Bei einer der größten Durchsuchungsaktionen gegen die rechtsextreme Szene wurden heute vier Tatverdächtige festgenommen, denen die Mitgliedschaft in einer aus Eisenach agierenden rechtsextremen Kampfsportgruppe vorgeworfen wird. Außerdem haben die USA und die EU gezieltere Sanktionen gegen die russische Polit-Elite angekündigt und Aktivist/-innen vor der deutschen Botschaft in Vilnius gegen die engen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit Russland protestiert. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, den 6. April 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus passiert ist.

Bundesweite Razzia gegen deutsche Neonazi-Strukturen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Aktion als einen „großen Erfolg für die Sicherheitsbehörden“ und einen „harten Schlag gegen die rechtsextremistische und rechtsterroristische Szene“: Im Rahmen einer bundesweiten Großrazzia gegen Neonazi-Strukturen durchsuchten Polizeikräfte des Bundeskriminalamts am heutigen Mittwoch 61 Immobilien in elf Bundesländern.

Vier Tatverdächtige wurden dabei festgenommen, drei davon – Leon R., Maximilian A. und Eric K. – in Eisenach (Thüringen) und Bastian A. im hessischen Rotenburg an der Fulda. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung vorgeworfen, konkret die Neonazi-Kampfsportgruppe „Knockout 51“, die von Eisenach aus agiert. Der Generalbundesanwalt wirft Leon R. zudem vor, Anführer von „Knockout 51“ zu sein.

Auch in Leipzig haben die Mitglieder von „Knockout 51“ schon agiert. Beispielsweise reisten einige von ihnen am 7. November 2020 an, um an der Querdenken-Demonstration teilzunehmen, bei der es zu Gewalt gegen Polizist/-innen und Journalist/-innen kam.

Festgenommener Rechtsextremist Leon R. ist Zeuge im Lina E.-Prozess

Der wohl prominenteste Tatverdächtige Leon R. betreibt in Eisenach seit 2019 das „Bull’s Eye“, eine rechtsextreme Szenekneipe. Sein Name wanderte bereits im Oktober 2019 durch die bundesweite Medienlandschaft, nachdem vermummte Personen das „Bull’s Eye“ stürmten und Wirt Leon R. und seine Gäste mit Pfefferspray und Schlagstöcken angriffen und die Einrichtung der Kneipe teilweise zerstörten. Wenige Wochen später wurde der Rechtsextremist Leon R. erneut von Unbekannten vor seiner Wohnung attackiert.

Der Generalbundesanwalt ordnet diese und weitere Taten mittlerweile Lina E. zu, einer Leipziger Studentin, die seit November 2020 in der JVA Chemnitz inhaftiert ist. Ihr wird seit Herbst 2021 in Dresden der Prozess gemacht. Ihr und acht weiteren Personen wird ebenfalls die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, in diesem Fall einer „linksextremistischen“. Details zur heutigen Neonazi-Razzia und deren Verbindungen zum Lina E.-Prozess hat Kollege René Loch aufgeschrieben.

Neben der Eisenacher Kampfsportgruppe „Knockout 51“ richtete sich die Razzia von heute gegen drei weitere rechtsextremistische Gruppen, namentlich die seit Oktober 2020 verbotene Neonazi-Gruppierung „Combat 18 Deutschland“, gegen den deutschen Ableger der in den USA entstandenen „Atomwaffen Division“ und gegen die Chatgruppe „SKD 1418“.

Vier Tatverdächtigen droht Untersuchungshaft

Insgesamt 800 Beamtinnen und Beamte waren am heutigen Einsatz beteiligt. Durchsucht wurden Objekte in Thüringen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Baden-Württemberg.

Die vier festgenommenen Männer werden heute und morgen (6. und 7. April 2022) dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Innenministerin Faeser nannte den Rechtsextremismus heute in Berlin erneut die „größte extremistische Gefahr für unsere Demokratie“.

Sanktionen gegen russische Polit-Elite und deren Familien

Nachdem US-Präsident Joe Biden und mehrere Vertreter/-innen der deutschen Bundesregierung die Geschehnisse im ukrainischen Butscha bereits als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet haben, tat es ihnen Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz heute gleich. Er warf dem russischen Militär heute bei einer Rede im Bundestag vor, ein „Massaker an ukrainischen Zivilisten“ verübt zu haben, „darunter Kinder, Frauen und alte Menschen“.

In der ukrainischen Stadt Butscha, ein Vorort von Kiew, fanden ukrainische Soldat/-innen am vergangenen Wochenende hunderte Leichen vor. Einige von ihnen wiesen Kopfschüsse auf und waren an den Händen gefesselt. Zuvor hatten russische Truppen die Stadt wochenlang unter ihrer Kontrolle gehabt, bevor sie sich um den 30. März herum zurückzogen.

Als Reaktion auf die Gräueltaten in Butscha haben die USA heute neue Wirtschaftssanktionen angekündigt. Betroffen davon sind einerseits die russischen Banken Sberbank und Alfa-Bank, andererseits Personen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin selbst steht schon seit Längerem auf den Sanktionslisten der USA und der Europäischen Union.

Auf der Liste stehen laut einem Sprecher des Weißen Hauses Putins Töchter Maria Worontsowa und Katerina Tichonowa, außerdem die Ehefrau und Tochter des Außenministers Sergei Lawrow, der Premierminister Michail Mischustin sowie Dmitrij Medwedew, der Vorsitzende der Partei „Einiges Russland“.

