Nach dem Experiment des TV-Satirikers Jan Böhmermann, das massive Defizite beim polizeilichen Umgang mit Hasskommentaren im Netz offenlegte, will Sachsens neuer Innenminister Armin Schuster (CDU) nun in den Reihen der Polizei nachschärfen. In Nordrhein-Westfalen gaben die Behörden entsetzliche Details zu einem mutmaßlichen Netzwerk bekannt, das Kindern schwerste sexualisierte Gewalt angetan haben soll. Und: Die Europäische Union ringt beim zweitägigen Gipfel um ein Öl-Embargo gegen Russland – mit eher schlechter Erfolgsaussicht. Die LZ fasst zusammen, was am Montag, dem 30. Mai 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Die Leipziger Polizei und eine verschwundene Anzeige

Wie geht die Polizei mit Menschen um, die Hass-Postings im Internet anzeigen wollen? Zur Beantwortung dieser Frage startete der TV-Satiriker Jan Böhmermann (41) im August 2021 ein bundesweites Experiment im Rahmen der ZDF-Sendung „ZDF Magazin Royale“, bei dem die gleichen sieben Hassreden aus dem Netz bei Polizeidienststellen in allen 16 Bundesländern gemeldet wurden.

Das Resultat: In drei Bundesländern wird wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte ermittelt, darunter Sachsen. Vom Leipziger Polizeirevier in der Ritterstraße, so die Schilderung des großangelegten Versuchs auf der Seite tatütata.fail, sei die aufgegebene Anzeige offenbar gar nicht an den Staatsschutz weitergeleitet worden – jedenfalls ist der Vorgang bis heute unbekannt.

Schuster räumt Fehler ein und gelobt Besserung

Der Verdacht, dass Leipzigs Polizei entgegen ihrer Pflicht der Sache wahrscheinlich nicht weiter nachging, soll nun zu Konsequenzen führen: Wie Sachsens neuer Innenminister Armin Schuster (61, CDU) gegenüber dem MDR äußerte, habe man „vielleicht vernachlässigt“, jeden einzelnen Beamten für die Problematik von Hass-Postings fit zu machen.

Dies solle aufgeholt werden, zugleich sprach sich Schuster für stabile Arbeitsprozesse, eine bessere Führungsqualität und einen Stellenausbau bei der Polizei aus. Den Einstieg in die Thematik „Hass und Hetze im Internet“ seitens der Polizei sieht der Minister dennoch gelungen.

Das TV-Experiment hatte für reichlich Aufregung gesorgt, weil es ein massives Gefälle innerhalb Deutschlands zum Ausdruck brachte, wie die Polizei mit Anzeigenerstellern umgeht: So sei die Annahme einer Meldung in Sachsen-Anhalt sogar komplett verweigert worden, während es beispielsweise im Saarland oder in Hessen reibungslos lief.

Erschütternde Details: Babysitter soll Kinder brutal missbraucht haben

Wir bleiben beim Thema Polizei: Bei einer Pressekonferenz in Köln am Montag gaben Ermittler weitere Details über einen verhafteten Mann bekannt, der nach jetziger Kenntnis zwischen den Jahren 2005 und 2019 zehn Jungen und zwei Mädchen vielfach sexuell missbraucht haben soll. Die Betroffenen sollen zwischen einem Monat und 14 Jahren alt gewesen sein.

Der 44-Jährige bot seine Dienste nach Kenntnis der Behörden bis 2018 als Babysitter im Kölner Umland an und soll so auch neue Opfer gefunden haben. Nach seiner Verhaftung in Wermelskirchen Ende 2021 stellten die Fahnder 32 Terabyte Datenmaterial bei ihm sicher, die den Kontakt des Mannes auch zu weiteren Pädophilen in ganz Deutschland belegen.

