Nach offenbar gezielten Manipulationen an zahlreichen SUVs in Leipzig ist ein betroffener Autofahrer auf der Autobahn möglicherweise knapp einem Unfall entgangen. Der Dresdener Seenotrettungsverein Mission Lifeline setzte sich im Rechtsstreit gegen die AfD wegen einer unzulässigen Falschdarstellung in zweiter Instanz durch. Und: Das EU-Parlament beschloss, dass ab 2035 nur noch Neuwagen ohne Ausstoß von Treibhausgasen in der EU verkauft werden dürfen. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 14. Februar 2023, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Fahrzeugmanipulation: qualmender Reifen auf der Autobahn

Der Schreck muss gewaltig gewesen sein: Nachdem bisher unbekannte Täter in der Nacht zu Montag an Dutzenden SUVs unter anderem im Leipziger Waldstraßenviertel manipuliert und dabei aus mindestens einem Reifen die Luft herausgelassen hatten, bemerkte ein betroffener Fahrer den Eingriff offenbar erst während seiner Fahrt auf der A9 Richtung Berlin.

Wie heute neben weiteren der MDR berichtet, fiel dem 42-Jährigen am Montag auf der Autobahn bei hoher Geschwindigkeit ein qualmender Reifen auf. Es gelang dem Mann jedoch, seinen Geländewagen unter Kontrolle zu bringen und unfallfrei einen Rastplatz anzusteuern. Erst dort nahm er demnach Notiz von einem Bekennerschreiben am Fahrzeug mit klimapolitischem Hintergrund (Korrektur 15.02.: Nach einem Bericht der Leipziger Volkszeitung war das Bekennerschreiben zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Ermittler als Beweismittel entfernt und lediglich ein kleines Hinweiskärtchen der Polizei mit Vorgangsnummer und Kontaktdaten am Auto hinterlassen worden. Der Betroffene bemerkte dieses eigenen Angaben nach erst während der Fahrt, ehe das Kärtchen wegflog).

Der Staatsschutz ermittelt

An allen betroffenen Fahrzeugen waren laut Polizei die gleichen Schriftsätze angebracht, zu deren konkretem Inhalt sich die Behörden aktuell bedeckt halten. Bekannt ist aber, dass derzeit der Staatsschutz wegen Sachbeschädigung und in einem Fall wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt.

Schon in der Vergangenheit hatte es ähnliche Vorfälle in Leipzig gegeben – mutmaßlich mit Bezug zu Klimaschutzgruppen, denn an den PKW angebrachte Bekennerschreiben rechtfertigten etwa das Ablassen von Luft aus den Reifen mit der Klimakrise und dem hohen Ressourcenverbrauch und Ausstoß von Kohlendioxid durch den Individualverkehr. Dabei stehen vor allem höherwertige Vehikel und speziell SUVs im Visier.

Falsche Tatsachenbehauptung: Schlappe für die AfD vor Gericht

Mit dieser offenkundigen Falschdarstellung hat die AfD wohl den Bogen überspannt: Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden unterlag die als rechtspopulistisch bis rechtsextrem eingestufte Partei am Dienstag im juristischen Streit gegen die Dresdener Hilfsorganisation Mission Lifeline. Letztere ist unter anderem dafür bekannt, aus Afrika geflüchtete Menschen von überfüllten, seeuntauglichen Booten im Mittelmeer zu retten und nach Europa zu bringen.

Kern des Streits war ein Flyer vom AfD-Kreisverband, der im Kontext des Dresdener OBM-Wahlkampfs 2022 suggerierte, der inzwischen wiedergewählte Amtsinhaber Dirk Hilbert (51, FDP) und dessen damalige Mitbewerberin Eva Jähnigen (57, Grüne) würden die Initiative „Sicherer Hafen“ unterstützen und so „Schlepperorganisationen wie Mission Lifeline mit Steuergeldern“ fördern: „Mit diesen Geldern finanziert diese Organisation die Überfahrt von Nordafrikanern über das Mittelmeer in unsere Sozialsysteme“, hieß es im AfD-Flyer.

Abgesehen von einer ressentimentvollen Bedienung des rechtsradikalen Narrativs vom Zuwanderer, der nur darauf aus sei, vom Sozialsystem zu profitieren, war die Passage auch streng formell inhaltlich nicht haltbar: Eine steuerliche Förderung gab es nie, wies Mission Lifeline als Kläger vor Gericht nach und sah zudem potenzielle Spenden durch die Darstellung der AfD in Gefahr.

