Binnen weniger Tage hat die islamistische Taliban-Miliz fünf afghanische Städte eingenommen, darunter auch Kundus, wo jahrelang die Bundeswehr stationiert war. Außerdem sind die olympischen Spiele in Japan zu Ende gegangen und die Polizei ließ am Samstag auf der Suche nach einem 85-Jährigen einen Helikopter über Großzschocher kreisen. Da die Suche erfolglos blieb, veröffentlichte die Polizei später eine detaillierte Beschreibung und ein Foto des Mannes. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 7./8. August 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Weimar: 1.000 Menschen demonstrieren gegen Neonazi-Aufmarsch
Viele Augen blickten am Wochenende aufs thüringische Weimar: Mehrere rechtsextreme Organisationen, unter anderem der „III. Weg“ und „Die Rechte“, hatten für Samstag eine Demonstration angemeldet und wochenlang bundesweit mobilisiert. Letztendlich marschierten etwa 100 Neonazis durch die Goethe-Stadt und verbreiteten Slogans wie „Revolution ist machbar“ und „Nationalen Sozialismus jetzt“.Sie waren dem Gegenprotest, der etwa 1.000 Personen umfasste, weit unterlegen. Zur Gegendemonstration hatten auch viele Leipziger Gruppen aufgerufen, so zum Beispiel das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“. Der Versuch, auf die Route der Neonazi-Demo zu gelangen und den Aufmarsch somit zu stoppen, scheiterte. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz.
Kritik an Polizeieinsatz gegen linke Demo
Im Nachgang wurde Kritik am aggressiven Auftreten der Polizei laut, die unter anderem mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen den linken Protest vorgegangen war. Auch aus den Reihen des Protests gab es Handgreiflichkeiten in Richtung Staatsgewalt. Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Linkspartei im Thüringer Landtag, prangerte auf Twitter das „massive Vorgehen“ der Polizei gegen die antifaschistischen Demonstrant/-innen an. Das Vorgehen werde parlamentarische Nachbearbeitung erfahren, kündigte König-Preuss an.
Fotos, Videos und einen ausführlichen Bericht über das Demonstrationsgeschehen gestern in Weimar sind auf l-iz.de zu finden.
Polizei sucht nach vermisstem Mann in Großzschocher
Am Samstagmittag fragten sich viele Anwohner/-innen in Leipzig-Großzschocher, warum ein Helikopter der Polizei über ihrem Stadtteil kreiste. Am späten Nachmittag schaffte eine Fahndungsmeldung Klarheit: Ein 85-jähriger Mann wird vermisst. Laut Polizei wurde er zuletzt am Freitagnachmittag beim Verlassen seiner Wohnung in der Wilhelm-Michel-Straße gesehen.
Laut Polizeimeldung ist der gesuchte Mann in seiner Bewegung eingeschränkt, da er Bandagen an den Beinen trage. Eine detaillierte Beschreibung sowie ein Foto des Vermissten veröffentlichte die Polizei im Rahmen der Fahndung. Die Behörde bittet darum, Hinweise zum Verbleib des 85-Jährigen an das Polizeirevier Südwest zu melden.
Taliban erobern fünf afghanische Städte binnen drei Tagen
International machten am Wochenende neben dem Olympia-Ende und den andauernden Bränden in Südosteuropa vor allem die Vorgänge in Afghanistan Schlagzeilen. Dort haben die islamistischen Taliban in den vergangenen Tagen mehrere Gebiete gewaltsam erobert. Nachdem am Freitag die Provinzhauptstadt Sarandsch im Süden des Landes unter die Kontrolle der Taliban gelangt war, fielen am Samstag die Städte Schiberghan und Sar-i Pul im Norden Afghanistans an die islamistische Miliz.
Die Tagesschau berichtet, dass die Taliban in der 180.000-Einwohner/-innen-Stadt Sar-i Pul die wichtigsten Regierungsgebäude unter ihre Kontrolle gebracht hat. Die Regierung habe sich in eine nahe gelegene Militärbasis zurückgezogen, die nun von den Taliban belagert werde. Die Zivilbevölkerung verstecke sich in ihren Häusern, auf den Straßen lägen Leichen.
