Was war das Besondere an Plagwitz, dem Industrieviertel im Westen der sächsischen Stadt Leipzig? "Schwarze" Industrien, in denen die Zeit stehengeblieben schien, existierten überall in der ehemaligen DDR. Plagwitz war ein "Museum der Arbeit", ein Ort, der sich aus einer vergangenen Zeit herübergerettet hatte, der nicht in den Modernisierungswellen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden war.

Als Standort für Maschinen- und Anlagenbau und Textilherstellung hatte Plagwitz überlebt. Produktionsstätten und Wohnhäuser standen dicht aneinander, nicht abgegrenzt und ineinander verwoben. Die schrundig gewordenen Fabrikgebäude stammten aus der Gründerzeit und den Jahrzehnten danach. Die Metropole im Osten ahnte man hinter dem Rauch aus den vielen Essen. Der Zug der Zeit war an Plagwitz vorbeigefahren. Das machte Plagwitz einzigartig. Hier waren Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig zu besichtigen.

Wer sprach da von Zukunft?

1989 war der sozialistische Gesellschaftsentwurf am Ende. Es war auch die wachsende Unzufriedenheit über die anachronistischen Arbeits- und Lebensverhältnisse in Plagwitz, die mit zu den Demonstrationen des Leipziger Herbstes 1989 führte, dem Ausgangspunkt der Friedlichen Revolution.Nach der Einführung der Deutschen Mark im Juli 1990 war der Großteil der Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig. Tausende Arbeitsbiografien wurden unterbrochen oder beendet. Plagwitz war zur Kulisse eines Industriestandorts geworden. In dieser Zeit entstanden die in der Ausstellung vorgestellten Werke und Werkgruppen. Die Fotografen verband der Gedanke, unvoreingenommen und vorurteilslos sachlich die Wandlungen, die hier stattfanden, zu verstehen und in ihren Arbeiten zu reflektieren.

Gegen die Zeit fotografierten sie die Spuren einer Vergangenheit, die bald von der Zukunft gefressen werden würden: Augenblicke der Geschichte eines Jahrhunderts. Nichts würde bleiben, wie es ist.25 Jahre später ist Plagwitz ein attraktiver Standort für Kunst, Kultur und Dienstleistungen mit überwiegend junger Bevölkerung.

Die Fotografen, deren Arbeiten nun in der Ausstellung “Paradigma Plagwitz” zu sehen sein werden, sind Harald Kirschner (*1944), Bertram Kober (*1961), Thilo Kühne (*1968), Hans-Christian Schink (*1961), Helfried Strauß (*1942), Peter Thieme (*1951) und Ulrich Wüst (* 1949).

Die Ausstellung, die Plagwitz im Umbruch zeigt, wird im Tapetenwerk Leipzig (Lützner Straße 91, Halle C01) vom 4. April bis zum 27. April gezeigt. Die Vernissage ist am Freitag, 4. April, um 19 Uhr.

www.tapetenwerk.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar