Während die Berichte und Gerüchte um die Absage der Buchmesse sich heute in Leipzig bewahrheiteten, durchsuchten Polizeikräfte im Rahmen einer Razzia mehr als ein Dutzend Wohnungen in Chemnitz, im Landkreis Mittelsachsen und im Erzgebirgskreis. Sie beschlagnahmten dabei zahlreiche mutmaßlich gefälschte Pandemie-Dokumente wie Impfausweise und Genesenen-Nachweise. Außerdem verleiht die sächsische Landespressekonferenz ihren Negativpreis „Tonstörung“ diesmal an die sächsische Regierung. Und das Grünen-Abgeordnetenbüro in Torgau wurde erneut Ziel eines Angriffs. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 9. Februar 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus passiert ist.

Buchmesse zum dritten Mal abgesagt

Für viele Leipziger/-innen wohl eine der wichtigsten Nachrichten des Tages: Die Leipziger Buchmesse wird in diesem Jahr erneut nicht stattfinden. Berichte und Gerüchte über das Nicht-Stattfinden der wichtigsten und größten Leipziger Messe gab es bereits seit Anfang der Woche, heute bestätigte die Buchmesse-Leitung um Direktor Oliver Zille die Absage der Buchmesse 2022. Auch die Begleitfestivals „Leipzig liest“, die „Manga-Comic-Con“ und die Antiquariatsmesse werden nicht stattfinden.

Somit fällt die zweitgrößte Buchmesse Deutschlands das dritte Mal in Folge aus. Die Veranstalter/-innen begründen die Absage mit den Rückziehern von mehreren großen Verlagen in den vergangenen Tagen. Dieser Umstand würde die Attraktivität und Qualität der Traditionsmesse erheblich senken, so die Messeleitung. Die nächste Leipziger Buchmesse soll nun vom 23 bis 26. März 2023 stattfinden.

Hintergründe zur Absage der Buchmesse sind in den heute auf l-iz.de erschienenen Artikeln „Die Buchmesse 2022 ist abgesagt“ und „Buchmesse 2022: Nach der Absage mehr Ehrlichkeit“ von Michael Freitag zu lesen.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) äußerte in einer Pressemitteilung heute Bedauern über die erneute Absage. Dass die Buchmesse erneut nicht stattfinde, schmerze ihn persönlich. „Gerade in dieser schnelllebigen Zeit mit häufig hitzig geführten Debatten brauchen wir Veranstaltungen wie die Buchmesse als Orte der Begegnung, des Nachdenkens und des sachlichen Miteinanders“, so Dulig.

Die erheblich erschwerte Planbarkeit und personelle Engpässe bei den Aussteller/-innen sind laut Dulig die Gründe für die abgesagte Messe. Die Durchführung von Messen und Kongressen ist in Sachsen aktuell grundsätzlich erlaubt.

Auch die Stadt Leipzig veröffentlichte einen Beitrag mit der Überschrift „Bedauern über Buchmesse-Absage“ auf ihrer Website. Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke zeigte sich ebenfalls traurig über die wiederholte Absage. „Die Buchstadt Leipzig muss bereits im dritten Jahr in Folge einen herben Verlust hinnehmen. Die Absage der Leipziger Buchmesse schmerzt mich zutiefst“, sagt die Linken-Politikerin. Wie Dulig betont sie die Bedeutung der Buchmesse als „Ort der Öffentlichkeit, der Debatte und des Austauschs“, der gerade in Zeiten der „Überlagerung gesellschaftlicher Konflikte“ dringend gebraucht würde.

Und auch Oberbürgermeister Jung fand auf der heutigen Ratsversammlung bedauernde Worte: „Das hat uns sehr getroffen. Wir alle haben uns gefreut auf die Buchmesse. Sie ist viel viel mehr als nur eine Messe für die Messe, sondern auch von übergeordneter Bedeutung für die ganze Stadt, auch volkswirtschaftlich. Sie ist eine wesentliche Plattform für den politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Es tut wirklich sehr weh, dass wir heute absagen mussten.“

Als die Leipziger Buchmesse noch stattfand, zog sie zuletzt jährlich etwa 280.000 Besucher/-innen aus aller Welt an.

