Klingt erst mal trocken: "Sachsen - Werke aus der Sammlung Deutsche Bank". Ist aber ein Ausflug in die jüngere sächsische Kunstgeschichte. Ein Ausflug, den das Museum der bildenden Künste so gar nicht hätte machen können. Dafür klaffen in den Sammlungen zu große Löcher. Kein Gerhard Richter im Schrank, kein Baselitz im Regal. Ja, das ist jener berühmte Künstler, der seine Ostkollegen schon mal "Arschlöcher" nannte.

Der Riss der Zeit geht durch diese Ausstellung, die das Bildermuseum gemeinsam mit der Deutschen Bank zusammengestellt hat. Man wollte mal wieder was zusammen machen. Schon 1990 haben die beiden Institutionen kooperiert bei einem deutsch-deutschen Austauschprojekt. Das Leipziger Bildermuseum stellte eine Max-Klinger-Ausstellung für Frankfurt zusammen – und die Deutsche Bank half mit ihrem Fundus, um erstmals seit Jahrzehnten eine Max-Beckmann-Ausstellung in Leipzig zu arrangieren.

Die großen Löcher in den Sammlungen moderner Kunst im Museum der bildenden Künste sind bekannt. In DDR-Zeiten fehlten die Etats, um anzukaufen, vieles war auch nicht erwünscht und auch nicht greifbar. Georg Baselitz und Gerhard Richter machten ihre Karriere im Westen. Sie sind die “Flaggschiffe” jener sächsischen Künstler, die in den DDR-Jahren in den Westen gingen, weil ihre Art, Kunst zu machen, bei den Funktionären nicht erwünscht war.Das “Arschlöcher” von Georg Baselitz, der eigentlich Hans-Georg Kern heißt und in Deutschbaselitz, einem Ortsteil von Kamenz geboren wurde, nahmen ihm die getroffenen Kollegen aus dem Osten freilich teilweise sehr übel. Denn nicht jeder, der da blieb und versuchte, seinen Kunstausdruck zu finden, diente sich an. Künstler wie Hartwig Ebersbach etwa sind typisch für diesen auch im Malstil sichtbar werdenden Protest gegen die gewünschte Art Kunst. Und Städte wie Dresden und Leipzig, wo sich die beiden sächsischen Kunstakademien befinden, waren selbst in DDR-Zeiten auch deshalb “Szene-Städte”, weil abseits vom offiziösen Kunst-Kult das Unangepasste weiterlebte. Die beiden Kunsthochschulen lieferten auch immer wieder Nachwuchs für eine unabhängige, teils in abgeschotteten Nischen und illegalen Galerien aktive Szene.

“Wenn man sich die Liste der Künstler so anschaut, hat man repräsentativ die deutsche Kunstgeschichte seit 1970 vor Augen”, sagt Hans-Werner Schmidt, Direktor des Museums der bildenden Künste. Es waren Künstler aus Sachsen oder solche, die hier kurzzeitig Station machten oder eine der Akademien besuchten, die den deutschen Kunstbetrieb der letzten 40, 50 Jahre aufmischten. Und das verbindet sich – wie man in der Ausstellung im Untergeschoss des Bilderwürfels sehen kann – nun gerade nicht mit der so gern zitierten “Leipziger Schule”. Berührungspunkte gibt es. Das liegt in de Natur der Sache.Aber als die Deutsche Bank 1979 zielgerichtet begann, die Kunst der jungen, sich gerade etablierenden Künstler aus dem deutschsprachigen Raum zu sammeln, waren die Ankäufer aus Frankfurt keineswegs darauf aus, die Repräsentations-Kunst der DDR zu erwerben.

“Das, was uns vom staatlichen Kunsthandel angeboten wurde, wollten wir nicht”, erzählt Friedhelm Hütte, Global Head of Art Deutsche Bank (also der Chefankäufer der Bank). “Und das, was wir wollten, bekamen wir nicht.” Erst in der Endphase der DDR lockerten sich die Bedingungen, war auch der Kunsthandel der DDR in der herrschenden Devisennot gezwungen, auch nicht angepasste Künstler mit in den Verkauf zu nehmen. “Aber kurz darauf war das sowieso vorbei”, erinnert sich Hütte. Da begann für ihn das wohl abenteuerlichste Kapitel als Kunst-Finder für die Deutsche Bank, die binnen weniger Monate nicht nur ein Netz ehemaliger Filialen im Osten wieder übernahm, sondern diese Filialen auch wieder mit Kunst ausstattete. “Und dazu holten wir keine Künstler aus Köln oder Düsseldorf rüber, sondern kauften die Kunst vor Ort an”, erzählt Hütte, der damals zwei Jahre lang durch den Osten tourte und all jene Arbeiten auf Papier ankaufte, die die unabhängigen Künstler im Osten repräsentierten. Ein Ankaufprogramm, wie es sich in dieser Dimension nur eine große Bank leisten konnte.Heute besitzt die Deutsche Bank ungefähr 60.000 Kunstwerke. Viele davon hängen tatsächlich an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter. Was freilich noch nicht so gezeigt wurde, war so eine Auswahl. Für Frédéric Bußmann, der für die Ausstellungsgestaltung verantwortlich war, ein gefundenes Fressen. Wann hat man schon mal die Möglichkeit, aus so einem Fundus einfach mal alle namhaften Maler aus einer einzigen Region zusammenzustellen? Und es ist wohl kein Zufall, dass sehr viele Künstler darunter sind, die in den letzten 40 Jahren von sich Reden machten. Und weiter machen.

Da gehören selbst Neo Rauch, Rosa Loy, Maix Maier und Via Lewandowsky jetzt schon zu den Gestandenen. Ebenso wie Blinky Palermo, Carsten Nicolai, Uwe Kowski und Kaeseberg. Aktuell sammele man die Arbeiten der jungen Vielversprechenden, die in den 1970ern / 1980ern geboren wurden, erklärt Hütte. Die man freilich in dieser Werkschau noch nicht sieht. Selbst mit den 240 Arbeiten von 32 Künstlern aus Sachsen musste man sich schon beschränken.

Für Bußmann ist die Schau auch ein Versuch, Antagonismen zu überwinden und jene Künstler und ihre Stile in Kontrast oder sogar Dialog zu bringen, die sich in den ideologischen Schlachten des 20. Jahrhunderts heftig befehdet haben. Der Betrachter kann selbst nachspüren, wie das alles auf ihn wirkt. Denn unterschiedliche politische Haltungen haben zeitweise auch kontroverse Ausdrucksformen zur Folge. Und trotzdem ist da etwas, was alle die Versammelten eint – vielleicht ein herzhafter Streit, ein grimmiges Trotzdem, eine unbändige Lust am Ausprobieren und Sich-treu-bleiben.

Offiziell eröffnet wird die Ausstellung am heutigen Dienstag, 6. Februar, um 18 Uhr. Ein erstes Künstlergespräch gibt es am Sonntag, 17. Februar, um 11 Uhr mit Thomas Scheibitz und Hans-Werner Schmidt.

Es ist auch ein Katalog zur Ausstellung erschienen: “Sachsen – Werke aus der Sammlung Deutsche Bank”, erhältlich für 19 Euro.

Die Ausstellung selbst ist vom 7. Februar bis zum 21. April zu sehen.

www.mdbk.de

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