Wer soll das noch verstehen? Obwohl Modellrechnungen eine neue COVID-19-Welle im Herbst als wahrscheinlich erachten, soll die Maskenpflicht in Läden und Supermärkten Sachsens bei einer niedrigen Wocheninzidenz wegfallen – bereits ab Freitag greift eine entsprechende Korrektur der geltenden Schutzverordnung. Hinzu kommt: Sachsen ist Impfletzter in Deutschland. Außerdem: Eine Falschmeldung im Zusammenhang mit der Blockade des Dienstleisters DHL am Flughafen Leipzig/Halle durch Klima-Aktivisten in der letzten Woche wurde still und leise berichtigt. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, dem 13. Juli 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Freifahrt für die Delta-Variante? Maskenpflicht beim Einkauf fällt ab Freitag
Das Erfreuliche vorab: Sachsen liegt in Sachen COVID-19 derzeit mit einer Wocheninzidenz von nur 2,2 deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt (6,5). Zwei Landkreise im Freistaat (Görlitz und Mittelsachsen) hatten mit Stand Dienstagmittag sogar null Neuinfektionen zu vermelden, wobei nicht jeder Fall überhaupt als solcher erkannt wird.
Doch trotz recht entspannter Lage in Deutschland und der – zuletzt ins Stottern geratenen – Impfkampagne sind wir noch nicht über den Berg. Die erwiesenermaßen ansteckendere Delta-Variante des Virus Sars-Cov-2 hat inzwischen auch hier das Ruder übernommen.
Experten gehen davon aus, dass es Richtung Herbst zu einer neuen Infektionswelle kommen wird, auf deren Wucht und Folgen wir durch unser Verhalten, das ist immerhin die gute Nachricht, immer noch Einfluss ausüben können.
Änderungen auch bei Arbeit, Großveranstaltungen und Impfung
Umso erstaunlicher scheint, dass die Politik gerade ein gegensätzliches Signal sendet: Die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung beim Einkauf im Laden oder Supermarkt soll ab Freitag wegfallen. Das kündigte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (63, SPD) nach einer Kabinetts-Sitzung in Dresden an.
In der heutigen #Kabinettspressekonferenz stellte Staatsministerin Petra #Köpping den Corona-Plan für die Zeit ab Herbst vor, denn wichtig wird es sein, vorbereitet zu sein. #CoronaSN #Ärmelhoch pic.twitter.com/KNAmPVNtUk
— Sozialministerium (@sms_sachsen) July 13, 2021
Dies gelte bei einer Wocheninzidenz von weniger als zehn Neuansteckungen auf 100.000 Menschen – eine Voraussetzung, die derzeit in ganz Sachsen erfüllt wird. Dagegen bleibt die Maske in medizinischen Einrichtungen, Bussen und Bahnen vorerst weiter obligatorisch.
Zudem gibt es weitere Neuerungen: Beschäftigte müssen nach einem Urlaub über fünf Tage bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz ab Ende Juli einen Negativ-Test vorlegen (ausgenommen Geimpfte und Genesene). Großveranstaltungen mit bis zu 25.000 Menschen sind bei einer Wocheninzidenz unter 35 mit Auflagen erlaubt, schon ab dem morgigen Mittwoch gibt es in Sachsens Impfzentren gar keine Terminvergabe mehr.
Wir wandeln auf dünnem Eis
Fazit: Gerade jetzt wandeln wir auf dünnem Eis. Impfungen und niedrige Inzidenz in Deutschland täuschen darüber hinweg, dass die Corona-Lage durchaus wieder kippen kann, sei es durch Delta oder eine ganz neue Virus-Mutation. Die Politik wäre gut beraten, dies jenseits von panischer Alarmstimmung und falscher Euphorie sachlich zu vermitteln. Kann die Streichung der Maskenpflicht beim Einkauf da ein verantwortungsbewusstes Signal sein?
DHL-Besetzung: Impfstoff-Transport wurde nicht behindert
„Die Gegendarstellung erschien am Abend schon. Fünf Zeilen, mit dem Bedauern der Redaktion. Aber Hand aufs Herz, wer liest, was so klein in der Zeitung steht?“ – Nicht ohne Bitterkeit stellte der bekannte Chansonnier Reinhard Mey (78) diese rhetorische Frage am Ende seines Liedes „Was in der Zeitung steht“ aus dem Jahr 1983. Dort besingt er die tragische Geschichte eines Mannes, der unverschuldet an den medialen Pranger geraten war.
Auch wenn sich die Schnelllebigkeit des Pressegeschäfts heute noch verschärft haben mag, fühlt man sich ein wenig an den kritischen Song erinnert, liest man die eher versteckte Meldung im Corona-Ticker bei Spiegel Online „DHL-Blockade am Leipziger Flughafen: Impfstoff nicht betroffen.“
Zur Erinnerung: Rund 50 Klima-Aktivistinnen und -aktivisten hatten in der Nacht zum vergangenen Samstag eine LKW-Zufahrt zum Dienstleister DHL am Flughafen Leipzig/Halle besetzt. Sie treten laut eigenen Angaben für einen Ausbaustopp des Airports, ein Nachtflugverbot und eine Verkehrswende im Sinne von Umwelt und Klima ein. Die Polizei nahm sie in Gewahrsam, erst am Sonntagnachmittag kamen die letzten von ihnen nach längerem Gezerre aus dem Gewahrsam frei.
Eine Polizeimeldung, wonach auch ein LKW mit Impfstoffen an Bord von der Blockade-Aktion betroffen waren, wurde nun richtiggestellt: Dass Impfstofflieferungen betroffen waren, könne ausgeschlossen werden, zitiert Spiegel Online einen DHL-Sprecher. Das Unternehmen hatte zuvor Strafanzeige gestellt und einen angeblichen Millionenschaden geltend gemacht.
Zum aktuellen LZ-Artikel von heute dazu geht es hier entlang.
Zeugenaufruf, Schaukelsommer, Nationalfeiertag
Worüber die LZ heute berichtet hat: Die besondere Ehrung für einen Leipziger Biodiversitäts-Forscher, die Nachwirkungen erwähnter DHL-Blockade, die Reaktivierung von Zugstrecken, die anstehende Premiere eines Tanztheater-Films und einen literarischen Blick nach Osteuropa.
Was heute sonst noch wichtig war: Nach einer erneuten Brandstiftung, diesmal an Fahrzeugen der Post in Leipzig, bittet die Polizei um Zeugenhinweise.
Der nasse Schaukelsommer weicht nicht. Am Abend werden für Mitteldeutschland wiederholt heftige Unwetter prognostiziert.
Was morgen wichtig wird: Im Leipziger Johannapark an der Lutherkirche findet nach pandemiebedingter Unterbrechung ab 17 Uhr wieder ein Bürgersingen statt.
Und noch ein Sprung zum westlichen Nachbarn: Frankreich begeht seinen traditionellen Nationalfeiertag, der offenbar trotz Corona mit Parade und Feuerwerk zelebriert werden soll. Am 14. Juli 1789 hatten Milizen mit dem Schlachtruf „Liberté, Egalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) die Bastille gestürmt – das Staatsgefängnis im Osten von Paris.
Die Revolte gilt als Auftakt der Französischen Revolution, die das absolutistische Monarchen-System stürzte. Danach wurden Politik und Sozialstrukturen dauerhaft verändert – eine historische Signalwirkung, der sich langfristig auch andere Länder nicht zu entziehen vermochten.
Übrigens feiert Frankreich entgegen eines verbreiteten Irrglaubens nicht vorrangig den gewaltsamen Sturm auf die Bastille an sich, sondern die neue Verfassung, die am ersten Jahrestag in Kraft gesetzt worden war und die im Geist eines Gleichheits-Ideals stand.
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