Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig verwarf heute die Revision einer 99-jährigen Frau wegen Beihilfe zum Massenmord: Die Angeklagte, die zwischen 1943 und 1945 als Sekretärin im KZ Stutthof tätig war, ist somit rechtskräftig verurteilt. Und: Mit dem symbolischen ersten Spatenstich begann der Bau der Mikrochipfabrik ESMC im Norden Dresdens. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 20. August 2024, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Richter verwerfen Revision: SS-Schreibkraft hat Beihilfe zum Massenmord geleistet

Es könnte einer oder sogar „der“ letzte NS-Prozess gewesen sein: Irmgard F. ist rechtskräftig wegen Beihilfe zum Massenmord verurteilt, sie erhält zwei Jahre auf Bewährung nach dem Jugendstrafrecht. Diese Entscheidung des Landgerichts Itzehoe vom Dezember 2022 wurde heute durch den 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig bestätigt, der damit auch eine Revision der Angeklagten verwarf.

Die inzwischen 99-Jährige hatte zwischen 1. Juni 1943 und 1. April 1945 mit 18 bzw. 19 Jahren als angestellte SS-Schreibkraft im KZ Stutthof bei Danzig gearbeitet. Hier bzw. in den Außenlagern waren von 1939 bis 1945 mehr als 100.000 Menschen untergebracht, von denen über 60.000 starben. Nach Auffassung der Richter leistete Irmgard F. durch ihre Tätigkeit Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen sowie versuchtem Mord in fünf Fällen.

Auch wenn ihr Rang untergeordnet war, habe Irmgard F. durch die Erledigung von Schreibarbeiten die Haupttäter willentlich unterstützt, „Gefangene durch Vergasungen, durch die Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen im Lager, durch Transporte in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und durch Verschickung auf sogenannte Todesmärsche grausam zu töten oder dies versucht zu haben“, heißt es.

Damit wies die Kammer auch die Argumente der Verteidigung zurück, wonach Irmgard F. keinen Vorsatz gehabt und als Stenotypistin aus ihrer Sicht neutrale Handlungen ausgeführt habe: „Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Straffreiheit von berufstypisch neutralen Handlungen mit ‚Alltagscharakter‘ stehen der Verurteilung der Angeklagten schon deshalb nicht entgegen, weil sie von dem verbrecherischen Handeln der von ihr unterstützten Haupttäter positive Kenntnis hatte und sich durch ihre dennoch erbrachten Dienste gleichsam mit ihnen solidarisierte, wodurch ihr Tun jeglichen ‚Alltagscharakter‘ verlor.“

Urteil vom 20. August 2024 – 5 StR 326/23

Erster Spatenstich: Chips made in „Silicon Saxony“

Mit dem berühmten „ersten Spatenstich“ begann am Dienstag der Bau der Mikrochipfabrik European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC) in Dresden. Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) hatte sich persönlich eingefunden, zudem war auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (65, CDU) nach Dresden gereist.

Die frühere deutsche Bundesministerin hatte obendrein am Dienstag auch als „Geschenk“ die Beihilfegenehmigung der EU mit im Gepäck: Damit sind massive Staatssubventionen für das Großprojekt nun auch in trockenen Tüchern. Dem Vernehmen nach sollen sie die Hälfte der Investitionskosten von insgesamt zehn Milliarden Euro abdecken.

Vor einem Jahr hatte das taiwanesische Unternehmen TSMC den Bau der Dresdener Fabrik angekündigt, die gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP Semiconductors umgesetzt werden soll. Dabei werden die kleineren Partner dem Vernehmen nach jeweils zehn Prozent Anteile an der gemeinschaftlichen Unternehmung halten, TSMC 70 Prozent. Der Riese aus Taiwan gilt als global größter Auftragsproduzent von Silizium-Mikroelektronik. Ab 2027 soll die Produktion von Chips vor allem für die Automobilindustrie im Norden Dresdens starten.

Das Projekt mit bis zu 2.000 neuen Jobs wird, neben der geplanten Magdeburger Intel-Ansiedlung, als wichtiger Schritt gesehen, Deutschland und Europa in diesem Bereich weniger abhängig vom Import aus Asien zu machen. Vor allem die Corona-Jahre 2020 bis 2022 hatten die Anfälligkeit solcher Lieferketten offengelegt.

Worüber die LZ heute berichtet hat:

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