Im April konnte Dr. Volker Rodekamp, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, das frisch polierte und reparierte Stadtmodell von 1822 wieder der Öffentlichkeit präsentieren. Wer es bestaunen will, findet es in neuer Beleuchtung im Alten Rathaus. Aber so eine Idee bewegt den Museumsdirektor nun seit anderthalb Jahren: Wie wäre es mit einem Modell des ganz alten Leipzig? Oder zwei?
Eines wird schon in der Ausstellung “1015. Leipzig von Anfang an” zu sehen sein: Fünftklässler aus Leipziger Schulen waren aufgefordert, sich auszumalen, wie das Leipzig von 1015 ausgesehen haben könnte. Denn die Archäologen haben zwar einige Teile des alten Burgwards ausgegraben, können sagen, dass es eine 4 Hektar große Anlage gab mit Graben und Wallanlage drumherum, einer Burg und einer Kirche. Aber von den damaligen Häusern innerhalb der Anlage hat sich nichts erhalten. Holz, Stroh und Lehm sind vergängliche Baustoffe. Die Schüler können also richtig Phantasie in das Projekt investieren. Das in dieser Hinsicht auch ein Phantasieprojekt bleibt.
Ganz anders wird der Versuch, das mittelalterliche Leipzig zu konstruieren. Denn das kann man quasi im Rückwärtsgang tun.
Eine gute Grundlage ist die Stadtansicht von 1547, auf der quasi jedes Hausdach, jeder Kirchturm, jeder Speicher, jeder Mauerturm eingezeichnet ist. Selbst das kurfürstliche Schloss ist drauf – freilich in Schutt geschossen im Schmalkaldischen Krieg, aber auch das Rathaus am Markt ist drauf – noch vor seinem Umbau durch Hieronymus Lotter.
Rodekamps Idee: Aufbauend auf dieser Stadtansicht ließe sich zumindest virtuell die Stadt von 1547 konstruieren. Dass es geht, haben ihm seine Kollegen aus Krakow 2013 im Studio des Stadtgeschichtlichen Museums in der Ausstellung “Cracovia 3D” gezeigt. Die haben Ergebnisse der Krakower Ausgrabungen im Herzen der alten Handelsstadt gezeigt – und zwar in ihrer Umsetzung als virtuelle Stadtrekonstruktion, die es möglich macht, die Stadt in ihrem Werden und Wachsen vom 13. bis zum 17. Jahrhundert sichtbar zu machen.
In Leipzig sind zwar derzeit keine so ausgewachsenen Grabungen im mutmaßlich ältesten Teil der Stadt – rund um den Nikolaikirchhof – möglich, aber von der Rekonstruktion der Stadt von 1547 könnte man sich virtuell in die Vergangenheit vorarbeiten. Eine gute Grundlage dafür, so die fürs alte Leipzig zuständige Kuratorin des Museums, Dr. Maike Günther, ist das Leipziger Harnischbuch von 1466. Darin sind 700 Hofstellen verzeichnet, so dass man sich von der Stadt der Lutherzeit zurückarbeiten könnte ins 15. Jahrhundert.
“Ich glaube, dass wir diesen Schritt wagen können”, sagt Rodekamp, der freilich auch weiß, dass man das nicht einfach so nebenbei abwickelt. “Aber ich habe schon Bürgermeister Bonew gefragt, der ja bekanntlich fürs Jubiläum 1015 zuständig ist. Und der hat gesagt, dass das durchaus denkbar wäre, auch mit Geld zu untersetzen.”
Wenn es gar gelingt, die Stadt von 1547 als plastisches Modell zu bauen wie das von 1822, hätte Leipzigs Stadtgeschichtliches Museum einen doppelten Hingucker.
Wie weit man bei der virtuellen Rekonstruktion freilich übers Jahr 1460 hinauskommen wird, darauf kann man wohl gespannt sein. Denn gerade die aktuelle Ausstellung “1015. Leipzig von Anfang an” zeigt ja, wie schwer es schon ist, die Konturen der Stadt für das 12. oder 13. Jahrhundert zu zeichnen. Wenn es keine unterstützenden Befunde durch die Landesarchäologen gibt, wird die Rekonstruktion zum Rätselraten.
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“Wenn es gar gelingt, die Stadt von 1547 als plastisches Modell zu bauen wie das von 1822, hätte Leipzigs Stadtgeschichtliches Museum einen doppelten Hingucker.”
Und die Bauherren von heute könnten mit verstohlenem und beschämtem Blick zur Kenntnis nehmen, dass deren Bauweise Eindimensional und töricht ist. Nichts was es zu bewahren oder später zu rekonstruieren gilt.