Man sah ihm nicht an, wie sehr er gelitten hatte, als er im Januar 2013 erstmals der Leipziger Presse vorgestellt wurde: der heimgekehrte Johann Sebastian Bach IV. Vielleicht auch der V. Bei der Zählung der Bach-Porträts kann man schon ein wenig durcheinander kommen. Denn offiziell gibt es das Haußmann-Porträt von 1746, Haußmanns Kopie von 1748 und vier Kopien von späteren Künstlern. Drei, denn eines ging im 2. Weltkrieg verloren. Zwei Kopien besitzt jetzt das Bach-Museum.

Das Ende 2012 auf einer Auktion in den USA erworbene Bach-Porträt hat schon für Furore gesorgt. Denn sein Besitzer, der Holländer Tuyll van Serooskerken, der mit dem Bild in die USA verzogen war, hatte seit den 1980er Jahren schon mehrfach versucht, das Bild zu verkaufen – aber freilich in der Annahme, es sei ein Original. Der Preis war entsprechend unbezahlbar. Erst 2012 tauchte es dann wieder auf – diesmal zu einem vertretbaren Preis, wie Dr. Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs Leipzig, einschätzt. Mit Unterstützung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder konnte es für 100.000 Dollar (rund 70.000 Euro) für das Bach-Archiv Leipzig erworben werden. Wie sehr aber auch dieses Bild im Lauf seiner Existenz gelitten hatte, stellte sich dann bei der Begutachtung im Magazin des Bach-Museums heraus. Mit ein bisschen Firniserneuern war es nicht getan.

Am Donnerstag, 19. Juni, stellte das Bach-Archiv Leipzig nun das Ergebnis eines ganzen Jahres Arbeit vor. Die Tätigkeit hatte die Restauratorin Sybille Reschke inne, die das, was sie mit dem Bild anstellen musste, “eine Operation am offenen Herzen” nennt. Dabei hatte sich das Bach-Archiv doch gefreut auf dieses Bild. Noch Ende des 19. Jahrhunderts war es in Leipzig und diente damals als Maßstab für die Restauration des originalen Haußmann-Bildes, das damals schon so gelitten hatte, dass die Restaurierung eher einer Überarbeitung glich. Dieses Original hängt heute in der Ratsstube des Alten Rathauses – schön hinter Glas, da sieht man die Schäden der Zeit nicht so.Eine Aufgabe für Sybille Reschke war auch, die Entstehungszeit der Kopie zu ermitteln. Oder war’s doch ein Original, wie Tuyll van Serooskerken glaubte? – Nein, tatsächlich nicht. Das verriet schon die Leinwand, die eine industrielle Grundierung aufwies. Alles deutet darauf hin, dass die Kopie in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand. Nur ein Rätsel konnte Sybille Reschke auch nicht lösen: den Maler. Nur seinen Stil konnte sie ergründen, der in seiner Weichheit ebenfalls ins 19. Jahrhundert verweist.

Und was sich dann bei der Begutachtung im März 2013 herausstellte, war dann – nach Abnahme von Glas und Rahmen – der geradezu katastrophale Zustand der Bildes. Es hat in seiner Existenz schon richtig gelitten, weist an mehreren Stellen Beschädigungen auf, wurde an etlichen Stellen neu gekittet, wurde zwischenzeitlich mit einer zweiten Leinwand hinterlegt und an mehreren Partien ergänzt. Und der Aufenthalt im Süden der USA ist dem Bild überhaupt nicht bekommen – die Farbpigmente hatten sich aufgestellt, die Leinwand hatte sich verzogen und der Firnis war stumpf geworden.

Es blieb gar nichts anderes übrig: Sybille Reschke musste das Bild von Grund auf reparieren, musste die letzten Retuschen entfernen, die zweite Leinwand sowieso. Bis zur Grundstruktur des Bildes aus seiner Entstehungszeit musste sie sich vorarbeiten. Die Schäden, die später retuschiert worden waren, erscheinen auf den Arbeitsfotos wie “das Delta des Amazonas” – gewaltige weiße Risse, die über das halbe Bild liefen. Der Rest war dann penibles Ausbessern und Ausfüllen, quasi ein Neuaufbau des Bildes an all den versehrten Stellen. “Eine echte Endrestaurierung eben”, sagt die Restauratorin, die quasi ein ganzes Jahr lang mit der Rettung des Bildes beschäftigt war.

Die Rettung ist gelungen. Stolz konnten die Retter das Bild am Donnerstag wieder der Öffentlichkeit zeigen. Peter Wollny schwärmt natürlich, weil das Bild die ganze Farbentiefe des 18. Jahrhunderts zeigt. Man wird das Bild auch im Vergleich betrachten können, denn eine Kopie des Haußmannschen Originals besitzt das Bach-Museum ja schon. Sie wird in der Schatzkammer des Museums gezeigt. Und in der Schatzkammer soll nun auch diese zweite Kopie ihren Platz finden – mit einer kleinen Erläuterung zur Rettungsgeschichte. Die Restaurierung hat das Bach-Archiv ausschließlich über Spenden finanziert.

Und wer die drei nächsten Tage nutzt, wird in der Schatzkammer noch über eine weitere kleine Sensation stolpern: Das Bach-Museum stellt dort ein Pastellbild aus, das mit einiger Wahrscheinlichkeit eine weitere Original-Darstellung Johann Sebastian Bachs ist. Das vermerkt zumindest die hölzerne Rückseite des Bildes, auf der neben dem Namen Johann Sebastian Bach auch das Jahr verzeichnet ist: 1737. Kerstin Wiese, Direktorin des Museums, hat zwar noch so ihre Zweifel, ob das nun wirklich ein “neues altes” Original-Porträt des Leipziger Thomaskantors ist. Es wurde gerade auf einer Online-Auktion erworben. Und natürlich hat man es hier nicht mit dem berühmten Leipziger Porträt-Maler Elias Gottlob Haußmann zu tun, sondern eher mit einem Liebhaber, wie das damals hieß, der den 52-jährigen Bach in Pastell porträtierte.

Aber, so betont Wiese, gibt es auch schriftliche Quellen, die von einem möglichen Bach-Porträt aus dieser Zeit berichten, das im Besitz seines Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach war, der ja beim diesjährigen Bach-Fest ausgiebig gefeiert wird. Wenn es genau dieses Bild wäre, wäre das tatsächlich eine kleine Sensation. “Aber das müssen wir in nächster Zeit erst einmal ausgiebig untersuchen”, sagt Wiese.

Das von Sybille Reschke restaurierte Bach-Bild soll ab Juli seinen Platz in der Schatzkammer finden.

Die Schatzkammer befindet sich gleich im Foyerbereich des Bach-Museums.

www.bach-leipzig.de

www.bachmuseumleipzig.de

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