Erneut neigt sich ein Wochenende mit mehreren Demos für Leipzig dem Ende entgegen: So demonstrierten die Gruppierung Freie Jugend Leipzig und die Kidical Mass, außerdem fanden Proteste gegen den Opernball, Russlands Teilmobilmachung und das iranische Regime statt. Am frühen Sonntagmorgen brannten auf einem Schönefelder Firmengelände sechs Wagen. Und: Beim Besuch des Kanzlers in Abu Dhabi konnten Energieverträge abgeschlossen werden. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 24. und 25. September 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Scheinheilige Charity? Protest gegen Leipziger Opernball
Wieder einmal wurde und wird in Leipzig an diesem Wochenende viel demonstriert. Angefangen beim Leipziger Opernball am Samstag, der entgegen dem, was der Name suggeriert, nicht durch die Leipziger Oper, sondern von der Opernball Leipzig Production GmbH organisiert wird.
Als Sponsoren stehen hinter der Veranstaltung, die sich breitbeinig als „das wichtigste gesellschaftliche Ereignis der Stadt“ beschreibt, viele Protagonisten der Leipziger Wirtschaftselite. Im Rahmen einer Tombola werden dabei auch Gelder für die Stiftung „Leipzig hilft Kindern“ gesammelt. Durch den Losverkauf sollen etwa 100.000 Euro Spendengelder eingenommen worden sein.
Charity-Veranstaltung im Opernhaus Leipzig: Klimakrise ist beim Opernball noch nicht angekommen https://t.co/73BjUCT6Vc via @LIZ_de
— Jürgen Kasek (@JKasek) September 23, 2022
Was nobel klingt, ruft jedoch viel Kritik unter anderem der Grünen hervor, die sich vor allem über die Hauptpreise der Verlosung stören, einen Porsche SUV und eine Flugreise mit Qatar Airways. Unser Redakteur Ralf Julke hatte sich schon vorab damit beschäftigt.
Am Samstag tat der Abgeordnete und klimapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat, Jürgen Kasek (41), bei einer Demo vor Ort öffentlich seinen Unmut über das Format kund.
Die „Junge Freiheit“ und Journalisten erschießen
Zugleich gab es am Samstag in Leipzig einen Aufmarsch der rechtsradikalen „Freien Jugend“ mit lautstarkem Gegenprotest auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, von dort über den Ring und wieder zurück zum Leuschner.
Dabei fanden sich nach einem Aufruf des polizeibekannten Versammlungsanmelders Lucien W. etwa 50 Personen, teils aus dem extremistischen Spektrum der sogenannten „Neuen Stärke“ ein, um die Rücktritte unter anderem von Robert Habeck zu fordern oder „Ost, Ost, Ostdeutschland“ zu skandieren.
Unter den Versammelten fanden sich auch jener Herr, welcher am 12. September 2022 nach der damaligen rechten Demo gegenüber drei LZ-Journalisten die Überzeugung „Euch erschieße ich auch noch“ äußerte, sowie seine Begleitung während der Drohung.
An jenem Montag war man noch mit „Björn Banane“ und Vertretern weiterer Gruppierungen aus dem „Querdenker“- bis Rechtsextremistenmilieu für „Frieden, Freiheit“ und einer Öffnung von Nordstream 2 um den Ring gezogen.
Die Ankündigung, Journalisten zu erschießen, liegt mittlerweile dem ermittelnden Staatsschutz des LKA Sachsen vor, die Adressdaten, welche die Einsatzpolizei gestern von allen drei Herren einsammelte, nun auch.
Eine Petition für Volker Wissing
Bei der „Kidical Mass“ – Fahrraddemo am Sonntag waren nach unseren Schätzungen etwa 1.300 Menschen per Fahrrad unterwegs. Zum Start nahm dabei Baubürgermeister Thomas Dienberg eine Petition an den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit über 80.000 Unterschriften entgegen.
Darin wird durch Kinder neben der Einführung von Tempo 30 an den Hauptverkehrsadern der Großstädte gefordert, „geschützte oder baulich getrennte, breite Radwege an Hauptverkehrsstraßen sowie geschützte Kreuzungen (nach niederländischem Vorbild), Schulstraßen und Zonen ohne Autoverkehr (temporäre Kfz-Durchfahrtsverbote), Fahrradstraßen und Fahrradzonen als flächendeckendes Netz und Grundlage für ein sicheres Schulwegenetz und Straßen ohne Durchgangsverkehr in Wohngebieten (Bsp. Kiezblocks Berlin, Superblocks Barcelona)“ einzuführen.
Dienberg, welcher anschließend selbst mitradelte, versprach noch vor der gemeinsamen Rundfahrt über freie Straßen in Leipzig, „einen Weg zu finden, die Petition an Herrn Wissing zu übergeben“. Die Ansinnen der Petition nannte er einen passenden Baustein im Rahmen der Leipziger Verkehrsstrategie.
Solidarität mit der Ukraine und den Protesten im Iran
Weitere Kundgebungen fanden an diesem Sonntag anlässlich der russischen Teilmobilmachung für den Ukraine-Krieg und des gewaltsamen Todes einer jungen Frau im Iran statt, für den das dortige Regime und dessen „Sittenpolizei“ verantwortlich gemacht werden.
Seither gibt es in der religiös geführten Autokratie massive Aufstände junger Menschen, vor allem von Frauen. Diese schneiden sich seit Tagen aus Protest öffentlich die Haare ab und verbrennen ihre Kopftücher.
Versammlung gegen die Mobilmachung in #Russland und gegen den Krieg hat begonnen #le2509 pic.twitter.com/ZtM39zVd42
— Irena Rudolph-Kokot (@IrenaKOKOT) September 25, 2022
Wieder brannten Autos in Leipzig
Die Polizei berichtet vom Brand mehrerer Wagen auf einem Firmengelände in Leipzig-Schönefeld. Am frühen Sonntagmorgen kurz nach Mitternacht wurde gemeldet, dass sechs Transporter in Flammen stehen, auch eine angrenzende Halle wurde in Mitleidenschaft gezogen. Die Feuerwehr brachte die Situation unter Kontrolle.
Festzustehen scheint, dass ein Fall von Brandstiftung vorliegt, spezialisierte Brandursachenermittler suchen aktuell nach Spuren. Ein Bekennerschreiben gibt es laut Polizei bislang nicht. Insofern ist auch unklar, ob die Straftat politisch motiviert ist und ob sich gegebenenfalls eine bestimmte Gruppe dafür verantwortlich zeichnet. Der Sachschaden ist noch nicht beziffert.
In Leipzig kam es in der Vergangenheit immer wieder zu offenbar gezielt gelegten Autobränden, wobei neben Firmen- und Behördenwagen auch private Kraftfahrzeuge betroffen waren. Die Tätersuche gestaltet sich oft sehr schwierig – manchmal hilft dann aber doch das berühmte Ermittlerglück weiter.
Weg von Russlands Gas: Diversifizierung ist das neue Zauberwort
Im Eiltempo versucht die Politik seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022, das Land aus dem Würgegriff der massiven Abhängigkeit von Russland und dessen Energielieferungen zu befreien. Erst recht, weil Präsident Wladimir Putin (69) die Gaslieferungen inzwischen ganz eingestellt hat – offiziell unter Verweis auf technische Schwierigkeiten der Pipeline. Dass es sich um einen Vorwand handelt, liegt für die Bundesregierung auf der Hand.
Nun soll das Zauberwort „Diversifizierung“ für Abhilfe sorgen – sprich, durch Energie-Deals mit möglichst vielen Partnern soll ein zu starkes Abhängigkeitsverhältnis künftig vermieden werden. Jetzt scheint diese Politik erste Früchte zu tragen: Während seiner Visite in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) konnte Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) den Weg ebnen, dass der Energiekonzern RWE einen ersten Vertrag über eine Lieferung von Flüssiggas für Dezember 2022 abschloss. Weitere Lieferungen auch von Diesel sollen ab 2023 folgen.
Scholz zu Gast bei heiklen Partnern
Die zunächst ausgemachte Marge gilt allerdings als eher gering. Scholz kündigte an, die Energie-Kooperation mit den VAE auch weiter vorantreiben zu wollen, etwa durch Investitionen in den Ausbau der Wasserstoffgewinnung.
Zum Auftakt seiner Reise hatte Scholz den saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (37) in der Hafenstadt Dschidda getroffen. Ein besonders heikler Gesprächspartner: Denn Mohammed bin Salman gilt als Drahtzieher des Mordes am Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul 2018 – er selbst bestreitet diesen Vorwurf.
Das brutale Verbrechen hatte zu einer internationalen Isolation des Regimes in Riad geführt und auch die Beziehungen nach Berlin belastet. Scholz sagte dazu gegenüber Journalisten, man habe alle Fragen rund um Menschen- und Bürgerrechte besprochen – nichts von dem, was zu sagen ist, sei unbesprochen geblieben.
Katar ist die letzte Station der zweitägigen Reise von Scholz.
Punkband-Interview, Radwege, Behörden-Irrsinn und vieles mehr
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Der ehemalige Thomaskirchenpfarrer (1992–2014) Christian Wolff äußert sich kritisch zum Pfarrertag – hier sein aktueller Gastkommentar. Außerdem geht es um Radwege in der Zschocherschen, das Spielplatz-Rauchverbot und Amtsdenken, Engpässe bei den LVB, ein EntdeckerINNEN (!)-Buch zum Thema Dinosaurier und die Kirche zu Panitzsch bei Leipzig.
Und wem das noch nicht reicht, der lese das lange Interview unserer Kollegin Sabine Eicker mit der Punkband SchlagsAite, rege sich über die Teilsperrung des Ratsholzdeiches auf (oder lache schlichtweg), informiere sich über die Petition von Greenpeace Leipzig zu autofreien Sonntagen oder die mutmaßlich von Rechtsextremen begangenen Angriffe auf ein Tauchaer Vereinsbüro.
Wahlen in Italien und Frontalangriff Lawrows gegen den Westen
Was sonst noch wichtig war: In Italien wird aktuell ein neues Parlament gewählt – Umfragen nach scheint ein Rechtsruck nicht ausgeschlossen. Während unterdessen in der Ostukraine Scheinreferenden für einen Beitritt zu Russland stattfinden, teilte Putins treuer Außenminister Sergej Lawrow (72) vor der UNO heftig gegen die USA und den Westen aus. Der Ukraine-Krieg? Natürlich gerechtfertigt. Ein Einlenken, Zweifel? Fehlanzeige. Aber wer hätte etwas anderes erwartet?
Neue Demo in Leipzig
Was morgen wichtig wird: Unter dem Motto „Preisexplosion? Nicht auf unserem Rücken“ wird morgen erneut in Leipzig zum Protest aufgerufen. Dieser startet 18 Uhr auf dem Augustusplatz. Die Demonstration wird vor allem von sozialen Gruppierungen und nicht von Rechtsextremen wie bei den anderen „Montagsdemos“ vorangetrieben.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Keine Kommentare bisher
Moin!
Es ist ein kleiner Fehler aufgetreten, der sich in Bildbeschriftungen und Text/Überschrift findet. Die Gruppierung, die Samstag demonstrierte, wird einerseits als “Gruppierung Freie Jugend Leipzig” aber auch als ‘Junge Freiheit’ bezeichnet.
Grüße