Die Kanzlerin bittet um Verzeihung und gesteht einen Fehler ein: Die Montagnacht auf der Bund-Länder-Konferenz beschlossene „Osterruhe“ wurde heute zurückgenommen. Die Bundesregierung prüft nun ein Verbot von Auslandsreisen. Außerdem hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht die Verordnung, die das Mitführen „gefährlicher Gegenstände“ auf der Waffenverbotszone untersagt, heute für rechtswidrig erklärt. Etwa zeitgleich übergab das Bündnis „Leipzig fürs Klima“ seine Forderungen an die Stadt Leipzig bezüglich Klimaschutz und Verkehrswende symbolisch an Bürgermeister Heiko Rosenthal. Die LZ fasst zusammen, was am Mittwoch, dem 24. März 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
„Und nun?“ – „Kommt jetzt noch was?“, diese und ähnliche Reaktionen, die eine Mischung aus Resignation, Wut und Ratlosigkeit ausdrückten, konnte man heute in den Sozialen Medien lesen. Denn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz heute Mittag die in der Bund-Länder-Konferenz am Montag beschlossene „Osterruhe“ gekippt. Grund für die Rücknahme des Beschlusses sei die Nicht-Umsetzbarkeit und die vergleichsweise starke Kritik nach Bekanntgabe des geplanten Osterlockdowns.Ursprünglich geplant war, den Gründonnerstag und Ostersamstag als sogenannte „Ruhetage“ zu deklarieren. An diesen Tagen sollte das Arbeitsleben wie an Feiertagen in den meisten Bereichen heruntergefahren werden. Während am Donnerstag das gesamte wirtschaftliche Leben ruhen sollte, war für Samstag die Öffnung von Lebensmittelläden „im engen Sinne“ geplant.
Druck aus der Wirtschaft zu groß und viele unbeantwortete Fragen
Konkrete Details zur Umsetzung fehlten im Bund-Länder-Beschluss, was auch für heftige Kritik von Wirtschaftsverbänden sorgte. Die Ministerpräsident/-innen sollten die nun einkassierte Osterruhe in ihre kommenden Corona-Verordnungen aufnehmen und wie gehabt länderspezifisch umsetzen.
Doch laut Bund und Ländern taten sich im Laufe des Dienstags zu viele Fragen auf, die nicht beantwortet werden konnten, etwa bezüglich der Lohnfortzahlung. Die Lieferketten vieler Betriebe wären zudem zu stark beeinträchtigt worden, erklärte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
So ist die „Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“ nun vom Tisch. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, sagte Merkel heute Mittag und übernahm die volle Verantwortung für die Situation. Sie bedaure zutiefst, in der sowieso schon komplizierten Pandemie-Lage für zusätzliche Verunsicherung gesorgt zu haben. „Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.“
Am Nachmittag stellte sich die Kanzlerin im Rahmen einer Regierungsbefragung im Bundestag den Fragen der Abgeordneten. Die FDP- und Linksfraktion forderten Merkel auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Die Kanzlerin lehnte dies ab.
Verwirrung auch in Sachsens Regierung
Was bleibt aus der Bund-Länder-Runde, ist die Ermahnung der Bundesländer, die bereits in der letzten Konferenz beschlossene sogenannte Notbremse zu ziehen – also Öffnungen wie etwa Click & Meet im Einzelhandel bei bestimmten Inzidenzen zurückzunehmen. Auch lokale Maßnahmen in Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 wie Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen und ein Verbot öffentlicher Ansammlungen stehen im Beschlusspapier von Montagnacht.
Wie Sachsen seine Corona-Schutzverordnung anpassen wird, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Bereits am 1. April soll die neue Verordnung in Kraft treten, bis zum 18. April soll sie gelten. Bisher herrscht Planlosigkeit in Dresden. „Selbst wir verstehen inzwischen nicht mehr alle Dinge, die in bestimmten Konferenzen besprochen werden“, schrieb Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) heute auf Facebook und Twitter.
