Anlässlich des 70. Geburtstags des Leipziger Malers und Grafikers Ulrich Hachulla, zeigt die Galerie Schwind parallel in allen drei Dependancen zur Zeit umfangreiche Ausstellungen zum druckgrafischen Werk. Erstmalig wird das mehr als 700 Radierungen umfassende grafische Oeuvre in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Die Ausstellung präsentiert sich in retrospektivem Charakter, beginnend mit den ersten Radierungen von 1964 bis hin zu den jüngsten Arbeiten aus dem Jahr 2011. Motivisch zeigen Hachullas Sujets einen schier unerschöpflichen Reichtum. Besonders intensiv hat sich der Künstler mit der Bildwelt der antik-christlichen Mythologie beschäftigt (Salome, Phönix, Jason, Kassandra, Medea, Odysseus), aber auch mit zeitgenössischen Heldenfiguren, namentlich den Berühmtheiten aus Theater, Film und Revue (L. Harvey, H. Albers, M. Dietrich, M. Rökk, F. Astaire, G. Rogers). Als bedeutende Aufgabe der Druckgrafik gilt zudem seit jeher die Illustration literarischer Vorlagen, wie sie auch im Werk Ulrich Hachullas zahlreich zu finden ist (Dostojewski, Puschkin, Heine, Bobrowski, Neruda).
Ulrich Hachulla, geboren 1943, gehört zur mittleren Generation der Leipziger Schule. Durch seine langjährige Lehrtätigkeit von 1974 bis 2008 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst wirkte er prägend auf eine ganze Schülergeneration. Besonders in seiner Funktion als Leiter der Werkstatt für Radierungen und später als Leiter der Grafikklasse ist es ihm gelungen, seine einzigartigen Fähigkeiten an seine Studenten weiterzugeben.
Begleitend zu den Ausstellungen erscheint das “Werkverzeichnis der Radierungen. 1964-2011” mit einem Beitrag von Michael Triegel, den man ja mittlerweile zu den erfolgreichen Vertretern der Neuen Leipziger Schule zählt. Aber in seinem Beitrag bekennt er sich als Schüler von Ulrich Hachulla und seiner strengen, aber lehrreichen Schule. Insbesondere Hachullas stetige Forderung zum gegenständlichen Arbeiten auch und gerade in der freien Natur habe ihn begeistert. Sehr ausführlich geht er auf Hachullas Bilder zur legendären Salome ein, in denen sich natürlich auch die Salome-Rezeption der modernen Literatur spiegelt.Denn das gilt nicht nur für Hachullas zahlreiche Radierungen zu Gedichten und Romanen: Er zeigt sich in seiner Motivwahl immer wieder beeinflusst von Literatur und Film. Und mancher wird den wichtigen Figurenkanon wiedererkennen, der die Kunst und Literatur im Osten jahrzehntelang prägte. Auch als Allegorie einer Gesellschaft, deren Probleme man nicht benennen durfte – und deshalb verwandelte. Beliebt gerade bei den Künstlern der Leipziger Schule waren dabei die Rückgriffe auf die antike Literatur und ihre Themen. Man denke an Sisyphus und Ikarus bei Mattheuer. Bei Hachulla sind es eher Medea, Kassandra und der Vogel Phönix, der bei ihm – obwohl immer wieder neu gezeichnet – einfach das Fliegen nicht lernen will.
Die starke Beschäftigung mit den Ikonen der Filmwelt setzt bei Hachulla eigentlich erst nach 1990 so richtig ein, genauso wie die intensive Beschäftigung mit christlichen Motiven. So betrachtet, hat der Künstler auch immer auf die latenten Stimmungen der Zeit reagiert.
Aber am Beispiel Salome schildert Triegel auch, wie sensibel es Hachulla tat und tut. Manches, was auf den ersten Blick simpel und eindeutig wirkt, zeigt seine kleinen Ironien erst, wenn man das Bild heranzoomt. Was im Katalog bei einigen Arbeiten möglich wird, weil sie größer dargestellt sind. Die meisten Arbeiten bieten sich nur im Kleinformat. Da ahnt man bei Manchen das bewusst Skizzenhafte, sieht aber auch, wenn Hachulla sich länger mit dem Bild beschäftigt hat und die Feinheiten und Tiefen stärker herausgearbeitet hat. Auffällig ist seine intensive Arbeit mit Licht und Stimmung. Manche dieser oft wirklich nur kleinen Arbeiten wirken wie kleine Gemälde. Vielfach hat Hachulla auch mit mehrere Druckplatten gearbeitet und so Farbe ins Spiel gebracht.Radieren heißt weglassen, betont Triegel. Der Künstler muss immer “verkehrtherum” denken. Denn was man hinterher sieht, ist das, was er “weggelassen” hat. Seitenverkehrt übrigens. Ein zusätzlicher Reiz dieser Arbeiten, bei denen Hachulla auch sichtlich immer wieder Bezug nahm auf die bekannten Radierer der Kunstgeschichte.
Die beiden Künstler – Lehrer und Schüler – begegnen sich auch noch an anderer Stelle: Parallel zeigt der Kunstverein Coburg die Ausstellung “Ulrich Hachulla und Michael Triegel – Arbeiten auf Papier” (22. Juni – 11. Oktober 2013).
Ulrich Hachullas Arbeiten sieht man unter dem Titel “Zum 70. Geburtstag – Druckgrafik” sowohl in der Galerie Schwind / Frankfurt am Main als auch in der Galerie Schwind / Berlin und der Galerie Schwind / Leipzig in der Springerstraße 5. Alle Ausstellungen sind bis zum 20. Juli zu sehen.
Ulrich Hachulla “Werkverzeichnis der Radierungen 1964-2011. Mit einem Beitrag von Michael Triegel”, Edition Galerie Schwind, Leipzig 2013, 29 Euro
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