In Leipzig gab es bei rechten Demonstrationen am Wochenende deutlich mehr Polizeipräsenz und Gegenprotest als Teilnehmer/-innen. Außerdem protestierten Tausende nahe dem Dorf Lützerath (NRW) gegen die drohende Abbaggerung des Dorfes. Ebenfalls in NRW hat die Polizei am Wochenende möglicherweise einen islamistischen Anschlag vereitelt. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende des 7./8. Januar 2023 in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Viel Polizei und Gegenprotest bei rechten Demos in Leipzig

Am ersten Samstag im neuen Jahr fanden in der Leipziger Innenstadt mehrere Demonstrationen statt, zwei aus dem rechten und eine aus dem linken Spektrum. Dabei waren zeitweise mehr Polizeikräfte präsent als Demonstrant/-innen. Auf dem Augustusplatz und später auf dem Markt waren über ein Dutzend Polizeifahrzeuge präsent; die zahlreichen Beamt/-innen versuchten unter anderem mittels einer Menschenkette, die politischen Lager voneinander zu trennen.

„Mehr Autos als Teilnehmer“ – so lautet das Fazit unserer LZ-Reporterin, die am Samstag vor Ort war. Rund 60 Personen aus dem linken Spektrum hatten sich am Samstag unter dem Motto „Hoch die antinationale Solidarität“ in der Innenstadt versammelt, um die rechten Aufzüge zu stören und zu blockieren.

An den zwei rechten Demonstrationen nahmen insgesamt rund 30 Personen teil. Unter dem Motto „Macht die Grenzen dicht“ zogen erst etwa zwölf Demonstrant/-innen vom Augustusplatz über den Martin-Luther-Ring, die Käthe-Kollwitz-Straße und den Georgiring zurück zum Startpunkt. Angemeldet wurde die Demonstration von Volker Beiser, Ex-NPDler und Kopf der „Bürgerbewegung Leipzig 2021“.

Sie schwenkten neben Reichsflaggen auch eine Russlandflagge, „Freie Sachsen“-Flaggen und Friedensflaggen mit Tauben-Motiven. Den zwölf Demonstrant/-innen stiefelte Sebastian W. hinterher, der für die AfD im Kreistag des Landkreises Leipzig sitzt. Unter dem Streamer-Namen „Weichreite“ und getarnt als „Journalist“ war er im vergangenen Jahr am Rande vieler Demos in Leipzig zu sehen.

Polizeiliches Fazit: Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz

Rund 15 Personen fanden sich dann noch unter dem Motto „Für Frieden und eine freie Impfentscheidung für alle“ auf dem Augustusplatz zusammen und zogen später in Richtung Markt, immer „begleitet“ vom Gegenprotest. Die rechten Demonstrant/-innen trugen ein Plakat mit der Aufschrift „Frieden, Freiheit, Souveränität!“ vor sich her. Auch hier wehten viele Friedensflaggen, außerdem eine Leipzig-Flagge.

Laut Polizei zeigte ein 23-jähriger Versammlungsteilnehmer einen nationalsozialistischen Gruß, woraufhin die Beamt/-innen seine Personalien aufnahmen und ihm einen Platzverweis erteilten.

Während des Demonstrationsgeschehens gerieten auch linke Gruppen und Polizeikräfte aneinander. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten nahe der Thomaskirche linke Demonstrant/-innen zurückstoßen. Die Polizei hat nach eigenen Angaben am Samstag mehrere Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.

1.500 Menschen erinnern an Oury Jallohs Tod in Dessauer Polizeizelle

Der Samstag markierte zudem den 18. Todestag des Sierra-Leoners Oury Jalloh, der 2005 in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei verbrannte. Aufgrund der Arbeit von NGOs, linken Gruppen und der „Initiative Oury Jalloh“ ist der Tod des damaligen Asylbewerbers bundesweit zu einem Symbol für rassistische Polizeigewalt und Klüngelstrukturen in der deutschen Justiz und Polizei geworden.

Über die Demonstration am Samstag in Dessau, zu der geschätzte 1.500 Menschen kamen, haben die LZ-Kollegen Lucas Böhme und Ferdinand Uhl berichtet.

Tausende protestieren gegen Abriss des Dorfes Lützerath am Tagebau Garzweiler

Viel Polizeipräsenz gab es am Wochenende nicht nur in Leipzig, sondern auch in und um das Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen. Der Ort ist von hunderten Klimaaktivist/-innen besetzt und soll auf Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vollständig geräumt werden. Der Energiekonzern RWE will dort Braunkohle abbauen, die sich unter den verbliebenen Häusern befindet.

Am Wochenende reisten Aktivist/-innen aus ganz Deutschland nach Lützerath. Seit Wochen rufen die Klimagruppen „Fridays For Future“ (FFF), „Ende Gelände“, „Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“ verstärkt zum Protest in Lützerath auf.

Ein Anreisebus aus Hamburg wurde laut Aktivist/-innen am Sonntag drei Stunden von der Polizei aufgehalten. Nach Angaben der Hamburger Ortsgruppe von „Fridays For Future“, welche die Busfahrt organisiert hatte, kontrollierte und filmte die Polizei alle Insass/-innen, durchsuchte sie teilweise.

Seitdem gibt es eine Debatte über die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes, besonders was dessen Maßnahmen und Dauer angeht. Die Aktivist/-innen wollten in Lützerath unter anderem an einem angemeldeten „Dorfspaziergang“ teilnehmen. Luisa Neubauer (FFF) spricht bezüglich der Buskontrolle von der „Kriminalisierung einer klimabewegten Zivilgesellschaft“.

Der heutige „Dorfspaziergang“ in und um Lützerath entwickelte sich schließlich zu einem Protestmarsch, an dem nach ersten Erkenntnissen mehrere tausend Menschen teilnahmen. Die Band AnnenMayKantereit gab vor Ort nahe der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler ein Konzert und bedankte sich bei den Aktivist/-innen für ihre Arbeit und ihr Durchhaltevermögen.

„Die Kohle unter diesem Dorf wird nicht gebraucht / Und unabhängigen Gutachten wird nicht geglaubt“, sang Bandmitglied Henning May in einem eigens komponierten Lied.

Ab Dienstag wird mit Polizeizugriff gerechnet

Auch aus Leipzig sind am Wochenende – und teilweise schon in den Tagen davor – viele Menschen nach Lützerath gereist, um die Proteste zu unterstützen, unter anderem Mitglieder der „Fridays For Future“-Ortsgruppe.

Am Sonntag brachte RWE seinen Kohlebagger aufgrund der Proteste an der Abbruchkante zeitweise zum Stehen. Im Dorf und auf den Zufahrtsstraßen dahin bauten die Aktivist/-innen neue Barrikaden aus Autoreifen, Stahlträgern, Steinen und Zäunen. Die Polizei Aachen berichtet von Steinwürfen auf Polizeikräfte.

Die Camps am Randes des Dorfes sind nur noch bis Montag legal, danach endet die Genehmigung und es wird mit der Räumung gerechnet.

Mutmaßlich islamistischer Anschlag in NRW vereitelt

In Castrop-Rauxel (Nordrhein-Westfalen) hat die Polizei am Wochenende einen 32-jährigen Mann festgenommen, der einen islamistisch motivierten Anschlag geplant haben soll. Der Mann besitzt die iranische Staatsbürgerschaft. Er wird verdächtigt, die Giftstoffe Cyanid und Rizin gekauft zu haben, um damit eine Bombe zu bauen.

Auf Anordnung eines Gerichts wurde die Wohnung des Mannes in der Nacht zum Sonntag durchsucht und der Verdächtige gemeinsam mit seinem ebenfalls anwesenden Bruder festgenommen. Das Innenministerium von NRW spricht von einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“, die durch den Zugriff wohl verhindert werden konnte.

Letzten Meldungen nach fanden die Einsatzkräfte allerdings keine Giftstoffe in der Wohnung des verdächtigten Mannes. Hier eine Zusammenfassung des ZDF, was (Stand Sonntagabend) über den Fall bekannt ist.

Worüber die LZ am Wochenende außerdem berichtet hat:

über die Demonstration zum Todestag Oury Jallohs in Dessau

über die Personalknappheit in Leipzigs Verwaltung

über die Umsetzung des sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts in Leipzig

Bundesagrarminister will Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse abschaffen

Was am Wochenende noch wichtig war: Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hat angeregt, angesichts der Inflation und steigender Preise die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen. Der Sozialverband VdK unterstützt Özdemirs Vorschlag.

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