„Diese Verunsicherung ist nicht gut.“ Er begrüße die Rücknahme der Osterruhe. „Auch bei Nachtsitzungen gilt: Bitte Dinge bis zum Schluss denken!“
Ich bin froh, dass die Entscheidung zur Ruhezeit am Gründonnerstag und Ostern zurückgenommen wurde. Wir dürfen die ohnehin schon angespannte Lage nicht weiter Chaotisierung. Die Osterregelung hätte wohl dazu geführt. (1/4)
— Martin Dulig (@MartinDulig) March 24, 2021
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellte sich wie viele Länderchefinnen und -chefs heute hinter die Kanzlerin. „Sie muss dafür nicht die Verantwortung übernehmen. Diese Entscheidung ist von 16 Ministerpräsidenten und der Bundesregierung gemeinsam getroffen worden.“
Bund prüft Verbot von Reisen ins Ausland
Am späteren Nachmittag wurde bekannt, dass die Bundesregierung ein vorübergehendes Verbot von Urlaubsreisen ins Ausland prüfen lässt. Laut WDR ist dies in der Theorie möglich, da das im November im Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz ein solches Verbot abdecken würde. Es ist wahrscheinlich, dass im Falle eines Auslandsreiseverbots eine bereits getätigte Buchung kostenlos storniert werden kann.
Bisher hat das Auswärtige Amt angelehnt an Einstufungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) lediglich Reisewarnungen für bestimmte Länder ausgesprochen, die Einschränkungen beim Reisen mit sich bringen, beispielsweise eine häusliche Quarantäne nach Rückkehr.
Flughafen Leipzig-Halle nimmt Passagierverkehr auf
Zuletzt hatte das Aufheben einer solchen Reisewarnung für die spanische Insel Mallorca am 14. März für lautes mediales Echo gesorgt. Auch ab dem Flughafen Leipzig-Halle fliegen aktuell aufgrund der gestiegenen Nachfrage bald wieder Maschinen nach Mallorca, außerdem nach Hurghada (Ägypten), Teneriffa, Fuerteventura, Las Palmas und Antalya.
Der erste reguläre Passagierflug seit dem 18. November letzten Jahres geht am Donnerstag (25. März) mit Condor nach Hurghada, verkündete der Flughafen heute. Ab Samstag sollen dann tägliche Flüge nach Mallorca angeboten werden. Ob es dabei bleibt oder ob die Bundesregierung tatsächlich ein Auslandsreiseverbot verhängt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Dass eine Reisewarnung auch Mitglieder der Bundesregierung – die mit dem Auswärtigen Amt als oberste Bundesbehörde selbst Herausgeber solcher Warnungen ist – derzeit nicht von einer Urlaubsreise abhält, wurde am Beispiel der Bundestagsabgeordneten Karin Strenz (CDU) auf tragische Weise deutlich. Die 53-Jährige verstarb am Wochenende auf einem Rückflug von Kuba nach Deutschland. Die Todesursache ist noch unklar.
Mit der Nachricht über ihren plötzlichen Tod kam auch zutage, dass die Politikerin privat unterwegs war. Laut einem Parlamentssprecher habe es sich nicht um eine Dienstreise im Auftrag des Bundestags gehandelt. Kuba wird vom RKI seit Ende Februar als Risikogebiet eingestuft, weshalb das Auswärtige Amt „von nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Kuba“ mit Verweis auf hohe Infektionszahlen vor Ort abrät.
Neuinfektionen in Sachsen steigen sprunghaft an
Währenddessen melden die Gesundheitsämter in Sachsen deutlich mehr Neuinfektionen als in den vergangenen Tagen. 1.817 neue Fälle listeten die Landkreise und Kreisfreien Städte am heutigen Mittwoch – 706 mehr als am Vortag und fast doppelt so viel wie am Mittwoch vergangener Woche. Die 7-Tage-Inzidenz Sachsens beziffert das RKI mit 155. Leipzig und Dresden sind die einzigen Regionen Sachsens, die noch unter 100 liegen. Bundesweit liegt der Inzidenzwert bei 108.