Konkret sollen deren in den USA deponierte Vermögen eingefroren werden und Einreiseverbote verhängt werden.

Die Europäische Union will es den USA gleichtun und Putins Töchter ebenfalls mit Einreiseverboten und dem Einfrieren von Vermögen sanktionieren.

Die Katholische Kirche positionierte sich heute auf ihre Weise zu dem Massaker in Butscha. Papst Franziskus verurteilte die Gräueltaten in der Ukraine bei seiner Generalaudienz und küsste eine ukrainische Flagge, die aus Butscha stammen soll. Die Welt werde gerade Zeugin der Unfähigkeit der Vereinten Nationen, so das Oberhaupt der Katholischen Kirche.

Weitere Ermittlungen wegen pro-russischer Kriegssymbolik in Sachsen

Die russische (Kriegs)Propaganda wirkt auch in Sachsen. Nachdem im Raum Leipzig in den vergangenen Tagen an verschiedenen Orten der Buchstabe „Z“ auf Fahrbahnen gesprüht wurde, tauchte dieselbe Symbolik nebst einer Russlandflagge nun an einem Werkstatttor im Klingenberger Ortsteil Röthenbach (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) auf.

Die Polizei ermittelt wie bereits nach den Vorfällen in Delitzsch (Landkreis Nordsachsen) und Lossatal im (Landkreis Leipzig) wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten.

Das lateinische „Z“ – ein Buchstabe, der im kyrillischen Alphabet nicht vorkommt, – ist in Russland Kennzeichen des Militärs und seit dem Angriff auf die Ukraine zu einem Symbol der Unterstützung des russischen Angriffs auf die Ukraine geworden. Es taucht nicht nur auf russischen Militärfahrzeugen auf, sondern auch in den Sozialen Netzwerken und an Wohnungstüren.

Ein Trend aus dem Jahr 2020 kehrt zurück

Was der russische Angriffskrieg in Deutschland außerdem bewirkt: leere Regale. In den deutschen Supermärkten wird seit einigen Wochen wieder munter gehamstert, besonders Bratöl, Nudeln und Klopapier stehen hoch im Kurs. Verteilt über die gesamte Bundesrepublik scheint dieser Trend, den die meisten aus dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 kennen dürften, derzeit wieder aufzuleben.

Einige Discounter, darunter Aldi und Lidl, rationieren als Reaktion auf die Hamsterkäufe ihre Waren, sodass man beispielsweise pro Einkauf nur noch eine bestimmte Anzahl eines Produkts mit nach Hause nehmen darf.

Aktivist/-innen protestieren vor deutscher Botschaft in Vilnius

Nicht nur führende europäische Politiker fordern knapp sechs Wochen nach Kriegsbeginn von der Bundesregierung, tatkräftiger gegen Putin vorzugehen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Auch Aktivist/-innen unterstrichen heute die Verantwortung Deutschlands als größte Wirtschaftsnation und politische Führungskraft der EU.

Vor der deutschen Botschaft in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, forderten heute mehr als fünfzig Personen die Bundesregierung auf, den Import von russischem Gas einzustellen. Ihre Protestform: eine Performance, bei der sie sich auf den Boden legten und tot stellten. Die Aktion soll an die hunderten Leichen von Zivilist/-innen erinnern, die vergangene Woche im ukrainischen Butscha gefunden wurden und höchstwahrscheinlich von russischen Truppen ermordet wurden.

Die Aktivist/-innen gaben somit der Bundesregierung eine Teilschuld am Massaker in Butscha und am Krieg in der Ukraine.

Die Bundesrepublik importiert mit Abstand am meisten Erdöl und Erdgas aus Russland. Im Jahr 2020 kaufte Deutschland 28 Millionen Tonnen russisches Rohöl und 56 Milliarden Kubikmeter russisches Gas. Laut einer Recherche des Journalist/-innen-Netzwerks „Investigate Europe“ ist Deutschland nach Frankreich außerdem der zweitgrößte Waffenlieferant Russlands. Russland und Deutschland sind seit Jahren sehr enge und stark voneinander abhängige Handelspartner.

Staatsschutz ermittelt gegen zwei Männer aus dem Vogtlandkreis

Worüber die LZ heute berichtet hat: über die bundesweite Razzia gegen Neonazi-Strukturen im Kontext des Prozesses gegen Lina E., über einen Freibeuter-Antrag im Leipziger Stadtrat zum Thema bezahlbarer Wohnraum und über die Folgen der Corona-Pandemie für Sachsens Krankenhäuser im Jahr 2021.

Was heute außerdem wichtig war: Das Landeskriminalamt ermittelt gegen zwei junge Männer aus Reichenbach im Vogtland wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen sowie Volksverhetzung. Die beiden 22-Jährigen sollen in einer WhatsApp-Gruppe Bilder geteilt haben, die von den Behörden als volksverhetzend eingestuft werden. Am gestrigen Dienstag durchsuchten Polizeikräfte die jeweiligen Wohnungen der Männer in Reichenbach. Konkrete Angaben zur Ideologie der Männer machte die Polizei in ihrem Bericht nicht.

Was morgen passieren wird: Im Bundestag findet am morgigen Donnerstag die vorerst letzte Debatte inklusive Abstimmung zur allgemeinen Impfpflicht statt. Die morgige Sitzung dürfte spannend werden, da der Ausgang der Debatte als offen gilt. Es liegen drei Gesetzesentwürfe zur Impfpflicht und zwei Gegenanträge vor.

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