Mehr als 70 Verdächtige sind bereits namentlich identifiziert worden – und ob das bereits das ganze Ausmaß des Missbrauchs-Komplexes hinsichtlich der Zahl von Tätern und Opfern darstellt, darf zumindest stark bezweifelt werden.

Von „menschenverachtender Brutalität und gefühlloser Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid von kleinen Kindern“ sprach der Kölner Polizeipräsident Falk Schnabel am Montag. Die Ermittlungen laufen weiter.

Ringen um Öl-Embargo: Sticht wirtschaftliches Interesse die Moral aus?

Und damit noch ein kurzer Blick in die Weltpolitik, die auch nach fast 100 Tagen weiterhin vom Krieg in der Ukraine bestimmt wird. In Brüssel treffen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder heute und morgen zu einem Gipfel zusammen, bei dem mit Spannung vor allem darauf geschaut wird, ob man sich auf ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland einigen wird.

Knackpunkt ist der komplette Verzicht auf Öleinfuhren aus Russland innerhalb von sechs Monaten durch alle EU-Mitglieder. Obwohl dieser ursprüngliche Plan der EU-Kommission bereits durch Zugeständnisse aufgeweicht wurde, bestehen vor allem Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien weiterhin auf langfristige Ausnahmen, da sie stark auf russische Energielieferungen angewiesen sind.

Besonders Ungarns Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán (58) übt heftigen Druck aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) hat Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch schon gedämpft.

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) zeigt sich dagegen optimistischer und pocht auf ein komplettes Embargo. Die Verhandlungen gehen weiter – und sicher scheint derzeit nur: Fast 100 Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beginnt die demonstrative Einheit der EU allmählich zu bröckeln – und wirtschaftliche Interessen stechen die Moral bei manchen im Zweifel aus.

Stadtrat, Stromsparen nicht nur in Zeiten der Krise und Bedrohung eines Biotops

Worüber die LZ heute berichtet hat: In Leipzig tagte mal wieder der Stadtrat – zu den Themen einer Zero-Waste-Konzeption und die Konzeptvergabe für Grundstücke. Weitere Themen: Wie Leipzig mit LED-Licht Strom sparen könnte, ein Brücken-Neubau im Waldstraßenviertel und die Bedrohung eines geschützen Biotops am Störmthaler See. Zudem präsentiert unser Autor David Gray seine neue Kolumne.

Prügelnder Straßenbahnfahrer, Gerichtsstreit um antisemitisches Relief, Vorwürfe gegen Kanzler von Klima-Aktivisten und Grünmarkierung von Leipziger Radfahrstreifen

Was sonst noch wichtig war: In Halle an der Saale hat offenbar ein Straßenbahnfahrer einen Minderjährigen in der Tram angegriffen und verprügelt. Im Netz kursiert ein Video des Vorfalls.

Ein problematisches Relief an der Stadtkirche Wittenberg, das unter dem Namen „Judensau“ bekannt wurde, beschäftigt seit heute den Bundesgerichtshof.

Bundeskanzler Olaf Scholz weist den Vorwurf der Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer (26) zurück, wonach er Aktivistinnen und Aktivisten mit Nazis verglichen habe. Hintergrund ist seine Reaktion auf eine Störaktion während seiner Rede auf dem Kirchentag.

Am Leipziger Dittrichring wurde die Grün-Markierung des Radfahrstreifens an einem ersten Abschnitt abgeschlossen, von der sich die Verantwortlichen mehr Sicherheit für Radler erhoffen. Eine perspektivische Fortsetzung der Maßnahme ist angedacht.

In Leipzig wird morgen über Autobahnausbau vor Gericht verhandelt

Was morgen wichtig wird: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt über den geplanten Ausbau der sogenannten Küstenautobahn A20 in Niedersachsen. Gegen das Projekt liegen mehrere Klagen von Landwirten sowie Umwelt- und Klimaschützern vor. Schon am zurückliegenden Wochenende gab es eine Demo in Leipzig.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar