Rund um das Leipziger Stadtderby zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lok Leipzig am Samstagnachmittag kam es zu Ausschreitungen und einer Vielzahl von Straftaten durch Fangruppen beider Seiten. Die Partie selbst stand zeitweise kurz vor dem Abbruch. Schwer überschattet vom Ukraine-Konflikt wurde heute an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor genau 77 Jahren erinnert und die Schleswig-Holsteiner waren am Sonntag zur Wahl eines neuen Landtags aufgerufen. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, den 7. und 8. Mai 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Gewalt bei Leipziger Derby gegen Fans und Polizei
Der sportliche Aspekt geriet faktisch zum Randvermerk: Die BSG Chemie Leipzig entschied das 106. Leipziger Stadtderby gegen den Rivalen 1. FC Lok Leipzig am Samstagnachmittag mit dem Endergebnis 2:1 (1:0) für sich. Die brisante Begegnung im Alfred-Kunze-Sportpark vor 4.999 Zuschauern schien dann aber komplett zu entgleiten, als Einsatzkräfte der Polizei hinter den Rängen der Gastgeber in Leutzsch mit Brettern und Gegenständen attackiert wurden.
Und dabei blieb es nicht. Kurz nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit unterbrach der Schiedsrichter die Partie vorübergehend, weil Leuchtraketen aus den Lok-Rängen auf das Spielfeld flogen, dichter Rauch in den Himmel stieg und eine Gruppe vermummter Chemie-Fans auf das Spielfeld rannte. Die Polizei riegelte an der Mittellinie ab und zog vor dem Gästeblock auf, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
Weitere Straftaten vorab und im Nachgang – acht Polizisten verletzt
„Auch wenn der überwiegende Teil beider Mannschaften grundsätzlich völlig friedlich ist, bestimmt von jeher der Teil den Einsatz der Polizeidirektion, der aus Erfahrungen der letzten Jahre heraus immer wieder durch Unfriedlichkeit auffällt“, zog die Leipziger Polizeidirektion Bilanz. Nach ihren Angaben wurden acht ihrer Beamtinnen und Beamte am Samstag verletzt, einer davon ist aktuell dienstunfähig.
Weitere Straftaten im Nachgang registrierten die Gesetzeshüter am Samstagabend im Bereich der Prager sowie der Connewitzer Straße, als Anhänger beider Vereine offenbar aneinandergerieten. Mehrere Tatverdächtige sind bereits bekannt, die Ermittlungen unter anderem wegen Landfriedensbruchs laufen.
Insgesamt sind 20 Verfahren eingeleitet worden. Alarmiert waren die Behörden schon vor dem Spiel durch mehrere Delikte im Zusammenhang mit dem Derby, darunter eine gezielt zugemauerte Fußgängerunterführung am Leutzscher Bahnhof.
Linke Kundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz am Sonntag
Am Sonntag versammelten sich etwa 150 Personen zu einer Kundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Die Kampagne „Wir sind alle LinX“ hatte dazu aufgerufen, am Tag der Befreiung ein „Zeichen gegen den Faschismus in den Sicherheitsbehörden“ zu setzen.
Dass Deutschland nie wirklich vom Faschismus befreit worden sei, merkte das „Solidaritätsbündnis Antifa Ost“ an. Ein Beleg dafür sei die „Soko LinX“, die immer wieder gegen Antifaschist/-innen ermittle und damit Faschisten schütze. Die Gruppe „CopWatch LE“ forderte, die Polizei gänzlich abzuschaffen. Für Minderheiten sei sie eher Gefahr als Schutz; zudem diene sie vor allem den Interessen der Reichen.
Weitere Redebeiträge kamen unter anderem vom „Rojava-Solibündnis Leipzig“ und vom Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek in seiner Funktion als Mitglied von „Leipzig nimmt Platz“. Er beklagte, dass in Sachsen schon verdächtig sei, wer sich als links bezeichnet.
Einen bitteren Nachgeschmack hinterließ ein eingespielter Redebeitrag der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, die vor knapp einem Jahr gestorben ist. Sie wünschte sich, dass der 8. Mai als Feiertag eingerichtet wird, und endete mit der Forderung: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ Dass letzteres in so weiter Ferne scheint wie seit Jahrzehnten nicht mehr, musste sie nicht mehr miterleben.
Brisantes Gedenken im Zeichen des Ukraine-Kriegs
Es ist Anno 2022 angesichts des Kriegs in Europa kein Routine-Termin: Überschattet von den Kämpfen keine zwei Flugstunden von hier entfernt, erinnern Politik und Gesellschaft seit heute an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 77 Jahren. Allein für Berlin sind mehr als 50 Kundgebungen und Demos aus diesem Anlass angemeldet, die sich zwar mehrheitlich gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine positionieren.
