Leipzigs Polizeipräsident hat heute den „Tag X“-Einsatz größtenteils verteidigt, aber auch Fehler eingeräumt. Außerdem haben Klimagruppen in Chemnitz protestiert, wo heute Kanzler Scholz und die Regierungschefs der Ostbundesländer getagt haben. Und im Vogtland hat die Polizei ein mutmaßliches Nazi-Gewerbe ausgehoben. Die LZ fasst zusammen, was am Donnerstag, dem 22. Juni 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Nach „Tag X“-Demo: Leipzigs Polizeipräsident gesteht Fehler ein
Knapp drei Wochen nach der sogenannten „Tag X“-Demo am 3. Juni hat Leipzigs Polizeipräsident René Demmler Fehler beim Polizeieinsatz eingeräumt. Die Polizei habe die Personenanzahl im Kessel unterschätzt: Anfangs sei die Polizei von ungefähr 300 statt den tatsächlichen 1.000 Menschen ausgegangen. Demmler begründete diese Fehleinschätzung mit den Bäumen und Büschen rund um den Alexis-Schumann-Platz, die die Sicht von oben aus dem Polizei-Helikopter und vom Boden aus beeinträchtigt hätten.
Überdies gab Demmler zu, dass die Polizei „unzureichend kommuniziert“ habe. Betroffene kritisierten während und nach der Einkesselung, dass sie teils erst nach Stunden Wasser und Essen bekommen hätten und unter unwürdigen Bedingungen – beispielsweise gab es nur zeitweise Zugang zu einer Toilette – im Kessel ausharren mussten. Laut dem Polizeipräsidenten haben die Polizeikräfte am 3. Juni nicht klargestellt, ob und wo Toiletten, Trinkwasser und Essen zur Verfügung stehen.
Im Großen und Ganzen verteidigt Demmler die Polizeitaktik am 3. Juni. Der Einsatz war in seinen Augen „gut“ und „deeskalierend“.
Am sogenannten „Tag X“ hatten sich über 1.000 Menschen in der Leipziger Südvorstadt versammelt, um im Rahmen der einzig erlaubten linken Demonstration an diesem Wochenende unter anderem für die Versammlungsfreiheit zu demonstrieren. Nachdem die Polizei mit Verweis auf das Vermummungsverbot den Demonstrationsteilnehmer*innen verboten hatte, loszulaufen, eskalierte die Situation vor Ort und endete damit, dass mehr als 1.000 Menschen, in der Mehrzahl mutmaßlich unschuldig, teils über zehn Stunden von der Polizei eingekesselt wurden.
Yaro Allisat hat für die LZ ausführlich über Demmlers Äußerungen berichtet.
Klimagruppen protestieren gegen Scholz und Co. in Chemnitz
Klimaaktivistische Gruppen haben heute ein Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsident*innen der ostdeutschen Länder in Chemnitz mit Protest begleitet. Bei der Konferenz ging es vorrangig um Wirtschaftsförderung in den ostdeutschen Ländern. „Fridays for Future“ (FFF) und „Letzte Generation“ machten jeweils auf ihre Weise auf das Verfehlen der Klimaziele durch die Bundesregierung und die Verantwortung von global agierenden Konzernen aufmerksam.
Die „Letzte Generation“ besprühte am Morgen den Eingangsbereich einer Filiale der Deutschen Bank in Chemnitz mit oranger Farbe. Mit der Aktion wollen die Aktivist*innen nach eigener Aussage darauf aufmerksam machen, „dass die Deutsche Bank auch dieses Jahr immer noch Gelder in die fossile Industrie steckt“. Zwischen 2016 und 2020 habe die Deutsche Bank über 74 Mrd. US-Dollar in Kohle, Öl und Gas investiert.
Eine der an der Aktion Beteiligten war nach eigenen Angaben die 26-jährige Juliane Schmidt. „Der Lebensraum von Milliarden Menschen und unzähliger Lebewesen wird zerstört, verursacht durch eine fossile Wirtschaft, unterstützt von fossilen Finanzmärkten“, lässt sich die Aktivistin auf der Website der „Letzten Generation“ zitieren. „Davon profitieren einige wenige Reiche, während die Mehrheit der Weltbevölkerung darunter leidet.“ Die „Letzte Generation“ kritisiert, dass das „Investitionspoker“ weniger Menschen unser aller Lebensgrundlagen gefährde.
Die Polizei ermittelt nun gegen zwei Aktivist*innen wegen Sachbeschädigung.
Der Protest von FFF heute in Chemnitz richtete sich direkt an die tagenden Regierungschefs. Ein Redner von der Dresdner Ortsgruppe bedauerte, dass man „keinen Grund habe, anzunehmen, dass auf dieser Konferenz eine zukunftsfähige Perspektive entwickelt wird“. Während der Versammlung forderten die geschätzt etwa 100 Teilnehmer*innen einen „Systemwandel“ und den sofortigen Kohleausstieg. Sie warnten vor einem „unkontrollierten Strukturumbruch“. An der Demonstrierenden nahmen größtenteils Jugendliche teil.
Scholz und die Regierungschefs von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten sich heute im Rahmen der sogenannten „Ministerpräsidentenkonferenz-Ost“ getroffen. Während im vergangenen Jahr noch die Energiepolitik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg im Fokus stand, war heute die Wirtschaftsförderung in den ostdeutschen Bundesländern Hauptthema.
Kretschmer und Co. fordern von der Bundesregierung, dass sie die sogenannten GRW-Mittel in aktuellem Umfang beibehält – dabei handelt es sich um Fördergelder für die Wirtschaft in strukturschwachen Regionen. Laut Kretschmer sind diese Gelder ein „wichtiges Instrument, um neue Perspektiven zu gestalten und die Transformation zu schaffen“.
Nazi-Geschäftslager im Vogtland ausgehoben
Bei einer Hausdurchsuchung in Auerbach im Vogtland hat die sächsische Polizei offenbar die Geschäftsräume eines rechtsextremen Handels ausgehoben. Wie die Polizei am Donnerstag mitteilte, stießen Einsatzkräfte auf zahlreiche Waffen und NS-Devotionalien, darunter 28 Pistolen, 29 Langwaffen, unzählige Waffenteile, über 60 Kilogramm Munition und NS-Devotionalien „im mittleren vierstelligen Bereich“. Einige der Waffen seien funktionstüchtig.
Bei den NS-Devotionalien handelt es sich nach Angaben der Polizei um Orden, Stempel, Uniformteile, Wimpel und diverse „Dekorationsartikel“. Außerdem fanden die Beamt*innen vor Ort eine hochwertige Laserfräsmaschine, mit der vermutlich Replikate hergestellt wurden.
Die Staatsanwaltschaft Zwickau und die Polizei ermitteln gegen einen 57-Jährigen. Auf den mutmaßlich rechtsextremen Geschäftsmann waren die Behörden bereits im Februar durch eine Zufallskontrolle eines Pakets durch das Hauptzollamt Erfurt aufmerksam geworden. Bei einer Stichprobe hatten Beamt*innen ein aus Polen stammendes Paket entdeckt, in dem sich Replikate von NS-Orden und -Ansteckern befanden.
Unwetter steht vor der Tür: Open-Airs in Sachsen finden dennoch statt
Am Abend und in der Nacht auf Freitag soll ein Unwetter über Mitteldeutschland ziehen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Gewitter, Orkanböen, Starkregen, Hagel und sogar Tornados – wohl am späten Donnerstagabend wird die angekündigte Wetterlage über Leipzig ziehen. Gegen 19 Uhr liegt noch eine bedrückende Schwüle über der Stadt, der Himmel hat sich bereits zugezogen und es wird windiger.
Die meisten der für heute geplanten Freiluft-Großveranstaltungen in Sachsen finden trotz des angekündigten Unwetters statt. Auf der Festwiese vor dem RB-Stadion in Leipzig haben sich tausende Fans zum Konzert der deutschen Punkband „Broilers“ eingefunden. „Bringt ein Regenjäckchen mit, wir sorgen für die Songs zum Tanzen“, hatte die Band heute Nachmittag seine Fans angesichts der Wettervorhersagen aufgefordert.
Und auch in Dresden finden beispielsweise die Filmnächte am Elbufer heute wie gewohnt statt. „Das sieht doch ganz gut aus“, posteten die Veranstalter*innen am Nachmittag auf Instagram, anbei ein Screenshot einer Wetter-Seite.
Tornados sind in Deutschland bisher eher selten auftretende Wetterphänomene, weshalb der bekannte Wetterexperte Jörg Kachelmann heute vor Leichtsinnigkeit und den möglichen tödlichen Folgen eines Tornados gewarnt: „Wenn Sie einen Tornado sehen, filmen Sie ihn nicht, Sie werden nur kurz bemerken, wie viele kleine Teile mit 250 km/h in Ihren Körper eintreten und mit 230 km/h wieder aus ihm austreten“, sagte er dem „Spiegel“. Und fügte hinzu: „Ja, die ‚Bild‘ zahlt Ihren Hinterbliebenen 50 Euro für Ihr Video, das ist die gute Nachricht. Gehen Sie trotzdem lieber in einen Keller.“
Die Leipziger Stadtreinigung fordert die Bürger*innen derweil dazu auf, ihre Abfalltonnen angesichts des Sturms zu sichern. „Bitte stellen Sie Ihre Abfalltonnen erst am Tag der Leerung (nicht am Vortag) bereit und nehmen Sie diese schnellstmöglich danach wieder zurück“, heißt es vonseiten der Stadtreinigung. Man solle die Deckel der Tonnen schließen, um „Abfallverwehungen und Flugmüll“ zu vermeiden.
Tarifverhandlungen zwischen DB und EVG gescheitert: Unbefristete Streiks möglich
Worüber die LZ heute berichtet hat: über eine Transparenzsatzung für Leipzig
über die Einschätzung des Leipziger Polizeipräsidenten zum „Tag X“-Einsatz
über die Verleihung der städtischen Ehrenmedaille an den Biologen Svante Pääbo
und über einen JVA-Beamten, der sich weiterhin beharrlich gegen einen strafrechtlichen Schuldspruch wehrt.
Was heute außerdem wichtig war: Die seit Monaten laufenden Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahngewerkschaft EVG sind fehlgeschlagen, womit nun unbefristete Streiks im bundesweiten Zugverkehr über den Sommer hinweg möglich sind. Die EVG erklärte die Verhandlungen „nach langer und sehr intensiver Diskussion“ für gescheitert. Die EVG will ihre Mitglieder im Rahmen einer Urabstimmung dazu befragen, ob sie in den kommenden Wochen unbefristet streiken wollen. Pünktlich mit Beginn der Sommerferien könnten auf Reisende also harte Zeiten zukommen.
Was morgen wichtig wird: Morgen laden das erste Mal seit Beginn der Corona-Pandemie wieder zahlreiche Leipziger Institutionen vor Ort zur Langen Nacht der Wissenschaften ein. Ab 18 Uhr können Besucher*innen an über 50 Standorten „Wissenschaft live erleben“, heißt es im Ankündigungstext der Stadt. Mit dabei sind neben den Leipziger Hochschulen unter anderem die Bio-City Leipzig, das Naturkundemuseum und das Bach-Archiv.
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