Urteil des Landgerichts gekippt

Das OLG Dresden gab den Flüchtlingshelfern nun recht und untersagte es dem Beklagten unter Androhung von Geldstrafen, die unwahre Behauptung zu wiederholen oder anderweitig zu verbreiten. Zuspitzungen, wie sie im politischen Meinungsstreit grundsätzlich hinzunehmen seien, griffen nicht, wenn ein Fakt erwiesenermaßen nicht stimme oder eine Partei, wie der Kläger, nicht Teil des politischen Meinungskampfes sei.

Mit ihrer Entscheidung kippten die Richter ein Urteil der Vorinstanz – das Landgericht hatte den Kommentar der AfD im ersten Prozess noch als zulässige Meinungsäußerung eingeordnet. Mission Lifeline, 2016 gegründet und ein gemeinnütziger Verein, hatte bereits 2018 vor Gericht geklagt und gewonnen, damals gegen die Pegida-Bewegung, die abfällig von einer „Schlepper-NGO“ gesprochen hatte.

Verbrenner-Aus für Neuwagen in der EU ab 2035

Es bleiben gut zwölf Jahre – dann sollen auf EU-Gebiet nur noch Neuwagen fahren, die kein Kohlendioxid ausstoßen. Wie das EU-Parlament in Straßburg am Dienstag mit 340 Ja- und 279 Neinstimmen beschloss, wird der „klassische“ Verbrennungsmotor für neu gebaute PKW und Kleintransporter damit ab 1. Januar 2035 in der EU verboten. Die Zustimmung der Parlamentarier galt eher als Formsache, denn die faktische Einigung zwischen Volksvertretern und den EU-Mitgliedsstaaten lag bereits im Herbst 2022 vor.

Knackpunkt der Verhandlungen war die Frage, ob Ausnahmeregelungen für sogenannte E-Fuels in der Zukunft greifen sollen oder nicht. Dabei handelt es sich um Kraftstoffe, die synthetisch aus erneuerbaren Energien produziert werden und keinen fossilen Ursprung haben. Oft werden sie aus Wasser und CO₂ hergestellt. Dem Vernehmen nach soll nun geprüft werden, ob diese Art von Antrieb künftig doch noch erlaubt sein wird – hierfür hatte sich auch die deutsche Bundesregierung auf Betreiben der FDP eingesetzt.

EU will 2050 klimaneutral sein

Zudem gab die EU-Kommission am Dienstag auch ihre Zielstellung bekannt, den Ausstoß von Treibhausgasen aus Bussen und LKW bis 2040 massiv zu reduzieren.

Speziell der Verkehrssektor gilt in Deutschland immer noch als großes Sorgenkind beim Erreichen der Klimaschutzziele, nachdem er gesetzliche Vorgaben schon 2021 und vermutlich auch 2022 verfehlt hatte. Bereits vor knapp drei Jahren hatte die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64, CDU) offiziell das Ziel ausgegeben, Europa solle bis 2050 „zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt“ gemacht werden.

Worüber die LZ heute berichtet hat:

Wege zu mehr Jugendbeteiligung: „Einfach mal machen lassen“

Der Stadtrat tagte: Stadtratsmehrheit befürwortet Variante 4 für die Berliner Straße

Der Stadtrat tagte: Ein deutliches „Ja“ zum Ausbau der Dieskaustraße

Der Stadtrat tagte: Auf dem sozialen Arbeitsmarkt in Leipzig gibt es in diesem Jahr einen Kahlschlag

LVB-Baustellen: Landsberger Straße fällt 2023 aus, Delitzscher und Wiedebachstraße werden gebaut

Kommentar zur MDR-Berichterstattung über den 13. Februar: Dresden mal wieder nur Opfer

Was sonst noch wichtig war: Ein halbes Jahr nach der Erschießung des erst 16 Jahre alten Mouhamed Dramé, eines aus dem Senegal geflüchteten Teenagers, durch einen Polizisten will die Dortmunder Staatsanwaltschaft Anklage gegen insgesamt fünf Beamte erheben, die an dem fraglichen Einsatz in der Dortmunder Nordstadt beteiligt gewesen waren.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte den AfD-Kommunalpolitiker Kai Borrmann nach einem laut Schuldspruch rassistisch motivierten Übergriff auf zwei Frauen zu 10.800 Euro Geldstrafe. Der Angeklagte hatte die äußeren Tatabläufe teilweise gestanden, jedoch wenig Einsicht gezeigt, geschweige denn um Entschuldigung gebeten.

Was morgen wichtig wird: Vielleicht erfahren wir, wer den Zuschlag als künftiger Standort des Zukunftszentrums Deutsche Einheit und Europäische Transformation erhält. Die Errichtung des Baus bis 2028 wird finanziell mit einem dreistelligen Millionenbetrag durch den Bund getragen, auch Leipzig hat sich gemeinsam mit Plauen als Standort beworben.

