„Die Ampel steht“: Mit diesem Satz präsentierten SPD, Grüne und FDP heute das 177-seitige Ergebnis ihrer erfolgreichen Koalitionsverhandlungen. Ganze sieben Ministerien gehen an die SPD, darunter das neu geschaffene für Bauen und Wohnen. Doch trotz der vielen Nachrichten über den Koalitionsvertrag ist die Coronakrise nicht vorbei, im Gegenteil, sie ist gerade in Sachsen voll in Fahrt. Das zeigte sich heute daran, dass der Freistaat erstmals die Verlegung von COVID-Patient/-innen in andere Bundesländer beantragte. Außerdem hob der Justizausschuss im Thüringer Landtag heute die Immunität Björn Höckes auf und in Dresden wurde ein Impfteam mit Pyrotechnik angegriffen. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 24. November 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Deutschland bekommt eine Ampel-Regierung

Eher als von vielen prognostiziert und in einigen Aspekten für Überraschungen gut: Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist da. Die Parteien stellten das 177-seitige Dokument am Mittwochnachmittag in Berlin vor. Somit ist sehr wahrscheinlich, dass die sogenannte Ampel-Koalition ab Dezember die Regierungsgeschäfte übernehmen wird. Erstmals in ihrer 72-jährigen Geschichte wird die Bundesrepublik Deutschland von dieser Dreierkonstellation regiert werden.

Grünen-Vorsitzender Robert Habeck bezeichnete die ausgehandelten Regierungsziele als „Dokument des Mutes“, Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sprach von einem „Paradigmenwechsel“. In den Äußerungen von FDP-Chef Lindner lag weniger Pathos, er kündigte eine „Regierung der Mitte“ an, die das Land nach vorn führen werde. Um einzelne Sätze habe man in den Verhandlungsrunden teilweise Stunden gerungen, berichtete Lindner heute.

SPD soll sieben von 17 Ministerien besetzen

Der Koalitionsvertrag regelt, welche Partei welches Ressort führen soll. Für viel Diskussionsstoff sorgte heute, dass einer der Schlüsselbereiche für die Erreichung der Klimaziele, das Verkehrsministerium, an die FDP geht. Verkehrsminister soll Volker Wissing werden, Generalsekretär der FDP.

Außerdem sollen die Bereiche Finanzen (Christian Lindner), Justiz (Marco Buschmann) und Wissenschaft (Bettina Stark-Watzinger) FDP-geführt werden. Die FDP ist bisher die einzige der drei Ampel-Parteien, die ihre konkreten Personalzuteilungen veröffentlicht hat.

Die Grünen sollen jeweils die Person stellen, die das Wirtschafts-, Familien-, Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium führen wird. Zudem soll die zukünftige Leiterin bzw. der zukünftige Leiter des Auswärtigen Amtes grün sein.

Die SPD wird voraussichtlich die meisten Ministerien besetzen. Laut Koalitionsvertrag sollen die Ministerien für Inneres, Gesundheit, Verteidigung, Arbeit und Soziales, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das neu eingerichtete Ministerium für Bauen und Wohnen SPD-geführt werden.

Zudem sollen das Staatsministerium für Migration, Flüchtlinge und Integration und das Staatsministerium für die neuen Bundesländer von der SPD besetzt werden.

Was plant die Ampel?

Doch was konkret wollen SPD, Grüne und FDP in den kommenden vier Jahren umsetzen? „Mehr Fortschritt wagen“ ist die Überschrift des Kompromisspapiers, das die wesentlichen Ziele der Bundesregierung für die kommenden vier Jahre enthält. Viele Pläne wären nach ihrer Umsetzung die Verwirklichung dessen, was progressive Kreise seit Jahren fordern: Die Ampel will Cannabis legalisieren, den Paragrafen 219a abschaffen und eine Kindergrundsicherung schaffen.

Auch deutet die Ampel im Koalitionsvertrag eine Polizeistudie an. Von der Förderung unabhängiger, wissenschaftlicher Studien ist die Rede, um gruppenbezogener Diskriminierung in Staatsinstitutionen entgegenzutreten. Progressive Töne werden auch im Familienrecht angestimmt, die eingetragene Partnerschaft und die Ehe sollen nicht mehr die einzigen rechtlichen Institutionen sein, in der volljährige Personen rechtlich füreinander Verantwortung übernehmen können.

Zudem sollen beide Frauen einer homosexuellen Ehe automatisch als rechtliche Mütter des Kindes eingetragen werden, das von einer Frau in die Ehe geboren wird. Weiterhin soll das zentrale SPD-Wahlversprechen eingelöst werden, eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde.

Im Koalitionsvertrag ist außerdem die Rede davon, einen Erinnerungsort und ein „Dokumentationszentrum“ für die Opfer des NSU zu errichten.

Koalitionsvertrag je nach Sichtweise „linkes Projekt“ oder „Neoliberalismus pur“

Kritik am Koalitionsvertrag kommt aus verschiedenen Ecken. Der Bundesvorstand von Fridays For Future deklarierte die Ampel-Pläne als unzureichend für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen. Die zukünftige Regierung habe die Klimaziele bereits vor Aufnahme ihrer Geschäfte verfehlt.

Die AfD nennt die Ziele der kommenden Ampel-Regierung ein „linkes Projekt“, das Deutschland zu einem „Migrationsmagneten und sozialistischen Gouvernantenstaat“ mache. Von der zukünftigen Oppositionsfraktion der Union kommt die Kritik, der Koalitionsvertrag habe falsch gesetzte Schwerpunkte und es mangele ihm an Erläuterungen darüber, wie die Pläne finanziert werden sollen.

Für Marco Böhme, Landtagsabgeordneter der sächsischen Linken, ist der Koalitionsvertrag „Neoliberalismus pur“. Er verweist auf die Bereiche Mieten, Kündigungsschutz, Arbeitszeitgesetz, Klimaschutz, Mobilität, Gesundheit, Armutsbekämpfung und Gerechtigkeit, bei der die Ampel schon jetzt versagt habe. „Wie kann man diesen Koalitionsvertrag nur #mehrfortschrittwagen nennen?“, fragte Böhme heute auf Twitter.

Im Koalitionsvertrag steht unter anderem, dass im Bereich Asylpolitik eine „Rückführungsoffensive“ gestartet werden soll, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, „insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern“. Die Ampel möchte außerdem, dass die Bundeswehr zukünftig mit bewaffneten Drohnen ausgestattet wird.

Der Koalitionsvertrag ist in ganzer Länge unter anderem bei „Frag den Staat“ hier nachzulesen.

Ära Merkel endet offiziell am 8. Dezember 2021

In den kommenden zwei Wochen müssen die Delegierten von SPD und FDP dem Koalitionsvertrag auf ihren jeweiligen Parteitagen zustimmen, bei den Grünen soll der Vertrag durch eine Mitgliederbefragung gebilligt werden.

Am 8. Dezember soll der Bundestag den bisherigen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dann zum Bundeskanzler wählen. Sollte es tatsächlich so kommen, wird die Regierungsbildung 73 Tage gedauert haben, was man im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 als kurz bezeichnen kann.

Mobiles Impfteam mit Feuerwerkskörper attackiert

Obwohl der heute veröffentlichte Koalitionsvertrag das Corona-Thema ein wenig in den Hintergrund drängte, gibt es auch diesbezüglich Neuigkeiten. Die Schlangen vor den verschiedenen mobilen Impfteams und Testzentren werden nicht kürzer. Schnelltests sind im Leipziger Einzelhandel aktuell quasi nicht zu bekommen.

„Mit viel Glück greifen Sie einen ab, schauen Sie einfach immer vorbei, wann immer Sie an uns vorbeigehen“, riet heute die Mitarbeiterin eines Drogerieladens in der Innenstadt.

In Dresden musste eine Impfaktion heute abgebrochen werden, weil eine unbekannte Person das medizinische Personal mit Pyrotechnik beworfen hat. Der Vorfall ereignete sich im Stadtteil Prohlis, genauer im Prohliser Bürgersaal. Verletzt wurde laut Polizei niemand.

Die angesichts der langen Schlangen dringend notwendigen Impfzentren sind immer noch nicht flächendeckend einsatzbereit, doch langsam, aber sicher wird das Impfangebot größer. Seit heute impft das Klinikum Sankt Georg am Standort Eutritzsch ohne Voranmeldung gegen Corona, Montag bis Freitag von jeweils 13 bis 17 Uhr.

Durchgeführt werden Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen mit Biontech.

Sachsen beantragt Verlegung von COVID-Patient/-innen

Die Impfungen, die in diesen Tagen verabreicht werden, können die aktuell wütende vierte Corona-Welle leider nicht mehr abflachen. Sachsen beantragte heute die Verlegung von 20 COVID-Intensivpatient/-innen in andere Bundesländer, da die Kapazitäten in einigen Kliniken erschöpft sind. Vermutlich wird es sich dabei um Patient/-innen handeln, die im Raum Chemnitz wegen einer COVID-19-Erkrankung auf der Intensivstation liegen.

Höcke verliert Immunität im Thüringer Landtag

Der Fraktionschef der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, hat heute seine Abgeordneten-Immunität verloren. Beantragt wurde die Aufhebung durch die Staatsanwaltschaft Halle. Grund für den Antrag war eine Aussage Höckes im Rahmen des Landtagswahlkampfes in Sachsen-Anhalt im Mai. Bei einem Auftritt in Merseburg soll Höcke die SA-Parole „Alles für Deutschland“ von sich gegeben haben.

Die Verwendung dieser Formulierung auf einer Versammlung ist strafbar. Der Chef der Grünen in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, stellte deshalb Strafanzeige gegen Höcke wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Heute hob der Justizausschuss des Thüringer Landtags dann Höckes Immunität auf. Folglich kann gegen den Rechtsextremisten Höcke nun polizeilich ermittelt werden.

Seit heute 3G in Bus, Bahn und am Arbeitsplatz

Worüber die LZ heute berichtet hat: über das weitere Vorgehen der Stadt bezüglich der Klingerbrücke im Leipziger Westen, die bis zum Neubau 2028 noch durchhalten muss, über die Stellungnahme der Sächsischen Staatskanzlei zur Ordensvergabe an Theo Müller, über die Sicherheit von ÖPNV in der vierten Corona-Welle und darüber, dass sämtliche Verfahren gegen Demonstrant/-innen vom 29. November 2020 in Leipzig eingestellt wurden

Was heute sonst noch wichtig war: Seit heute gilt in Deutschland die 3G-Regelung im Nah- und Fernverkehr. Rechtliche Grundlage ist die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die vergangene Woche vom Bundestag beschlossen und vom Bundesrat bewilligt wurde. Die Regelung greift nicht nur im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, sondern auch bei privaten Reiseanbietern. Ausnahmen gibt es für Taxis und Schulbusse.

Die Anbieter selbst müssen laut Gesetz stichprobenhaft kontrollieren, ob nur Geimpfte, Genesene oder Getestete in ihre Busse und Bahnen einsteigen. Auf der Website der Deutschen Bahn und auf den Anzeigetafeln der Leipziger Verkehrsbetriebe wird seit heute prominent auf die neue 3G-Regel hingewiesen.

Seit heute gelten außerdem weitere neue Corona-Maßnahmen, wie beispielsweise 3G am Arbeitsplatz. Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes gilt vorerst bis einschließlich 19. März, kann aber bis zu drei Monate verlängert werden.

Was morgen wichtig wird: Im Rahmen des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen beleuchten und beflaggen morgen 24 Einrichtungen in Leipzig ihre Gebäude in der Farbe Orange. Damit soll ein Zeichen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen gesetzt werden. Schirmherr der Aktion ist Thomas Fabian (SPD), Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule.

Beispielsweise die Moritzbastei, die Agentur für Arbeit, das Wintergartenhochhaus und das Klinikum Sankt Georg werden morgen ab 17 Uhr getreu dem Motto „Orange your City“ orange angestrahlt werden. Leipzig beteiligte sich erstmals 2020 an der Aktion, damals noch mit deutlich weniger Beteiligten.

Im Kaufhaus Breuninger am Markt, das ebenfalls orange erleuchten soll, soll es zudem einen Informationsstand zum Thema Gewalt gegen Frauen geben. Ein Drittel aller Mord- und Totschlag-Fälle in Sachsen ereignen sich im sogenannten sozialen Nahfeld. Fast 80 Prozent der Opfer sind weiblich.

„Alle, auch Privathaushalte, sind eingeladen, sich zu beteiligen und beispielsweise ihre Fenster orange zu dekorieren“, schreibt die Stadt Leipzig auf ihrer Website.

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