Es ist der Versuch eines künstlerischen Dialogs, was das Museum der bildenden Künste ab heute zeigt: In der Ausstellungsreihe "Ludwig in Leipzig" werden Arbeiten von Bernhard Heisig (1925 bis 2011) aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig mit Bildern des in Berlin und Brooklyn wirkenden Künstlers Wolfgang Petrick (geb. 1939) unterm Titel "On the Road" konfrontiert.

Im Jahr 2010 erhielt das Museum der bildenden Künste 126 Gemälde und 33 Skulpturen aus der Peter und Irene Ludwig-Stiftung als Dauerleihgabe. Die Werke ergänzen auf hervorragende Weise den eigenen Bestand an künstlerischen Positionen der DDR. Unter dem Titel “Ludwig in Leipzig” werden seitdem, vornehmlich in dialogischen Präsentationen, die Werke in einer Ausstellungsreihe vorgestellt.

“Ludwig in Leipzig V” zeigt Werke von Bernhard Heisig aus der Ludwig-Stiftung und dem Bestand des Museums der bildenden Künste Leipzig. Heisigs Dialogpartner ist Wolfgang Petrick, dessen kritischer Realismus, von surrealen und dadaesken Zügen durchwoben, mit Beginn der 1970er Jahre unter dem Label “D-Realismus” gehandelt wurde. Neben diesen älteren Arbeiten sind auch aktuelle Werke aus dem Atelier des Künstlers zu sehen. Die Ausstellung wurde in enger Kooperation mit Wolfgang Petrick konzipiert.

Dabei darf durchaus der Betrachter herausfinden, ob die beiden Bilderwelten miteinander in Dialog treten. Die Intention der Ausstellungsgestalter ist eine sehr philosophische: “Der Wohlstandsbürger gerät unter seinen visuellen Eingriffen zum degenerierten Monster, der beanspruchte souveräne Auftritt wird zum Debakel angesichts vielfältiger Deformationen, die der Kehrseite der Wohlstandsgesellschaft mit all ihren vordergründigen Lustbarkeiten eingeschrieben sind. Bei ‘Ludwig in Leipzig V’ begegnen sich zwei Künstler, die die Welt in ihren desaströsen Verstrickungen fokussieren und dabei die ungezieme Ansprache und die lauten Töne nicht scheuen.”Wolfgang Petrick gehörte über viele Jahre zum Stamm der Künstler in der Galerie von Dieter Brusberg. Die Galerie fungierte über Jahre als Plattform für Künstler aus der DDR. Petrick war dort ebenso mit Einzelausstellungen vertreten wie Bernhard Heisig. Und das Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig verkehrte regelmäßig in der Galerie von Dieter Brusberg. 1987 organisierte Brusberg eine thematische Ausstellung unter dem Titel “Fritz und Friedrich – Preußische Bilder”. Und in dieser Ausstellung waren Bernhard Heisig und Wolfgang Petrick zentral vertreten. Der Dialog ihrer Bilder fand also vor 25 Jahren schon einmal statt. 2013 begegnen im Museum der bildenden Künste Leipzig Bilder von Bernhard Heisig aus der Sammlung von Peter und Irene Ludwig denen von Wolfgang Petrick aus der Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch.

Das Bild, in dem sich die beiden Künstler wohl am ehesten begegnen, hat Petrick schon 1983/85 gemalt: “Preußische Pietà”. Man kann es direkt neben Heisigs “Winterschlacht” setzen, gemalt 1985/86. Und da begegnen sich nicht nur zwei Bildwelten. Da begegnet man auch jenem seltsamen Jahrzehnt, in dem die Chefideologen der DDR, nachdem sie schon Luther für den Geschichtskanon des “Arbeiter-und-Bauern-Staates” einvernahmt hatten, auch noch die preußische Geschichte für die eigene Verankerung in den historischen Bezügen wiederauferstehen ließen.Das war damals mit großen Biografien von Bismarck und Friedrich II. verbunden. Und es wirkte mehr als schräg in einer Zeit, in der sich die großen Militärblöcke mit Kurzstreckenraketen in Schach zu halten versuchten. Da überkam nicht nur einen Maler wie Bernhard Heisig die elementare Angst vor einem neuen Krieg. Den 2. Weltkrieg hatte er als Angehöriger der 12. SS-Panzerdivision “Hitlerjugend” mitgemacht. Seine Erlebnisse aus dem Krieg tauchten in seinen Bildern immer wieder auf. 1989 veröffentlichte der Leipziger Reclam Verlag sein Buch “Der faschistische Alptraum”.

Aber nicht nur die alptraumhafte Sicht auf Krieg und Militarismus hat er mit Petrick gemeinsam. Auch ihre großformatigen Bilder der modernen (Konsum-)Welt und ihrer politischen Narrentänze haben das Verwirrte, Fragmentierte als gemeinsames Grundmuster. Auch wenn sich ihre Maltechniken deutlich unterscheiden. Wo der eine in seiner Technik auf Surrealismus und Impressionismus zurückgreift, ist beim anderen der starke Einfluss der Popart unübersehbar. Wo der eine ganze Bilderwelten zur deutschen Geschichte geschaffen hat, die mit ihren fragmentarisierten Einzelteilen in die Gegenwart hineinbrüllt, hat der andere immer wieder versucht, die bunte Gegenwart in collage-artigen Bildern zu fassen, die trotzdem immer wieder zu historischen Bildikonen zu werden drohen.

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Das Alte liegt mit dem Neuen im Streit – und ergibt keine harmonische Einheit. Alles ist permanent in Bewegung, ringt und schreit nach Aufmerksamkeit. Während die Oberfläche immer schriller und perfekter zu werden scheint, drängt darunter das schmerzhafte Leben in archaischen Formen zum Ausdruck.

Womit die beiden Maler den Grundwiderspruch der modernen, westlichen Welt wohl sehr genau getroffen haben – den Tanz der Eitelkeiten in Politik und Medien. Und darunter der blutige Strom des Lebens, der weiterfließt, egal, was in der Zeitung steht oder an den Plakatwänden leuchtet.

Eröffnet wird die Ausstellung am Samstag, 26. Januar, um 18 Uhr im Museum der bildenden Künste Leipzig. Es sprechen: Dr. Hans-Werner Schmidt, Direktor Museum der bildenden Künste Leipzig, und Rik Reinking, Kunstsammler aus Hamburg. Gezeigt wird die Doppelausstellung vom 27. Januar bis zum 14. April.

www.mdbk.de

www.wolfgangpetrick.de

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