Wer in Leipzig wenig verdient, soll bald in den Genuss eines vergünstigten Deutschlandtickets kommen. Wieder mal sorgt CDU-Parteichef Friedrich Merz durch eine Äußerung mit Bezug zu Geflüchteten für Wirbel und erntet heftige Kritik. Das Thema Asyl und Migration steht auch beim EU-Treffen der Innenminister im Vordergrund, wo Deutschland die Blockade einer Krisenverordnung aufgegeben hat. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 28. September 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Vergünstigtes Deutschlandticket für Leipzig in Sicht
Stadt Leipzig und LVB haben sich darauf verständigt, dass Geringverdienerinnen und -verdiener ab kommendem Jahr in den Genuss einer vergünstigten Mobilität kommen. Mit einem Leipzig-Pass soll das regulär mit 49 Euro monatlich bepreiste Deutschlandticket dann schon für 29 Euro zu haben sein. Die Differenz von 20 Euro wird demnach aus dem städtischen Haushalt bezuschusst werden – darüber berichtet heute die LVZ (€).
Der vergünstigte Freifahrschein mit bundesweiter Gültigkeit im Nahverkehr soll dann zunächst über die Jahre 2024 und 2025 im Angebot sein. Der „Sozialtarif“ des Deutschlandtickets war auf Initiative der Linksfraktion im Stadtrat zustande gekommen. Ein Beschluss zur Einführung des neuen Modells im Stadtrat steht noch aus und ist für Dezember geplant.
Empörung über Äußerungen von Friedrich Merz
Ist es wieder mal ein Versuch verbaler Zündelei, um der AfD kurz vor wichtigen Landtagswahlen um jeden Preis die Stimmenzufuhr abzugraben? Mit folgender Aussage im Nachrichtensender von „Welt“ am Mittwochabend sorgt CDU-Chef Friedrich Merz erneut für Empörung: „Die Bevölkerung, die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, wetterte der Oppositionsführer – und legte nach: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“
Die Migrationspolitik sei „eine Katastrophe für dieses Land“, so der 67-Jährige gegenüber dem Grünen-Co-Vorsitzenden Omid Nouripour (48) sowie SPD-Co-Chef Lars Klingbeil (45) in der Talkrunde.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: „Erbärmlicher Populismus“, „Entgleisung nach rechts“, „niederträchtig“, „Rechtspopulismus“ – so einige der Retourkutschen gegen Merz. Selbst Unions-Kollegen distanzierten sich teilweise, so etwa der ehemalige Regierungschef des Saarlands, Tobias Hans (45). CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge (48) stellte sich dagegen vor Merz.
Mann verlässt Heimat, zahlt tausende Euro an Schlepper, kommt auf Schlauchboot fast ums Leben und wohnt monatelang in Massenunterkunft, um günstig an Zahnfüllung ranzukommen #merz #asylbewerberhttps://t.co/WlrhEZwi1A
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) September 28, 2023
Welche Versorgungsansprüche Asylbewerber in Deutschland tatsächlich haben, hat das ZDF einem kritischen Faktencheck unterzogen. Die Kollegen vom „Postillon“ reagierten indes auf satirische Art. Schon mehrfach hatte Merz mit Behauptungen in Bezug auf Geflüchtete und Migranten für Entrüstung gesorgt, indem er etwa von „kleinen Paschas“ sprach oder Ukrainern Sozialtourismus vorwarf.
Brüssel: EU mehrheitlich für Asyl-Krisenmechanismus
Dass die erhöhten Ankunftszahlen geflüchteter Menschen in Deutschland und Europa einer angemessenen Antwort und klugen Politik bedürfen, ist dagegen wohl unstrittig. Wie die konkret aussehen kann, allerdings weniger.
In Brüssel beraten die Innenministerinnen und -minister der EU aktuell die sogenannte Krisenverordnung, einen wichtigen Pfeiler der künftigen Zuwanderungspolitik. Zunächst schien es noch, als würde sich die Bundesrepublik zunehmend in Isolation begeben, weil ihre Zustimmung zu dieser Verordnung innerhalb der EU nicht absehbar war.
Im Kern geht es um die Frage, ob im Falle eines starken Zustroms an Menschen diese auch längere Zeit abgeschottet festgehalten werden können und EU-Mitgliedsstaaten die Rücknahme weitergereister Geflüchteter ablehnen dürfen, obwohl sie eigentlich zuständig wären.
Gegen einen solchen Mechanismus hatten sich die Grünen gestemmt und damit wieder einmal Koalitionskrach ausgelöst, weil die Gefahr im Raum stand, die geplante EU-Asylreform könne am Widerstand Deutschlands scheitern. Erst gestern hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD) dann intern offenbar ein Machtwort gesprochen, wonach Deutschland dem Reformpaket nicht im Weg stehen dürfe. Am Abend gab es nun den Durchbruch in Form mehrheitlicher Zustimmung in Brüssel, auch seitens von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (53, SPD).
Bereits im Juni war ein Beschluss gefasst worden, der für die Zukunft im Kern Asylverfahren direkt an den Außengrenzen der EU vorsieht. Die EU hatte zuvor jahrelang ergebnislos über ihre Asyl- und Migrationspolitik gestritten.
Worüber die LZ heute berichtet hat:
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Was sonst noch wichtig war:
Etwa 150 Menschen demonstrierten am Nachmittag auf dem Leipziger Augustusplatz für das Recht auf Abtreibung und gegen eine Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
„Die Entscheidung darüber, ob eine Schwangerschaft fortgeführt wird, kann nur die schwangere Person treffen. Doch der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland im völlig veralteten Paragraphen 218 im Strafrecht verankert.
Eine Kommission der Bundesregierung berät aktuell, was für uns schon lange klar ist: keine Strafe für Selbstbestimmung! Die geschlechtsspezifische Kriminalisierung per Gesetz muss endlich ein Ende haben. Reproduktive Rechte und eine optimale Gesundheitsversorgung gehören zu den grundlegenden Menschenrechten und nicht ins Strafgesetz“, heißt es im Aufruf des „Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung.“ Anlass der Kundgebung ist der heutige „Safe Abortion Day.“
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