In der Nacht zu Sonntag wurde schließlich gemeldet, dass die Taliban nun auch die Großstadt Kundus erobert hat. In Deutschland ist Kundus besonders bekannt, da die Bundeswehr etwa ein Jahrzehnt lang ein großes Feldlager nahe der Stadt betrieb. Erst Ende Juni waren die letzten deutschen Soldat/-innen aus Kundus abgezogen. Der Einsatz des US-amerikanischen Militärs in Afghanistan endet am 31. August. Etwa 95 Prozent der vor Ort eingesetzten US-Truppen sind laut Angaben der US-Behörden bereits abgezogen.
Der neuste Gebietsgewinn der Taliban ist die Stadt Talokan, eine weitere Provinzhauptstadt im nördlichen Afghanistan, wie heute Nachmittag gemeldet wurde. Dort hätten sich Regierung und Sicherheitskräfte ebenfalls aus der Stadt zurückgezogen.
Auswärtiges Amt: „Rasante Verschlechterung der Sicherheitslage“
Das Auswärtige Amt der Bundesregierung spricht von einer rasanten Verschlechterung der Sicherheitslage. Es werde derzeit eine Aktualisierung des Asyllageberichts mit Blick auf die neuen Entwicklungen vorbereitet.
Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, bezeichnete die schnellen, großflächigen Eroberungen der Taliban heute als „drohendes außenpolitisches Desaster“ – sollten Streitkräfte der USA und Deutschland nicht intervenieren. Laut Röttgen soll die Bundeswehr „aus eigener Betroffenheit und aus Verantwortung für das Erreichte im Land“ jetzt in Afghanistan gegen die Taliban vorgehen.
„Wir müssen verhindern, dass die Taliban bis zum Herbst wichtige Städte oder gar Kabul einnehmen.“ Wenn das passiere, bestehe keine Aussicht mehr auf eine politische Verhandlungslösung für Afghanistan.
Schlechteste deutsche Olympia-Bilanz seit 30 Jahren
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Antonia Weber berichtet, wie Obdachlose vom Hauptbahnhof vertrieben werden. Birthe Kleemann hat den Markkleeberger Oberbürgermeister Karsten Schütze interviewt und Ralf Julke hat über parkende Autos am Elstermühlgraben und über die Stellungnahme sächsischer Umweltschutzorganisationen zum Entwurf des sächsischen Vogelschutzleitfadens geschrieben.
Was am Wochenende außerdem wichtig war: Am Sonntag erlosch das olympische Feuer in Tokio: Die Olympischen Spiele in Japan sind offiziell beendet. Das deutsche Team hat dieses Jahr so wenig Medaillen erhalten wie noch nie (37). Die weitere Bilanz des schwarz-rot-goldenen Teams: zwei große Skandale, einmal um die rassistischen Äußerungen des Rad-Sportdirektors Patrick Moster und einmal um die „Hau drauf“-Aufforderungen und um einen mutmaßlichen Faustschlag der Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner gegen ein Wettkampfpferd.
Was am Montag passieren wird: Mehrere Demonstrationen sind für den 9. August angekündigt. Während die Taliban in Afghanistan massive Gebietsgewinne machen, schiebt die Bundesregierung nach wie vor Menschen in das terrorgebeutelte Land ab. Dagegen demonstrieren seit Wochen zahlreiche Menschen in Leipzig. Morgen soll auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz erneut ein Zeichen gegen Abschiebungen nach Afghanistan gesetzt werden.
Außerdem möchte die „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ morgen wieder demonstrieren. LZ-Autor René Loch hat auf Twitter heute ausführlich dargelegt, warum diese Gruppierung keine „normale Schwurbelzusammenkunft“ ist, sondern in weiten Teilen rechtsextrem:
#le0908 Morgen möchte die „Bürgerbewegung Leipzig 2021“ wieder demonstrieren. Es ist wohl an der Zeit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um esoterische Schwurbler handelt, die 2020 in Leipzig das Bild prägten, sondern um eine ultrarechte Veranstaltung. 1/8
— René Loch (@reneloch) August 8, 2021
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der Coronakrise haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher