Nach Berichten über Pushbacks an der deutsch-polnischen Grenze fordern Flüchtlingsräte Aufklärung. Kritik wird außerdem am Lina E.-Prozess und an Baumfällungen während der Brutzeit geübt. In Österreich geht nach dem Suizid einer Ärztin ein Polizist rechtlich gegen einen Twitter-User vor. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 3. August 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus passiert ist.
Berichte über Pushbacks an deutsch-polnischer Grenze: Flüchtlingsräte fordern Aufklärung
Nach einem bereits am Montag veröffentlichten Bericht der „taz“ über mutmaßliche illegale Pushback-Praktiken der Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze fordern Flüchtlingsräte nun Aufklärung. In einer gemeinsamen Pressemitteilung forderten die Flüchtlingsräte in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die zuständigen Behörden heute auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und eine interne Ermittlung einzuleiten – speziell die Bundespolizeiinspektion Görlitz sowie das zuständige Innenministerium.
Der jüngste bekannte Fall eines illegalen Pushbacks soll sich Anfang Juli im sächsischen Görlitz zugetragen haben: Zwei aus dem Jemen geflüchtete Männer wurden von der Bundespolizei aufgegriffen, nachdem sie den Grenzfluss Neiße überquert hatten. Anstatt ein Asylverfahren einzuleiten, schickte die Bundespolizei die Kriegsflüchtlinge zurück nach Polen und erteilte ihnen Einreiseverbot.
Zuvor sollen die jemenitischen Männer in einer intransparenten Einreisebefragung dazu gedrängt worden sein, die Einreiseverweigerungsdokumente zu unterschreiben. So jedenfalls schildern es die Männer selbst. Sie hätten mehrfach betont, dass sie Asyl beantragen wollen, und auf den Krieg im Jemen hingewiesen. Die Polizei gibt an, dass nach der Anhörung in beiden Fällen kein Schutzersuchen vorgelegen habe, schreibt die „taz“.
Flüchtlingsräte entsetzt über die Zurückweisung Kriegsgeflüchteter
Die Flüchtlingsräte zeigen sich geschockt über dieses Vorgehen, das offenbar keinen Einzelfall an der deutsch-polnischen Grenze darstellt. „Wie kann es sein, dass das Schutzgesuch von zwei offensichtlichen Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Jemen nicht zur Kenntnis genommen wurde?“, fragt Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat. Aktuell versuchen die Flüchtlingsräte nach eigenen Angaben, weitere Betroffene dieser sogenannten Pushback-Praktik ausfindig zu machen.
Dass Geflüchteten mittlerweile nicht nur an der belarussisch-polnischen Grenze gewaltsam und rechtswidrig zurückgeschickt werden, sondern auch illegale Pushbacks an der deutsch-polnischen Grenze erfahren, mache auf dramatische Weise deutlich, wie es um den Schutz des Rechts auf Asyl in Europa steht, sagt Henrike Koch vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Antifa-Ost-Prozess: Kronzeuge belastet Lina E. und Mitangeklagte schwer
In Dresden sagte der Kronzeuge Johannes D. heute erneut im Antifa-Ost-Prozess gegen die Leipziger Studentin Lina E. und die Mitangeklagten aus. Bei seiner Aussage belastete der Kronzeuge seine ehemaligen Verbündeten schwer. Seine Zeugenaussagen bezogen sich heute erneut auf den Überfall auf den Neonazi Leon R. am 14. Dezember 2019 in Eisenach.
Lina E. sitzt seit ihrer Verhaftung im November 2020 in Untersuchungshaft. Sie ist die einzige Angeklagte, die von den Sicherheitsbehörden festgenommen werden konnte. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitglieder einer „kriminellen Vereinigung“ gewesen zu sein und körperliche Angriffe auf Neonazis verübt zu haben.
Kollegin Antonia Weber war vor Ort und hat die Erkenntnisse des heutigen Prozesstags in einem gesonderten Artikel aufgeschrieben.
