Das erste Advents-Wochenende neigt sich dem Ende entgegen – und es steht leider nach wie vor im Zeichen der Pandemie und aktuell der neuen Virusmutation, die nun auch in Bayern nachgewiesen wurde. Über die potenzielle Gefährlichkeit der Variante herrscht noch viel Unklarheit. In Leipzig wurde am Samstag für schärfere Corona-Maßnahmen demonstriert und Sachsens Regierungschef hat die Demos im Erzgebirge von Corona-Skeptikern und -Leugnern scharf kritisiert. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 27. und 28. November 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Omikron in Deutschland: Viele Fragen sind noch ungeklärt
Es war nur eine Frage der Zeit: Die ersten zwei Fälle der neuartigen Omikron-Variante des Coronavirus sind in Bayern nachgewiesen. Der Erreger wurde durch zwei Personen mitgebracht, die vor vier Tagen aus Südafrika eingereist seien, bestätigte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (57, CSU). In Hessen gibt es dazu einen Verdachtsfall bei einem Reise-Rückkehrer, der sich derzeit in Isolation befindet. Ein endgültiger Befund wird morgen erwartet.
Die neue Mutation des Coronavirus verbreitete sich im November 2021 offenbar von Südafrika ausgehend und wurde durch die Weltgesundheitsorganisation WHO als besorgniserregend klassifiziert. Expertinnen und Experten bereitet sie Sorgen, weil die Struktur des Virus deutlich mehr Mutationen aufweist als die bisher bekannten Varianten. Daher besteht die Furcht vor einer leichteren Übertragbarkeit und eventuell auch stärkeren Resistenz gegen die bisher verabreichten Impfstoffe.
Allerdings: Viele Fragen dazu sind bisher noch unklar und eine fundierte Prognose, wie stark Omikron (nach dem 15. Buchstaben des griechischen Alphabets, wissenschaftlicher Name: B.1.1.529) den Pandemie-Verlauf beeinflussen wird, lässt sich noch nicht treffen.
Es wäre wirklich ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, wenn Omicron leichter verliefe. Bei so vielen Mutationen wäre es aber denkbar. Aber Vorsicht: was dagegen spricht: in SA sind nur 6% Ü65 alt. Deutschland ältestes Land Europa mit vielen chronisch Kranken https://t.co/EewQlbLb3N
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) November 28, 2021
Vorsichtigen Optimismus nähren immerhin Beobachtungen aus Südafrika: Die dort beobachteten Patientinnen und Patienten weisen bislang eher milde und nicht lebensbedrohliche Symptomatiken auf. Daraus weitreichende Schlüsse zu ziehen, wäre jedoch verfrüht, da es sich noch um Einzelfälle handelt.
Auf Twitter zeichnet übrigens ein satirischer Account namens Omicron a.k.a. B.1.1.529 den Weg des Virus durch das Land nach. Ob es den einen oder anderen Zweifler erreicht?
Grade in Trier auf dem Weihnachtsmarkt angekommen.
Wir sind mit seinen Freunden aus Köln gekommen.
Es war wieder sehr knapp. Mein Wirt hat sich erst gestern im Stadion angesteckt. Er selbst hat noch keine Symptome, aber ansteckend ist er schon nach einem Tag.
— Omicron (@realB11529) November 28, 2021
„Erlassen Sie eine Impfpflicht!“
In Leipzigs Innenstadt wurde am Samstag für eine Impfpflicht demonstriert. Eine ehemalige Krankenschwester, Initiatorin der Veranstaltung, erinnerte sich, wie 1983 – das Jahr, in dem sie ihre Qualifikation abgeschlossen hatte – 30 zum Teil Schwerstverletzte nach einem Busunfall im Zwenkauer Tagebau ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Damals war es ein chaotischer Katastrophentag – und Menschen starben, die es, wären sie einzeln in die Klinik gebracht worden, vielleicht geschafft hätten, erinnerte sie sich. Doch nun hätten wir eine Dauerkatastrophe seit mehr als eineinhalb Jahren. Das Krankenhauspersonal sei am Limit, niemand wisse, wann die Pandemie abflaut und die Infektionszahlen wirklich sinken.
Viel zu lange, so die Spitze an die Regierenden, sei ganz liberal vom „Impfangebot“ gesprochen worden – doch zeige sich, dass Locken, Argumentieren und Überzeugen nichts gebracht hätten.
Auch wenn sie einen neuen Lockdown aus voller Überzeugung mittragen werde, so die ehemalige Krankenschwester, rief sie Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (46, CDU) unmissverständlich auf: „Erlassen Sie eine Impfpflicht für Sachsen!“
Demonstration der Kampagne #ImpfPflichtFürAlle. Video: LZ
Kundgebungen im Erzgebirge: Kretschmer greift Demonstranten an
Der adressierte Politiker hat sich am Wochenende auch zu Wort gemeldet – und harsche Kritik an den hunderten Menschen geübt, die im Erzgebirge auf die Straßen gegangen waren. Trotz einer explodierenden 7-Tage-Inzidenz in der Region versammelten sich die Teilnehmenden in Chemnitz, Aue, Schneeberg, Zwönitz und weiteren Orten, um mit Kerzen und Plakaten gegen die mögliche Einführung einer Impfpflicht zu protestieren.
Zu den Aktionen war in sozialen Netzwerken mobilisiert worden, unter anderem durch die junge Partei „Freie Sachsen“, die vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird. Vor NS-Bezügen wird keineswegs zurückgeschreckt – etwa mit der Bezeichnung „CoStaPo“ für Behördenmitarbeiter, in Anlehnung an die berüchtigte Gestapo (Geheime Staatspolizei) unter dem Regime der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945.
Ministerpräsident Kretschmer dazu: „Es ist absolut schäbig, was wir an einigen Stellen in Sachsen an diesem Wochenende erlebt haben.“ So hätten Corona-Leugner teilweise die Zufahrt von Krankenhäusern blockiert, im erzgebirgischen Schneeberg sei sogar eine Impfaktion sabotiert worden, indem den wartenden Menschen fälschlich suggeriert worden sei, der Impfstoff sei alle.
Eine Corona-Erkrankung trifft keineswegs nur ältere oder vorerkrankte Menschen. Den besten Schutz vor Erkrankung & schwerem Krankheitsverlauf bietet die Schutzimpfung. (SK) #CoronaSN #ÄrmelHoch https://t.co/q5NtK1mSEe
— Michael Kretschmer (@MPKretschmer) November 28, 2021
Übrigens: Im Erzgebirgskreis liegt die 7-Tage-Inzidenz von Infektionen mit COVID-19 am Sonntag inzwischen über der 2.000er-Marke (2.021,9). Bei der bundesweiten Impfkampagne ist der Freistaat weiterhin Schlusslicht mit nur 58 % Zweitgeimpften – so wenig wie sonst nirgends in der ganzen Republik.
Nichtsdestotrotz gehen die Impfungen im Freistaat weiter. In der letzten Zeit hatten sich mitunter lange Schlangen bei den mobilen Impfteams gebildet und nicht jeder konnte eine Spritze bekommen, weil die Tageskapazitäten dem Ansturm nicht gerecht wurden. In Leipzig fand Samstag und Sonntag eine Aktion am Klinikum St. Georg statt, jeweils 150 Menschen konnten immunisiert werden.
Gewaltschutz, Schnäppchen-Wahn, Impfkapazität in Leipzig
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Über das Gewaltschutz-Hilfesystem für Frauen und Kinder, eine frustrierte Fluglärminitiative, eine verlorene Kirche und einen Albanien-Urlauber, der die Tretmühle der Leistungsgesellschaft verlässt.
