Schwerer Vorwurf gegen das bekannte Leipziger Hotel Westin: Der Rockmusiker Gil Ofarim machte einen antisemitischen Vorfall öffentlich, bei dem ihm wegen seiner Kette mit Davidstern das Einchecken durch einen Mitarbeiter verwehrt worden sei. Dies sorgt inzwischen für Schlagzeilen weit über Leipzig und Sachsen hinaus. Außerdem: Mit wenig erbaulichem Inhalt wurde der sächsische Verfassungsschutzbericht 2020 vorgestellt und in Berlin gehen die Vorsondierungen zwischen Union und Grünen für eine Regierung im Bund weiter. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 5. Oktober 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Musiker schildert antisemitischen Vorfall

„Packen Sie Ihren Stern wieder ein!“ – mit diesen Worten zitiert der deutsche Rockmusiker Gil Ofarim, sichtlich schockiert und aufgewühlt, in einem rund zweiminütigen Videoclip auf seinem Instagram-Konto den Mitarbeiter des Leipziger Hotels Westin, den er nur als „Herr W.“ bezeichnet. Dieser habe offenbar auf seine Halskette mit dem Davidstern-Symbol angespielt. Erst wenn er dieses „eingepackt“ habe, dürfe er einchecken.

https://www.instagram.com/tv/CUoo0mmDTIC/?utm_medium=share_sheet

Dem Vorfall soll die Aufforderung einer zweiten Person vorausgegangen sein, die ebenfalls lautete, „den Stern einzupacken“, so der 39-jährige Künstler in der Videosequenz, die direkt am Eingangsbereich des bekannten Hotels aufgenommen und Dienstagmorgen veröffentlicht wurde.

Hotelkette reagiert – Kundgebung gegen Antisemitismus am Abend

Das Geschehene geht mittlerweile viral in den sozialen Netzwerken, allein auf Twitter wurde eine Kopie des Videoclips tausendfach geteilt. Zahlreiche Userinnen und User, Mitglieder der Zivilgesellschaft, Politikerinnen und Politiker bis hin zur sächsischen Regierungsbank und zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden und künftigen Bundestagsabgeordneten Kevin Kühnert (32) äußerten sich empört und forderten Aufklärung.

Das Management Gil Ofarims bat auf LZ-Nachfrage um Verständnis, dass sich der 39-Jährige, der den Vorfall noch immer verarbeiten müsse, derzeit nicht persönlich äußern oder Nachfragen beantworten will.

Das Hotel selbst, das Teil US-amerikanischen Kette „Starwood Hotels and Resorts“ ist, hat auf eine konkrete LZ-Anfrage bislang nicht reagiert. Auf Twitter hat sich das Unternehmen jedoch am Nachmittag zu Wort gemeldet, man sei erschüttert und wolle das Gespräch mit Ofarim suchen.

Vor Ort traten offenbar auf Weisung der Geschäftsleitung Mitarbeiterinnen vor die Hoteltür und hatten irritierenderweise neben israelischen Flaggen auch türkische dabei. Mit den „Demonstranten“ zu sprechen erwies sich als schwierig bis unmöglich, reden wollten oder durften sie nicht. Das Unternehmen selbst schaltete zwischenzeitlich seine Facebookseite ab, da die Reaktionen auf ein erstes Statement dort deutlich und massenhaft ausfielen.

Unterdessen wurde der Fall zur Prüfung an die Leipziger Staatsanwaltschaft übergeben. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ rief am Nachmittag zu einer spontanen Kundgebung für 19 Uhr auf, die LZ war mit einen Livestream vor Ort (der Mitschnitt als Video).

Eine Zusammenfassung der LZ, was derzeit bekannt ist und Updates gibt es hier.

Verfassungsschutzbericht 2020 konstatiert Zulauf für Rechtsextreme in Sachsen

Es erscheint wie eine bittere Ironie, dass am Dienstag auch der sächsische Verfassungsschutzbericht 2020 vorgestellt wurde – und ein zentraler Befund der frei zugänglichen Untersuchung lautet, dass sich das rechtsextreme „Personenpotenzial“ Sachsens von geschätzt 3.400 (2019) auf 4.800 (2020) erhöht habe.

Der signifikante Anstieg sei vor allem auf die hohe Zahl von Anhängern des „Flügels“ der AfD zurückzuführen – eine offiziell aufgelöste Strömung innerhalb der AfD mit völkisch-nationalistischem Tenor um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke (49), die de facto noch immer große Anziehungskraft auf rechtsextreme Kräfte ausübt.

Zwar ist die geschätzte Menge „gewaltorientierter“ Rechtsextremisten 2020 rückläufig, so der Bericht. Dies sei zum Teil aber auch den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geschuldet, da es weniger Großversammlungen gab, die regelmäßig zum Schauplatz von Straftaten werden, heißt es weiter.

Verfassungsschutz: Anstieg auch bei Islamisten und Linksextremen

Zudem sei eine „Entstrukturisierung“ der rechten Szene zu beobachten: Die Bindung an alte Organisationen und Parteien wird demnach schwächer, viel Potenzial verlagert sich in kleinere Zirkel und geschlossene Chatgruppen mit Revolutionsphantasien und Diktatur-Gerede.