Die Chancen für das ostdeutsche Städtepaar gelten hinter vorgehaltener Hand aber als eher gering. Schon für heute war womöglich mit einer Entscheidung gerechnet worden. Bis zur Fertigstellung des Textes lag diese aber, zumindest öffentlich, noch nicht vor. Die LZ wird nachberichten.

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Es gibt 8 Kommentare

Ehrlicherweise muss ich mir eingestehen, dass ich manchmal sogar viel kriminellere Phantasien habe, wenn ich diese Blechpanzer sehen muss oder die – meist männlichen – Fahrer in guter Korrelation von Fahrzeuggröße und rücksichtslosem Verkehrsverhalten erlebe. Und ich gebe offen zu, dass ich eine gewisse Schadenfreude und Genugtuung empfinde, wenn ich von solchen Aktionen höre. Aber: Es ist der falsche Weg. Sozusagen ein Dampfablassen um den Frust loszuwerden. Alles verständlich, doch kontraproduktiv.

@Steffen
Der Vergleich mit Polizisten, die Luft aus dem Fahrradreifen ablassen, ist absolut untauglicher WhatAboutism.

Ja, und was den Austausch der Bekennerbriefe gegen Visitenkarten der Polizei angeht, so scheint klares Denken bei einigen Vertretern des Staates Mangelware zu sein. Wie blöd kann man denn sein, die Fahrer damit warnen zu wollen, indem man einen deutlich großen Warnzettel durch eine kleine Visitenkarte zu ersetzt? Dann hätten sie ihre Karte lieber mal zum Blatt der Aktivisten hinzugefügt, denn auf diese Art fällt’s doch keinem Menschen auf.

@Steffen: Vielen Dank für Ihren berechtigten Hinweis. Eine Korrektur wurde eingefügt.

Übrigens, im anderen Medium ist gerade zu lesen, dass, ich zitiere, die “Ermittler die gut zu erkennenden Bekennerschreiben an den Autos als Beweismittel sicherstellten” und dafür “kleine Visitenkarten der Polizeidirektion mit Angaben zu Vorgangsnummer und Ansprechpartner” anbrachten, welche der Fahrer erst während der Fahrt bemerkte. Also kein großer Vorwurf dem Fahrer, dafür an andere Stelle.
Wenn man gut sichtbare Warnhinweise im Straßenverkehr entfernt, wie heißt dies noch mal? Immerhin hat die Polizei diesmal nicht selbst die Luft abgelassen – was laut eigener Aussage aber sowieso kein Problem darstellt.

@Steffen
Sie biegen es sich auch zurecht bis es passt. Die betreffenden Personen waren dabei und die Polizei hat das nicht im Verborgenen getätigt.

Hoffentlich werden die Täter gefasst und streng bestraft.
Solche Schuldrelativierungen wie von @Steffen finde ich unangemessen.

1. Kann ein Zettel auch einfach von fremden entfernt werden, ohne das der Fahrer zuvor Kenntnis von dem Inhalt nehmen konnte.

2. In einem anderen Medium wurde zudem geäußert, dass die Luft offenbar bei Fahrtantritt noch nicht vollständig abgelassen war, sondern erst im Laufe der Fahrt vollständig verloren ging.

Ohne irgendwelche Sympathien für die Aktion, aber der Fahrer ist nun einmal gemäß § 23 StVO für die Kontrolle des ordnungsgemäßen Zustandes des Fahreuges vor Fahrtantritt zuständig. Wenn man nicht einmal Zettel am Auto erkennt, war dies offensichtlich nicht gründlich genug. Und angesichts der Tatsache, dass die Polizei auch schon mal selbst Luft aus den Reifen lässt und dabei keine Verfehlungen sieht (https://www.radfahren.de/story/report-critical-mass-nuernberg/), wird hier ganz schön mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Aber wenn ich das nächste Mal wegen Glas auf dem Radweg einen Platten habe, wird bestimmt ähnlicher Ermittlungseifer an den Tag gelegt.

Ist einem Freund vor zwei Tagen an seinem Tuareg auch passiert. Allerdings klebte ein sehr freundlicher Zettel an der Scheibe, der auf die Manipulation an den Rädern hinwies. Wenn man als Betroffener so einen Zettel denn “freundlich” rezipieren kann in so einer Situation.
Witzig fand ich, dass die Polizei tatsächlich DNA Spuren genommen hat. Schön, dass das Thema ernst genommen wird.

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