Doch auch ultranationalistische Mitglieder der „Nachtwölfe“, eines prorussischen Rockerclubs, sollen laut „Berliner Zeitung“ bereits in der Bundeshauptstadt eingetroffen sein. Die Polizei ist alarmiert und befürchtet Konfrontationen, die mit Unterstützung von rund 3.400 Beamtinnen und Beamten unterbunden werden sollen.
Während Andrij Melnyk (46), Botschafter der Ukraine in Deutschland, unter lauten Rufen einen Kranz am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park niederlegte, kam es am Sonntag in mehreren Städten, darunter Köln und Freiburg, zu prorussischen Autokorsos, vor allem aber Demonstrationen gegen den Krieg.
Bundespräsident wirft Putin Lügen vor – TV-Ansprache des Kanzlers
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (66, SPD) warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) Lügen vor, wenn er angesichts der Invasion in der Ukraine von „Entnazifizierung“ spreche. Jens-Christian Wagner, Historiker und Chef der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, warnte allerdings vor historischen Analogien und sieht das Gedenken Anno 2022 als besondere Gratwanderung. Das geschichtspolitische Eis am 8. und 9. Mai sei so dünn wie nie, äußerte Wagner gegenüber dem Deutschlandfunk.
Das Gedenken zum Kriegsende wird heute in Deutschland und erst morgen in Russland begangen. Am Abend will sich Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) per TV-Ansprache direkt an die Bevölkerung wenden.
"Ein 8. Mai wie kein anderer": Die Ansprache des Kanzlers im Video https://t.co/XkAXEOfVXX #Scholz #Fernsehansprache #Ukraine
— tagesschau (@tagesschau) May 8, 2022
Alea iacta est: Daniel Günther (CDU) regiert weiter in Schleswig-Holstein
Er ging als klarer Favorit ins Rennen – und wird nun auch die kommenden fünf Jahre weiterregieren können: Mit laut momentanen Prognosen knapp 43 Stimmenanteil gewann die CDU unter Ministerpräsident Daniel Günther die Landtagswahl in Schleswig-Holstein.
Wahl in Schleswig-Holstein: Die Zugkraft des Kandidaten https://t.co/ZkFI5TzgFu #Landtagswahl #SchleswigHolstein #Analyse #ltwsh22
— tagesschau (@tagesschau) May 8, 2022
Für den 48-Jährigen, der seit Juni 2017 das Land mit einem Jamaika-Bündnis führt und sich selbst mit seinem Thüringer Amtskollegen Bodo Ramelow (66) von den Linken offenbar gut versteht, kommen nach aktueller Hochrechnung verschiedene Koalitionspartner infrage.
Die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller (49) landet abgeschlagen auf Platz 3 hinter der CDU und den Grünen. Die FDP ist den Prognosen nach ebenfalls im neuen Landtag vertreten, nicht so AfD und Linke.
Bei den Wahlen waren über 2,3 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, knapp 300 Bewerberinnen und Bewerber von 16 mit Landeslisten vertretenen Parteien warben um die Gunst des Wahlvolks.
Heikles Derby, Altes Rathaus wieder voll geöffnet und Rückzug einer Stadträtin
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Über die Wiedereröffnung des Alten Rathauses, eine Bürgerumfrage, die Mietsorgen vor allem bei Geringverdienern offenbart, den angemessenen Umgang mit dem umstrittenen Komponisten Richard Wagner (1813-1883), eine besondere frühere Kirche in Dresden und ein Buch über westslawische Mythologie.
Außerdem hat unser Sportreporter Jan Kaefer das heikle Derby zwischen Lok und Chemie vom Samstag beobachtet, wir schreiben über einen kommenden Erinnerungsort in der Riebeckstraße, einen brisanten Prozess in Südtirol, den Rückzug einer grünen Stadträtin und eine literarische Erkundung des Grimmschen Wörterbuchs.
Was sonst noch wichtig war: Die Gewerkschaft IGBCE und der LEAG-Konzern haben sich auf einen Tarifkompromiss verständigt.
Anspannung vor Siegesfeier in Russland: Befiehlt Putin die Generalmobilmachung?
Was morgen wichtig wird: In Russland findet die Siegesparade in Erinnerung an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Mit gespannter Sorge wird dabei wegen der Situation in der Ukraine auf die Ansprache von Präsident Wladimir Putin gewartet: Wird er das offizielle Narrativ einer „militärischen Spezialoperation“ aufkündigen und die Generalmobilmachung anordnen, die eine faktische Kriegserklärung und womöglich starke Ausweitung des Krieges in der Ukraine bedeuten würde?
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