Linken-Politikerin Juliane Nagel kritisiert Prozess
„Das Verfahren wirkt wie ein Schauprozess“, kommentierte die Landtagsabgeordnete und Leipziger Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke) heute. Der Prozess wirke wie ein Akt der Legitimation staatlicher Hatz gegen Antifaschist/-innen, „wie sie besonders in Sachsen Realität ist.“
Dass Johannes D. im Prozess als Kronzeuge auftritt – damit geht ein teures und aufwendiges Schutzprogramm einher – ist ein weiterer Kritikpunkt der Linken-Politikerin. „Hier sollten sich kritische Beobachter/-innen vor allem die Frage stellen, welchen Aufwand staatliche Behörden betreiben, um die Geschichte einer gefährlichen Bande zu bestätigen“, meint Nagel.
Weiterhin zeigte Juliane Nagel sich erschüttert über die Prozessdimensionen angesichts rechter Umtriebe in Sachsen. Sie sei „fassungslos angesichts rechter Gewalt, bewaffneter Neonazis, Mitarbeiter/-innen von Sicherheitsbehörden, die Schuss-Munition in Größenordnung stehlen, sich in obskuren erniedrigenden Aufnahmeritualen erproben, Kontakte ins rechte Milieu pflegen und sich auf ominöse Bürgerkriegszustände vorbereiten“.
Leipziger Grüne kritisieren Baumfällungen während Brutsaison
Die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat wandte sich heute mit Kritik an der städtischen Baumfäll-Praxis an die Öffentlichkeit. Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, prangert an, dass das Umweltamt aus seiner Sicht zu regelmäßig und zu viele Sondergenehmigungen für das Fällen von Bäumen vergibt.
Die Grünen-Fraktion fordert, dass die Stadt nur noch „in absoluten Ausnahmefällen“ Baumfällgenehmigungen außerhalb der Fällsaison verteilt. Bei Stadtrat Kasek ist der Eindruck entstanden, dass die Stadtverwaltung „derart offensiv Ausnahmegenehmigungen erteilt“, weil sie selbst beziehungsweise die Bauherren „zu spät handeln“.
Bereits im April waren Baumfällungen während der Brutzeit im Leipziger Stadtrat Thema: Immer wieder hatten nicht nur Privatpersonen oder Unternehmen, sondern auch die Stadt während der Brutsaison Bäume fällen lassen – mit entsprechenden Sondergenehmigungen.
Laut dem Bundesnaturschutzgesetz ist das Fällen von Bäumen in der Zeit vom 1. März bis 30. September verboten, um brütende Vögel und andere Tiere nicht zu stören.
Nach Suizid* österreichischer Ärztin: Polizist geht juristisch gegen Twitter-User vor
Nach dem Suizid der österreichischen Medizinerin Lisa-Maria Kellermayr geht der Leiter der Pressestelle der Polizei Oberösterreich, David Furtner, nun rechtlich gegen einen Twitter-Nutzer vor. Der User hatte unter einem Tweet des Polizeisprechers Kritik an dessen Umgang mit der Causa Lisa-Maria Kellermayr geäußert und dessen Rücktritt gefordert.
„Herzliche Gratulation. Du hast mit deinen unüberlegten Worten und depperten Aussagen Blut an den Händen“, hatte der Nutzer dem Polizeisprecher vorgeworfen. „Ich hoffe, du trittst auf der Stelle ab und verlässt deinen Job.“
Furtner hatte im Radioprogramm des Österreichischen Rundfunks vor dem Tod Lisa-Maria Kellermayrs dieser unterstellt, sie wolle mit ihrer öffentlichen Kritik an der Polizei „das eigene Fortkommen fördern“.
Weiterhin hatte er ihr geraten, ihre Aktivität auf Social Media herunterzufahren. Lisa-Maria Kellermayr erhielt über Monate hinweg Morddrohungen von Corona-Leugner/-innen, schloss kurz vor ihrem Tod schließlich ihre Praxis.
