder eine ganz eigene Geschichte, tauchen erstaunlich verdächtige Künstler auf und Bild um Bild ordnet sich in einen Entenkosmos ein, der gerade Kennern der bildenden Kunst Spaß machen wird. Denn dieses – hochprofessionelle – Spiel mit den Berühmtheiten der menschlichen Kulturgeschichte macht die Ausstellung natürlich auch zum Spiegelbild. Was Menschen sonst gern ernst nehmen, wird ironisch gebrochen. Was manchmal einfach ist – wie beim eindrucksvollen Bild zweier Steampunks, die extra für die Wave-Gotik-Ausstellung gemalt wurden und auch jetzt wieder ein Hingucker in der Ausstellung sind. Manchmal aber verzweifeln auch die geübten Maler von InterDuck. Für das ebenfalls von Leipzig bestellte Bild des Staatsratsvorsitzenden Erich Hornducker brauchte es schon zwei Anläufe, bis das Künstlerkollektiv „Rote Rübe“ überhaupt eine Lösung fand.
Denn mit Diktatoren und anderen fiesen Typen hat die Künstlergruppe ihre Schwierigkeiten, betont Anke Doepner. Der Schnabel allein verändert schon die Perspektive, die Typen wirken auf einmal lustig und menschlich. Das haben sie aber nicht verdient. Deswegen war auch der Versuch, den grimmigen SED-Chef zu malen, so schwer. Nun hängt er trotzdem da – gleich neben einer freundlichen Bundeskanzlerin. Aber er lächelt nicht. Er guckt trotzdem grimmig. Ganz anders als der schnabelbewehrte Karl Marx, der die globale Entenvereinigung einst ins Flattern brachte.
Es haben also alle ihre Freude in dieser Ausstellung: die Jungen, die noch nicht so viel wissen über Kunst, Politik und Geschichte, und die Älteren, die hier so manches Altvertraute in frecher Neuschöpfung wiedersehen. Und sich ihres denken dürfen dabei. Museumsdirektor Volker Rodekamp ist glücklich, denn diese Ausstellung wollte er schon immer mal in Leipzig haben. Auch weil diese fröhliche Annäherung an Kunst mal das Gegenteil des üblichen ernsthaften Museumsbesuchs ist.
Tipp: Die Ausstellung „Duckomenta. Entenhausen in Leipzig“ ist vom 22. November 2016 bis zum 23. April 2017 im Stadtgeschichtlichen Museum im Böttchergässchen 3 zu sehen.
In eigener Sache: Für freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikäufer
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
Keine Kommentare bisher