Außerdem: Den Schnäppchen-Wahnsinn und die Reaktion von Extinction Rebellion Leipzig, den dringend nötigen Ausbau der Leipziger Impfkapazitäten und eine virtuelle Reise nach Grimma.
Und nicht zuletzt die Aktivität des Leipziger Energieeffizienz-Netzwerks und mediterrane Kräuter. Vielleicht in Zeiten von Pandemie und Kontaktbeschränkung auch ein geeignetes Hobby?
Verhaltene Zustimmung der Grünen Jugend zur Ampel, neuer Ministerpräsident in Tschechien, Streik bei Amazon
Was am Wochenende sonst noch wichtig war: Das neue Regierungsbündnis im Bund mit dem wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen steht in den Startlöchern. Trotz einiger Kritik hat die Nachwuchsorganisation Grüne Jugend die Zustimmung zum Koalitionsvertrag empfohlen.
Unsere Nachbarn in Tschechien bekommen mit dem liberalkonservativen Petr Fiala (57) einen neuen Regierungschef.
Was morgen wichtig wird: Unter dem Motto „Arbeitskampf statt Rabattschlacht“geht der Streik bei Amazon weiter. Bereits am Freitag und Samstag hatten sich etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Versand-Riesen an der Arbeitsniederlegung in Leipzig beteiligt. Sie kritisieren eine Steuervermeidung, fehlende Tariflöhne und eine gewerkschaftsfeindliche Haltung ihres Arbeitgebers.
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Es gibt 3 Kommentare
@Bernd, im Text steht ja, wer die Demo initiiert hat. Und der Vergleich mit dem Busunfall ist eben die persönliche Erfahrung dieser Frau, die sie mit überforderten Rettungsmöglichkeiten gemacht hat. Der Vergleich passt, denn wo keine Kapazitäten frei sind kann nicht geholfen werden.
Das Plakat müssten Sie kennen, wenn Sie Leser dieser Zeitung sind, das waren Teilnehmer der Partei Die Partei, die mit diesem Plakat auf die Widersprüche in der Querdenkerszene aufmerksam machen. Sie finden ein Video zu der Aktion oben in der Mediathek.
Im übrigen werden die Teilnehmer bestimmt erleichtert sein, dass Sie ihnen Seriösität zugestehen. Wie gut dass sie noch dran gedacht haben das Baby mitzunehmen.
Womit wir bei Ihren Erwartungen wären: Das “Blättchen” hat diesen Bericht in einem Wochenendrückblick veröffentlicht, das bedeutet, es werden Nachrichten und Vorfälle für diese beiden Tage zusammengefasst. Wenn Sie gern ausführlichere Artikel lesen wollen, steht Ihnen dafür das komplette Archiv zur Verfügung, kostenfrei und jederzeit abrufbar. Trotz dieser Abwertung.
Also wirklich, etwas mehr Recherche hätte ich mir von einem Leser ja schon gewünscht. ;0)
Hallo Bernd,
danke für Ihren Kommentar.
Ein Vergleich ist allerdings nicht zwingend eine Gleichsetzung – und auch, was hinter dem Plakat steckt, sollte nicht allzuschwer zu erkennen sein. Nur Mut, Sie schaffen das! (Und vielleicht nicht ganz so wild anhand von Bildern über Personen spekulieren).
Beste Grüße aus der Redaktion,
Lucas Böhme
Na wer steckt denn nun hinter dieser ominösen Demo “Impfpflicht für alle” in Leipzig ?
Die abgebildeten TeilnehmerInnen sehen ja teilweise seriös aus (Frau mit Baby u.a.). Teilweise Nazis? (Plakat in Fraktur geschrieben) oder Parodie ?
Etwas Recherche hätte ich mir von Eurem Blättchen schon gewünscht- oder gilt auch hier frei nach der Berichterstattung von Bergamo in letzten Frühjahr 20: Lasst Bilder sprechen ???
Der Vergleich zwischen einem Busunfall und einer Epidemie ist doch schon strange, odda?