Kritik an Krisenkommunikation der sächsischen Regierung: Kretschmer und Co. erhalten Negativpreis der Landespressekonferenz

Die sächsische Landespressekonferenz (LPK) vergibt ihren Negativpreis „Tonstörung“ in diesem Jahr an die Regierung des Freistaates Sachsen. Die Auswahl wurde von einer Jury getroffen, die von den Mitgliedern der LPK gewählt wurde. Wie bei solch einem Preis zu erwarten ist, kommt die sächsische Regierung um Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei der Begründung der Entscheidung nicht wirklich gut weg.

Die Jury kritisiert ganz grundlegend die Informationspolitik der sächsischen Regierung seit Beginn der Coronakrise. Als ein Problem nennt die Jury, dass Regierungsvertreter/-innen bei der Vorstellung neuer Corona-Verordnungen regelmäßig fehlerhaft kommunizierten. Einzelne Kabinettsmitglieder hätten sich teilweise widersprochen. Die durch solche Aussagen gestiftete Irritation wurde laut der LPK-Jury durch falsche Darstellungen in Pressemitteilungen und das mitunter sehr späte Vorlegen von Verordnungstexten verstärkt.

Als zweiten großen Kritikpunkt nennt die Jury, dass viele sächsische Minister/-innen über lange Zeiträume hinweg nicht an Pressekonferenzen teilnahmen, „obwohl ihre Häuser elementar von den teils scharfen Einschnitten betroffen waren“. Ministerpräsident Michael Kretschmer, Sozialministerin Petra Köpping und Kultusminister Christian Piwarz nimmt die LPK explizit von ihrer Kritik aus.

Neben der weitaus bekannteren Bundespressekonferenz existieren in jedem deutschen Bundesland Landespressekonferenzen, die oft als Verein organisiert sind – wie auch in Sachsen. Diese Institutionen sind im europaweiten Vergleich einzigartig. Sie ermöglichen den Informationsaustausch zwischen Politik und Journalist/-innen durch regelmäßig angesetzte Pressekonferenzen, zu denen – und das ist die Besonderheit – nicht die Politiker/-innen einladen, wenn sie wollen, sondern die Medien, wenn sie es für nötig halten.

Erneut Abschiebeflug nach Tunesien vom Flughafen Leipzig/Halle

Das zweite Mal in diesem Jahr startete heute vom Flughafen Leipzig/Halle ein Sammelcharter, der Menschen von Sachsen nach Tunesien zurückbrachte. An Bord der heutigen Maschine waren neun Personen, deren Asylanträge abgelehnt worden waren. Laut der Landesdirektion Sachsen waren die zur Ausreise gezwungenen Personen zuletzt in den Landkreisen Zwickau und Bautzen sowie in mehreren Justizvollzugsanstalten und Abschiebungshafteinrichtungen untergebracht.

Bei sechs der neun abgeschobenen Menschen handelt es sich laut der Landesdirektion um verurteilte Straftäter. Neben den neun Personen aus Sachsen wurden weitere sechs aus anderen Bundesländern mit dem heutigen Flug abgeschoben.

Der letzte Sammelcharter dieser Art startete vor drei Wochen, am 19. Januar, in Richtung Tunesien.

Wiederholter Angriff auf Grünen-Parteibüro in Torgau

Durchforstet man die täglichen Polizeimeldungen, sind Sachbeschädigungen an Parteibüros fast Alltag in Sachsen. Da politische Motive dabei nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich sind, sind sie dennoch eine Erwähnung wert. Keine zwei Wochen ist es her (Nacht auf den 26. Januar), da warfen Unbekannte einen Stein gegen das Abgeordnetenbüro von Bündnis 90 / Die Grünen in Torgau. Die Scheibe ging zu Bruch, die Polizei bezifferte den Sachschaden damals auf einen mittleren dreistelligen Betrag.