Daneben habe sich auch das personelle Reservoir der islamistischen Szene Sachsens leicht erhöht, ebenso das des linksextremen Milieus. Hier wurde Leipzig als Zentrum ausgemacht. Verfassungsschutz-Präsident Dirk-Martin Christian zeigte sich besorgt, dass sich die Zahl der dem linken Spektrum zugeschriebenen Gewaltdelikte verdreifacht habe.

Sondierungen für Koalition: Grüne zurückhaltend, Union offen

Wie geht es nach dem Ende der Ära Merkel für Deutschland weiter? Kommt die Ampelkoalition SPD-FDP-Grüne oder doch das Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen?

Trotz ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl am 26. September und dem Stimmenvorsprung der SPD wollen CDU und CSU nicht von der Macht lassen. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (60) sowie CSU-Vorsitzender Markus Söder (54) trafen sich am Dienstag zu Vorsondierungen mit der grünen Parteispitze in Berlin.

Die grünen Parteichefs Annalena Baerbock (40) und Robert Habeck (52) äußerten sich in einer anschließenden Pressekonferenz eher zurückhaltend. Die Gespräche seien konstruktiv und sachlich verlaufen. Jedoch liege man in einigen Bereichen weit auseinander.

Die Union gab sich offener für eine Allianz mit den Grünen. Diese habe das Potenzial, eine gesellschaftliche Breite zu repräsentieren und das Land in den kommenden Jahren modernisieren zu können.

Grüne und FDP werfen Union Indiskretion vor

Klar ist allerdings: Kompromisse und Abstriche in einer Koalition werden für alle Seiten unabdingbar sein. Der Bedeutungsgewinn von Grünen und Liberalen als „Koalitionsmacher“ stellt auch eine Last dar, weil beide Parteien am Ende Farbe bekennen müssen, ohne das Gesicht zu verlieren.

Misstöne gibt es schon jetzt, weil aus der vertraulichen Sondierung zwischen Union und FDP am Sonntag offenbar Interna – mutmaßlich durch Unions-Mitglieder – die „Bild“ erreichten. Das werfe kein gutes Licht auf CDU und CSU, stichelte der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner (44) am Dienstag.

Ein neuer Beobachtungsfall, Kündigungen und schärfere Corona-Regeln

Worüber die LZ heute berichtet hat: Neben den Berichten zum Antisemitismus-Vorwurf gegen das Hotel Westin setzt sich Ralf Julke mit einem grünen Positionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinander. Außerdem schreibt er über ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Das infizierte Denken“ und die mögliche Zukunft des Matthäikirchhofs in der Innenstadt. Dazu gibt unsere Redaktion eine kleine Vorschau auf das Festival „Literarischer Herbst.“

Was heute sonst noch wichtig war: Das „Institut für Staatspolitik“ im thüringischen Schnellroda, ein Projekt des rechten „Vordenkers“ und Björn Höcke-Vertrauten Götz Kubitschek (50), ist vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden. Somit darf die Einrichtung mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet werden.

Der Berliner Lieferdienst Gorillas hat einer Reihe streikender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt.

Was morgen wichtig wird: In mehreren Regionen Sachsens, so auch in der Stadt Leipzig, treten wieder strengere Corona-Bestimmungen in Kraft. Hintergrund ist die stabile Inzidenz-Überschreitung von 35 Neuinfektionen.

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Es gibt 2 Kommentare

Bei der Sinnfrage nach einer Demonstration wurde mir hier letztens gesagt, dass es doch auch schön sei, wenn sich die jungen Leute engagieren. Das müsste man doch auch mal würdigen. Hauptsache erst mal Platz nehmen.
Es kann ja auch herauskommen, dass all das Behauptete auch tatsächlich stimmt am Ende. Aber total wichtig, dass es noch am gleichen Tag zu Demos kommt, zu Verurteilungen im Netz, Kündigungsforderungen von absolut aussenstehenden Leuten auf allen möglichen Plattformen.

Was mich irritierte war nicht das, was dem Autor offenbar ins Auge fiel. Nämlich dass da türkische Flaggen (?) zu sehen waren auf der Demo. Sondern überhaupt Flaggen. Wird nicht oft genug gesagt, man solle Kritik und überhaupt jede Art Statement am Staat Israel trennen von Äußerungen über die Religion oder jüdische Menschen überhaupt?

Zu dem Vorwurf des Sängers Gil Ofarim gegen das Rezeption am Westinhotel wegen Antisemitismus:
Mittlerweile hat der beschuldigte Mitarbeiter einen Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Gil Ofarim muss nun konsequent mit einer Anzeige nachziehen ansonsten bleibt seine Aussage auf einem rein verbalem Niveau. In der Reihe der Gäste wird sich schon einer finden, der die judenfeindlichen Äußerungen gehört hat, zumal ja der erste Satz relativ laut aus dem Hintergrund kam und es ja am Tresen Gedränge gab. Nur so wird sich die Wahrheit beweisen lassen. Die Spontandemonstranten kennen schon jetzt die Wahrheit ….

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