Bereits seit Freitagabend kam es laut Polizei in Leipzig mehrfach zum Ausrufen verfassungsfeindlicher Parolen, es wird ermittelt. In Freiberg gingen am Sonntag Menschen für Weltoffenheit und Toleranz auf die Straße. Eine Soli-Demo für die inhaftierte Ex-RAF-Angehörige Daniela Klette gab es in Berlin – zum Verdruss der Bundesinnenministerin. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 9./10. März 2024, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Verfassungsfeindliche Parolen halten die Polizei auf Trab
Eine regelrechte Serie an verfassungsfeindlichen Ausrufen hielt unter anderem die Leipziger Polizei seit Freitagabend auf Trab. Fall eins ereignete sich nach Angaben der Polizeidirektion (PD) etwa 18:30 Uhr in Probstheida, wo ein 49-Jähriger bespuckt worden sein soll, anschließend habe der Übeltäter eine Parole von sich gegeben. Ein Verdächtiger (37) wurde vor Ort gestellt.
Fall zwei war dann knapp zwei Stunden später in Eilenburg, wo ein Zeugenhinweis die Beamten zu einer Gruppe männlicher Personen zwischen 13 und 20 Jahren führte. Kurz vorher soll es auf einer Grünfläche zu einem „Ruf mit Fußballbezug“ und dann wiederum zu einer Parole gekommen sein. Ob die Gruppe mit dem Ereignis zu tun hat, wird derzeit untersucht.
Nicht Eilenburg, aber die Eilenburger Straße in Leipzig war dann am frühen Samstagmorgen zwischen 1:00 Uhr und 1:45 Uhr in etwa der Ort, wo es im Bereich des Lene-Voigt-Parks zu „verfassungs- und fremdenfeindlichen Rufen“ gekommen sein soll. Vor Ort konnten allerdings keine Verdächtigen ausfindig gemacht werden.
Am Samstagabend schließlich griffen Kräfte der Gemeinsamen Einsatzgruppe Bahnhof-Zentrum gegen 18:55 Uhr am Hauptbahnhof einen 15-Jährigen auf, der in einer Jugendeinrichtung vermisst wurde. Während des Platzierens im Streifenwagen habe der Teenager dann „lautstark“ eine verfassungsfeindliche Parole von sich gegeben. Er wurde den Verantwortlichen überstellt. In allen Fällen ermittelt die Polizei unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Für Demokratie und Weltoffenheit: Demos in Mittelsachsen
„Demokratie hat ein Gesicht“: Unter diesem Motto gingen am Sonntagnachmittag in Freiberg zahlreiche Menschen auf die Straße, der MDR berichtet unter Berufung auf Reporterangaben von 500 bis 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auch in Waldheim und Flöha gab es Demos.
Die Kundgebungen richteten sich gegen Rechtsradikalismus, traten nach eigenem Bekunden stattdessen für Pluralität, Weltoffenheit, Integration und Willkommenskultur ein. Vor Ort war die Band „Banda Comunale“, die unter anderem den „Ärzte“-Klassiker „Schrei nach Liebe“ zum Besten gab. Den Demos waren Aufrufe vorangegangen, denen zufolge Menschen in Mittelsachsen sich für die Demokratie auf der Straße zeigen und dem eigenen Anspruch nach auch ein Stück weit das von Sachsen entstandene Bild korrigieren sollten.
Dass keine Persönlichkeiten aus der Politik für Redebeiträge eingeladen waren, sondern Menschen aus der Gesellschaft, sei dabei ein bewusstes Signal. In Freiberg hatte dabei ein Bündnis an Parteien, Kirchen und Initiativen die Versammlungen vorab organisiert und Aufrufe gestartet.
Ein deutliches Zeichen, wohl nicht zuletzt angesichts des befürchteten AfD-Triumphs, wenn Sachsen im September einen neuen Landtag bestimmt. So wie auch Brandenburg und Thüringen, wo ebenfalls ein dramatischer Rechtsruck befürchtet wird (hier mehr zu den Ost-Landtagswahlen 2024).
