Es gibt eine Menge Dinge, die Leipzig und Merseburg gemeinsam haben. Hätte Merseburgs Bischof Thietmar nicht aufgeschrieben, dass der treffliche Meißner Bischof Eid am 20. Dezember 1015 in urbe libzi verstorben sei, Leipzig wäre noch ein paar Jahrzehnte unerwähnt geblieben. Aber das war halt erst im Dezember. Im Mai 1015 hatte Thietmar noch ganz anderes zu tun. Da hat er nämlich den Grundstein für "seine Kirche" gelegt, den heutigen Merseburger Dom.

Die Leipziger waren mit ihrem Festumzug am 30. Mai also ein bisschen früh dran. Eigentlich war da eher ein Feiertermin für 1.000 Jahre Merseburger Dom.

Den Grundstein für den Bau der repräsentativen Kathedrale des Bistums Merseburg legte Bischof Thietmar von Merseburg am 18. Mai 1015  im Auftrag des Kaisers Heinrich II. Vom ursprünglichen romanischen Bau sind nur noch Teile erhalten. Heute dominieren durch spätgotische Umbauten Raumeindruck und Außenwirkung.

Die Stadt Merseburg, 30 Kilometer westlich von Leipzig, feiert also in diesem Jahr parallel mit Leipzig 1.000 Jahre – aber eben 1.000 Jahre Grundsteinlegung des Merseburger Doms, und zwar nicht mit einem Festumzug, sondern mit einer hochkarätigen Sonderausstellung vom 10. August bis zum 9. November 2015.

Gelegen ist das Ganze nicht “urbe merseburgensis”, sondern in “Saale-Unstrut”, teilt der Saale-Unstrut-Tourismus e.V. mit. In Sachen Tourismus kommen die Leute auf die verrücktesten Ideen. Saale-Unstrut, so die Erklärung, “ist mit seinem Ensemble aus Burgen, Domen und Klöstern eine der bedeutendsten hochmittelalterlichen Kulturlandschaften Europas. Zu den herausragendsten Baudenkmälern der Region zählt der Merseburger Dom St. Johannes und St. Laurentius. Mit seinem bedeutenden Schatz kündet er vom Glanz der einstigen Pfalz- und Bischofsstadt.”

Die Grundsteinlegung der Kathedrale vor 1.000 Jahren ist Anlass für die neue Sonderausstellung “1.000 Jahre Kaiserdom Merseburg“ der Vereinigten Domstifter, die vom 10. August bis zum 9. November 2015 im Dom sowie im Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg zu sehen ist.

Die Ausstellung spiegelt anhand von etwa 150 Exponaten mitteleuropäische Geschichte und die Rolle Merseburgs als einst wichtigste Königspfalz im Osten des Heiligen Römischen Reiches wider. Zu den Höhepunkten zählen das Adelheidkreuz aus der Zeit des Investiturstreits, ein Kelch, der Heinrich II. den Weg zur Heiligsprechung ebnete, das Armreliquiar des Hl. Laurentius aus dem Welfenschatz, die Merseburger Zaubersprüche, die als älteste althochdeutsche Handschrift mit heidnischem Inhalt gelten, sowie Bilder- und Musikhandschriften, Königsurkunden und Legendensammlungen.

Zahlreiche Exponate sowie der Dom selbst künden von den großen Taten Bischof Thietmars, der auch die Stadt Leipzig vor 1000 Jahren erstmals schriftlich erwähnte. Er ging als berühmtester Chronist der ottonischen Zeit in die Geschichte ein.

Die Ausstellungsstücke stammen aus der eigenen Sammlung des Domstifts Merseburg sowie von deutschen und internationalen Leihgebern, darunter die Staatlichen Museen zu Berlin, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sowie das Benediktinerstift St. Paul in Österreich und das Museum der Anfänge des Polnischen Staates in Polen.

Und mit Polen hatte Thietmars Notiz zu Leipzig 1015 ja auch zu tun. Bischof Eid war im Auftrag des Kaisers extra nach Osten zum polnischen Herzog Bolislaw gereist, um für die Bestattung der kaiserlichen Kämpfer zu sorgen, die in einem Gefecht gegen den Polenherzog gefallen waren. Das damalige Gebiet des heutigen Sachsen war immer wieder Schlachtfeld, auf dem auch die deutschen Kaiser mit den böhmischen und polnischen Herzögen um die Vormachtstellung rangen. Und nicht immer waren die Truppen des Kaisers erfolgreich, so dass er auch damals schon diplomatische Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn unterhalten musste. Man schickte halt nur keinen Außenminister hin, wenn es was zu klären gab, sondern lieber einen Bischof. Und Bischof Eid – oder Eido – war natürlich prädestiniert für die Verhandlungen, denn es war ja sein Bistum, das mitten im Kampffeld lag, und er hatte was zu gewinnen, wenn er die Mächtigen miteinander versöhnte.

Führungen, Konzerte und Kalligrafie

Ein Begleitprogramm zur Sonderschau umfasst thematische Führungen, Vorträge und Konzerte. Höhepunkte sind die 45. Merseburger Orgeltage vom 12. bis 20. September sowie das Konzert der Capella Antiqua Bambergensis am 26. September, bei dem Musik des Mittelalters umrahmt von Erzählungen im Dom ertönt. Und das Kulturhistorische Museum gibt Schreibkurse in karolingischer Minuskelschrift.

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