Am heutigen Donnerstag, 25. September, wird im Bach-Museum Leipzig die Kabinettausstellung "Mit Studiosi musiciret. Bach und die Leipziger Universität" eröffnet. Sie zeigt einen Teil des Bachschen Wirkens in Leipzig, der zumeist kaum Beachtung findet. Nur eine ausgewählten Bach-Gemeinde ist in der Regel bekannt, dass Johann Sebastian Bach auch in der Universitätskirche tätig war und mit den Leipziger Studenten ausnehmend gern musizierte.
Während seiner Zeit als Thomaskantor übernahm Johann Sebastian Bach stets auch musikalische Aufgaben an der Universität. Dazu gehörten die Kirchenmusik an hohen Feiertagen sowie die musikalische Gestaltung der vierteljährlichen Redeakte (akademischen Reden) in der Universitätskirche. Das tat er sogar von Amts wegen, denn in seiner Person als Thomaskantor war er für die Organisation der Kirchenmusiken in Leipzig zuständig, auch in der Universitätskirche. In seiner 27-jährigen Amtszeit in Leipzig hat er in der Universitätskirche St. Pauli über 100 Musiken aufgeführt, stellt das Bach-Archiv fest. Was da 1968 auf Geheiß engstirniger Funktionäre gesprengt wurde, war also ein sehr bedeutender originaler Bach-Ort.
Aber nicht nur dieses Amt verband Bach, Thomasschule, Thomaskirche und Universität. Auch das wird in der kleinen – von Maria Hübner – zusammengestellten Kabinettausstellung sichtbar. Denn viele Rektoren und Lehrer der Thomasschule und Pfarrer der Thomaskirche waren auch gleichzeitig Dozenten an der Universität. Es gibt also auch mal wieder – wie zuletzt in der großen Ausstellung “Erleuchtung der Welt” im Alten Rathaus – eine Menge perückenbehelmter Professorengesichter zu sehen, etliche davon wichtige Vertreter der Leipziger Aufklärung, an denen Bach gar nicht vorbei konnte, wenn er durch Leipzig spazierte.
Forsche verblüfft zwar immer wieder, dass Reisende des frühen 18. Jahrhunderts zwar die berühmten Professoren besuchen, zumeist aber Bach nicht mal erwähnten. Aber wer damals in Leipzig zur gut situierten Bürgerschaft gehörte – und die Professoren und der Thomaskantor gehörten dazu – der lief sich zwangsläufig über den Weg. Und wenn es um Musik ging, war Bach allerenden präsent. Nicht nur in den Kirchen, auch auf Straßen, Plätzen und in Kaffeehäusern. Auch das zeigt die reich mit Dokumenten, Büchern und Listen gespickte kleine Ausstellung, die den Besucher mitnimmt in das Leipzig um 1730, wie es Bach erlebt haben muss.
Da gibt es die Dokumente, die ihn als Bediensteten der Uni Leipzig zeigen – wovon sogar seine Witwe und seine Töchter noch profitierten, denn durch sein Universitätsamt bezogen sie eine Art Hinterbliebenenpension, die ihnen gerade in Krisenzeiten half. Es gibt aber auch die Dokumente zu sehen, die zeigen, wie wichtig die Leipziger Studenten für Bach und sein Musizieren war. Denn wo er nicht auf die Stadtpfeifer zurückgreifen konnte, brauchte er Alternativen. Und das waren damals die in der Regel musikalisch vorgebildeten und begabten Studenten.
1729, sechs Jahre nach seiner Ankunft in Leipzig, konnte Bach das zuvor von Georg Balthasar Schott geleitete Collegium musicum übernehmen, mit dem er fortan wöchentlich musizierte. Der moderne Mensch fragt sich natürlich: Wie schaffte er das noch neben all seinen Aufgaben als Kantor?