OVG Bautzen kippt Teile der rechtlichen Grundlage der Waffenverbotszone
Die seit November 2018 gültige Polizei-Verordnung, die ein Mitführen „gefährlicher Gegenstände“ in der sogenannten Waffenverbotszone rund um die Leipziger Eisenbahnstraße untersagt, ist laut einem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) rechtswidrig. Das OVG begründete seine Entscheidung mit dem Fehlen von hinreichenden Daten, die belegen würden, dass das Mitführen von etwa Messern oder Baseballschlägern „typischerweise, jedenfalls aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führe.
Geklagt hatte eine Person, die sich laut OVG häufig im Gebiet der Verbotszone aufhält. Eine zweite Polizei-Verordnung, die am selben Tag wie die nun gekippte Verordnung in Kraft trat und generell die Einrichtung der Waffenverbotszone anordnet, wurde vom OVG nicht berührt.
Bündnis „Leipzig fürs Klima“ fordert deutlicheres Handeln der Stadt bei Klimaschutz und Verkehrswende
Video: LZ, Sabine Eicker
Mehr Tempo der Stadtverwaltung beim Klimaschutz – das wünscht sich das Bündnis „Leipzig fürs Klima“. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, übergaben Vertreter/-innen des Bündnisses heute Nachmittag, kurz vor Beginn der Ratsversammlung, eine symbolische Forderungstafel an Klimabürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke).
„17 Monate nach Ausrufung des Klimanotstands ist einfach zu wenig passiert!“, kritisiert Klimaforscherin Heike Wex (Scientists for Future Leipzig) in einer Pressemitteilung des Bündnisses. „Der Klimawandel geht immer weiter, solange wir unser Verhalten nicht ändern. Damit kommt die Klimakrise immer näher, ob gerade Pandemie ist oder nicht. Leipzig muss endlich seiner Vorbildwirkung gerecht werden!“
Konkret fordert das Bündnis eine klare Schwerpunktsetzung beim Thema Klimaschutz in der kommenden Haushaltssatzungen, vor allem ein „sattes Budget“ für das im Sommer 2020 eingeführte Klimaschutzreferat. Auch die vor Kurzem angekündigte Preiserhöhung des LVB-Einzeltickets auf drei Euro ab August kritisiert das Klimaschutzbündnis. „Es ist enttäuschend, dass auf städtischer Ebene und in den Eigenbetrieben immer noch Entscheidungen getroffen werden, die effektiven Klimaschutz konterkarieren.“ Die Verkehrswende könne mit solchen Entscheidungen nicht gelingen, mahnt Katja Kühn (Health for Future Leipzig).
Das Bündnis „Leipzig fürs Klima“ besteht aus 27 Einzelinitiativen, beispielsweise die Leipziger Ortsgruppen von Extinction Rebellion, Students for Future und ADFC.
Verwirrung um 29 Millionen plötzlich aufgetauchte AstraZeneca-Impfdosen
Worüber die LZ heute berichtet hat: Heute tagte der Stadtrat, erneut in digitaler Form. Unter anderem beschloss die Ratsversammlung, dass Autos weiterhin keinen Zugang zum Auwald von der Richard-Lehmann-Straße aus haben sollen, dass die Stadt die berühmt-berüchtigte Connewitzer Streetballwand und den Platz drumherum für Kinder attraktiv machen soll. Zudem beschäftigten sich die Leipziger Abgeordneten mit der wachsenden Container-Szene und wie mit ihr umzugehen sei.
Was heute sonst noch wichtig war: Wieder Trubel um AstraZeneca: In einem Abfüllwerk nahe Rom wurden 29 Millionen Dosen des Impfstoffes gefunden, von der die EU-Kommission bisher wohl nichts wusste. Den Vorwurf, diese riesigen Mengen für den Export nach Großbritannien geheimhalten zu wollen, weist der AstraZeneca-Hersteller zurück.
Was morgen wichtig wird: Kanzlerin Angela Merkel wird am Morgen eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben, in der unter anderem die Beschlüsse der letzten Bund-Länder-Konferenz thematisiert werden sollen. Am Nachmittag wird es auf Antrag der AfD-Fraktion eine Aktuelle Stunde zur Corona-Politik im Bundestag geben.
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