In der Nacht auf Dienstag (8. Februar) wurde das Grünen-Büro in Torgau erneut Ziel eines Angriffes. Wieder ging eine Scheibe zu Bruch, diesmal gibt die Polizei den Sachschaden mit 2.000 Euro an.

Claudia Maicher und Christin Melcher, die für die Grünen im sächsischen Landtag sitzen und das Abgeordnetenbüro nutzen, verurteilten bereits die erste Beschädigung ihres Büros Ende Januar auf ihrer Website und forderten eine konsequente Strafverfolgung.

„Wer Scheiben einschlägt und Politikerinnen oder Politiker und ihre Mitarbeitenden bedroht, entzieht sich dem wichtigen demokratischen Diskurs und ist nicht an Lösungen gesellschaftlicher Probleme interessiert“, schrieben die Politikerinnen vor knapp zwei Wochen. Gewalt und Bedrohung dürften in einer Demokratie nie Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Heute ergänzten sie ihren Beitrag mit einem Update zur neusten Beschädigung ihres Büros.

Impfausweis-Razzia in Sachsen

Worüber die LZ heute außerdem berichtet hat: Heute tagte der Leipziger Stadtrat. Beschlossen wurde unter anderem, dass es kostenfreie Menstruationsprodukte in den kommunalen Gebäuden geben wird. LZ-Berichte dazu folgen in Kürze.

Außerdem hat Ralf Julke über einen Grünen-Antrag zu sogenannten Schanigärten, über urheberrechtlich geschützte Pflastersteine auf dem Huygensplatz und über die Kritik der Grünen Fraktion im Stadtrat an der personellen Zusammensetzung der Leipziger Fluglärmkommission berichtet.

Was heute sonst noch wichtig war: Im Rahmen einer Razzia durchsuchte die Chemnitzer Kriminalpolizei heute insgesamt 17 Objekte in Chemnitz, im Landkreis Mittelsachsen und im Erzgebirgskreis.

Dabei beschlagnahmten die Beamt/-innen laut der polizeilichen Pressemitteilung 43 mutmaßlich gefälschte Impfausweise und Impfzertifikate, Genesenen-Bescheinigungen sowie Maskenbefreiungen und mehrere Laptops, Handys und andere Speichermedien. Außerdem nahmen die Polizeikräfte mehrere Blanco-Impfausweise, Bögen mit Impfchargenaufklebern, Stempel eines Impfzentrums sowie eines Arztes, einen Schlagring, einen Schlagstock und ein Fahrrad mit, das nach einem gemeldeten Diebstahl bereits gesucht wurde.

Der Durchsuchungsbeschluss kam von der Staatsanwaltschaft Chemnitz. Insgesamt 64 Beamt/-innen waren an der Razzia beteiligt. Laut Polizei wurde niemand festgenommen, doch es laufen nun Strafverfahren gegen 17 Beschuldigte. Im Raum stehen die Tatvorwürfe der Vorbereitung der Herstellung von unrichtigen Gesundheitszeugnissen sowie des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse in Verbindung mit Vergehen gegen das Infektionsschutzgesetz.

Was morgen wichtig wird: Die Buchmesse ist zwar abgesagt, doch nicht alle Großveranstaltungen fallen in diesen Wochen aus. Morgen wird die Berlinale eröffnet, eines der größten Filmfestivals Europas. Vom 10. bis 20. Februar werden in Berlin unter strengen Corona-Regeln insgesamt 256 Filme gezeigt.

Das Festival war 2020 eine der letzten Großveranstaltungen, die in Deutschland kurz vor dem ersten Corona-Lockdown stattfand. Im vergangenen Jahr wurden die Filmfestspiele pandemiebedingt auf ein digitales Event für Fachpublikum reduziert. Nun also die erste Pandemie-Berlinale in Präsenz. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90 / Die Grünen) sieht im diesjährigen Festival ein Signal an die Filmbranche, das Hoffnung geben soll.

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