Aber augenscheinlich war es für den begnadeten Komponisten auch eine Form der Freiheit, einfach zu seinem Vergnügen und zum Vergnügen der Zuhörer zu musizieren. Und der Ort, der dadurch legendär wurde, weil er gleichzeitig der Treffpunkt für das intellektuelle Leipzig war, war das Zimmermannsche Kaffeehaus in der Katharinenstraße, das heute freilich genauso wenig zu sehen ist wie die einstige Universitätskirche. Hier waren es die Bomben des 2. Weltkrieges, die das Haus aus der Stadtkarte entfernten.
Aber ähnlich berühmt wurde Zimmermanns Kaffeegarten vor den Toren der Stadt, also in diesem Fall dem Grimmaischen Tor (das ja zu Bachs Zeiten noch stand – Leipzig war eine in Teilen noch sehr mittelalterliche Stadt). Zimmermanns Kaffeegarten lag im Grimmaischen Steinweg, im hinteren Teil des Geländes. Wenn man sich den Platz heute irgendwie vorstellen möchte, dann findet man ihn am ehesten direkt auf der Fläche hinter dem Europahaus. Die “Kaffeekantate” zeugt heute von Bachs musikalischem “Hobby”. Mit dem Konzertsaal in Schellhafers Haus in der Klostergase kommt ein weiterer Spielort Bachs ins Bild. Man könnte einen eigenen Stadtplan malen mit all den Orten, an denen Johann Sebastian Bach in Leipzig dirigierte, musizierte, wirkte und lebte.
Und dazu würden auch einige Straßen, Plätze und ein Friedhof gehören. Denn einige wichtige Konzerte fanden zu besonderen Ereignissen unter freiem Himmel statt.
So schrieb Bach auch Auftragswerke für besondere Anlässe. Zu den eindrucksvollsten gehören die Trauerode “Laß Fürstin, laß noch einen Strahl” für die verstorbene Kurfürstin Christiane Eberhardine und die Motette “Der Geist hilft unser Schwachheit auf” zur Beerdigung des Thomasschulrektors Johann Heinrich Ernesti. Weitere Anlässe für Kompositionen boten Jubiläen von Professoren oder Huldigungen für die kurfürstliche Familie, zu denen oftmals opulente Freiluftmusiken, verbunden mit prächtigen Zeremonien, stattfanden. Und diese fürstlichen Konzerte fanden natürlich direkt auf dem Markt statt, unter den Fenstern des Fürstenhauses, in dem die hochrangigen Gäste logierten und dann zumeist gnädig lauschend ans Fenster kamen, wenn drunten – meist mit Instrumenten und Fackelschein – mächtig drauflos musiziert wurde. Einige dieser Festmusiken fanden sich dann später, abgewandelt, in Bachs weltberühmten Kirchenkompositionen wieder.
Also finden sich auch Dokumente, die das Konzertieren Bachs und seiner Zeitgenossen zumindest in Schriftform wieder lebendig werden lassen, Akteneinträge, Kupferstiche von musizierenden Studenten, Notenbeispiele und Bilder jener Gebäude, in denen der Thomaskantor zu Gast war. Die meisten sind heute verschwunden. Aber ein Stadtplan aus dem 18. Jahrhundert hilft natürlich, sich ein wenig zu orientieren in diesem barocken Leipzig.
Die Ausstellung läuft vom 26. September 2014 bis zum 15. Februar 2015 und präsentiert originale Bach-Handschriften, Beschreibungen der Spielstätten und andere Dokumente sowie Grafiken, die das reiche Musikleben im Umfeld der Leipziger Universität anschaulich machen.
Die Ausstellung wird gefördert vom Packard Humanities Institute, Los Altos, California und der Vereinigung der Freunde des Bach-Archivs Leipzig.
Die öffentliche Ausstellungseröffnung findet am heutigen Donnerstag, 25. September, um 18 Uhr im Bach-Museum Leipzig (Thomaskirchhof 15/16) statt, der Eintritt ist frei.
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