RAF-Solidemo in Berlin: Faeser übt scharfe Kritik
Eine ganz anders geartete Demonstration bringt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Rage: In Berlin haben linksgerichtete Gruppierungen am Samstag ihre Solidarität mit der verhafteten Ex-RAF-Terroristin und mutmaßlichen Straftäterin Daniela Klette zum Ausdruck gebracht. Nach Polizeiangaben etwa 600 Personen zogen dabei durch den Stadtteil Kreuzberg. Die Demo stand unter dem Leitspruch „Stoppt den Staatsterrorismus – Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen“, sie war vorab angemeldet worden.
Die Demonstrantinnen und Demonstranten warfen dem „System“ vor, tatsächlich der terroristische Part zu sein, auch ein Fehlen von Razzien gegen rechts wurde kritisiert. Der Aufzug bewegte sich dabei auch durch die Sebastianstraße. Hier war Daniela Klette Ende Februar gefasst worden, wo sie unter falschem Namen in einer Wohnung gelebt hatte. Die heute 65-Jährige wird der dritten Generation der linksradikalen „Rote Armee Fraktion“ (RAF) zugerechnet. Diese hatte seit den frühen Siebzigern bis 1993 über 30 Morde, Anschläge und weitere schwere Straftaten verübt, im April 1998 verkündete sie ihre Selbstauflösung.
Auch wenn die Demo legal und von der Versammlungsfreiheit gedeckt war: Für Bundesinnenministerin Faeser war sie offenbar schwer erträglich. „Die RAF hat 34 Menschen brutal ermordet. Da gibt es nichts, aber auch gar nichts zu verklären“, sagte die Politikerin dem RND.
Daniela Klette sitzt nach 30 Jahren Untergrund nun aktuell in niedersächsischer U-Haft. Gegen sie laufen Ermittlungen wegen RAF-Anschlägen, zudem soll sie an Raubüberfällen zwischen 1999 und 2016 beteiligt gewesen sein, die das Ziel gehabt hätten, ein Leben in der Illegalität zu finanzieren. Klettes mutmaßliche Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub sind weiterhin flüchtig und auf der Fahndungsliste.
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat:
Wege im Küchenholz: Ab 2026 wird wieder sandgeschlämmt
Nachgefragt: Wie barrierefrei sind Leipzigs Bahnhöfe?
Kinder der Gewalt: Fünf Verbrechen und ein Blick hinter die Kulissen des heutigen Russland
Sonntagskirche № 107: Stiftskirche Ebersdorf
Lokaltermin an den Papitzer Lachen: Eine selten gewordene Biene macht von sich Reden
Vogeldrama am Technischen Rathaus: Grüne fordern Überprüfung aller städtischen Gebäude + Video
Miese Krise: Was man zur Klimakrise wissen muss, um sich nicht mehr für doof verkaufen zu lassen
Die Puppen tanzen lassen: Der Spielplan des Westflügel 2024
Was sonst noch wichtig war:
In Grünheide bei Berlin demonstrierten am Sonntag zahlreiche Menschen gegen das dortige Tesla-Werk. Andere dagegen zeigten sich mit dem Autobauer solidarisch, auf dessen Stromversorgung es zuletzt einen Anschlag gegeben hatte.
Israels Premier Benjamin Netanjahu lässt die Kritik der USA an der israelischen Kriegsführung offenbar kalt.
Auch Israels Präsident war Anlass von Protest: Die Anwesenheit Isaac Herzogs am Sonntag anlässlich der Eröffnung des Holocaust-Museums in Amsterdam wurde von einer Demo gegen Israels Vorgehen in Gaza überschattet.
Währenddessen reagiert unter anderem die Ukraine mit Unverständnis auf Äußerungen des Papstes, der zu Friedensverhandlungen mit Russland aufgerufen hat.
Was morgen wichtig wird:
In Los Angeles (USA) wird es erst Sonntagabend sein, aber bei uns quasi bereits morgen: In der kommenden Nacht (unserer Zeit) werden zum 96. Mal die Oscars verliehen, die Spannung ist vorab groß. Deutschland hofft, dass neben anderen auch die Schauspielerin und Wahl-Leipzigerin Sandra Hüller eine Trophäe abräumen wird.
Die Deutsche Bahn und die Lokführer-Gewerkschaft GDL treffen zu erneuten Tarifverhandlungen aufeinander. Der Ausgang ist ungewiss und die Gefahr neuerlicher Bahnstreiks gilt als absolut real.
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