Über einen Anwalt fordert der Polizeibeamte den Twitter-Nutzer nun dazu auf, eine Unterlassungserklärung bezüglich der im Tweet geäußerten Inhalte zu unterschreiben. Laut dem User beinhaltet die Erklärung eine Geldstrafe in Höhe von 960 Euro.
Petition fordert Rücktritt des Polizeipresseleiters
Seit Tagen häufen sich Rücktrittsforderungen, die sich an die Landespolizeidirektion Oberösterreich richten. Unter anderem ruft die Linksjugend Solid zum Unterschreiben einer entsprechenden Online-Petition auf. Stand Mittwochabend haben rund 1.000 Personen die Petition mit dem Titel „Rücktritt des Polizeipresseleiters der Landespolizeidirektion Oberösterreich“ unterschrieben.
„David Furtner verdrehte Tatsachen und betrieb Victim Blaming“, heißt es in der Petition, die am 30. Juli online ging. „Er verhielt sich nicht seriös und unsachlich.“ Somit sei er für den von ihm ausgeführten Job nicht geeignet.
Die 36-jährige Hausärztin Lisa-Maria Kellermayr tötete sich am Freitag selbst, nachdem sie monatelang von Corona-Leugner/-innen vorrangig im Netz bedroht worden war. Ihrem Twitter-Account war zu entnehmen, dass sie sich von der Polizei im Stich gelassen fühlte. Mehrere Male versuchte sie, Polizeischutz zu erhalten – erfolglos.
Vorläufige Obduktion bestätigt Suizid
Die vorläufige Obduktion der Leiche Lisa-Maria Kellermayrs bestätigte heute die Annahme, dass die junge Ärztin Selbstmord begangen hat. Laut der Staatsanwaltschaft Wels konnten bei der Obduktion keine Hinweise auf die Einwirkung Dritter festgestellt werden.
Ausschluss Nicht-Deutscher vom Kindergeld ist rechtswidrig
Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat: Die Karlbrücke in der Industriestraße, die Schleußig und Plagwitz miteinander verbindet, wird ab 2023 neugebaut und Kronzeuge Johannes D. sagte heute am Oberlandesgericht Dresden erneut im Lina E.-Prozess aus. Außerdem hat die LZ heute ein Interview mit den Leipziger Raperinnen Flausen und MC Dauerwelle veröffentlicht.
Was heute sonst noch wichtig war: Es ist rechtswidrig, ausländischen Staatsangehörigen mit humanitären Aufenthaltstiteln das Kindergeld zu verwehren. Zu diesem Urteil kam das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Grundlage des Urteils ist eine Vorlage eines Finanzgerichts aus dem Jahr 2006, die vorsieht, dass Staatsangehörige der meisten Nicht-EU-Staaten, denen der Aufenthalt in Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist, nur in bestimmten Fällen einen Anspruch auf Kindergeld haben.
Die Kriterien für die Bewilligung sind laut der Vorschrift des Finanzgerichts folgende: die Personen müssen sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und zusätzlich bestimmte Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen, das heißt entweder im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, Arbeitslosengeld I beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen.
Laut dem Bundesverfassungsgericht verstößt die Vorlage gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Die Vorlage wurde nun rückwirkend für illegal und somit nichtig erklärt.
Was morgen passieren wird: Morgen erwartet Leipzig der heißeste Tag der Woche: Bis zu 36 Grad Celcius sollen die Außenthermometer morgen anzeigen. Für den Freitag prognostiziert der Deutsche Wetterdienst ein wenig Abkühlung (maximal 28 Grad) und Regen.
* Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.
Telefonseelsorge: Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800 1110111 und 0800 1110222. Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis. Die Telefonseelsorge finden Sie auch hier im Internet.
Muslimisches Seelsorgetelefon: Das muslimische Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 030 443509821 erreichbar.
Weitere Möglichkeiten und Angebote finden Sie hier
www.suizidprophylaxe.de
Keine Kommentare bisher