Während die Querdenker-Bewegung trotz des Demonstrationsverbotes durch die Dresdner Straßen marschierte, fanden in Leipzig Veranstaltungen von Greenpeace und des Kollektivs „Über Grenzen“ statt. Derweil stieg die Corona-Inzidenz in Sachsen am Wochenende auf über 100 an - kurz bevor Kultur- und Freizeiteinrichtungen wieder öffnen. Außerdem: Die Leipziger Linkspartei stellt ihre Kandidat/-innen für die Bundestagswahl auf. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 13. und 14. März 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Knapp vier Monate nach dem fatalen Versammlungsgeschehen am 7. November in Leipzig überschattete eine Querdenker-Demonstration in Dresden an diesem Wochenende andere Nachrichten. Trotz eines Verbotes durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht versammelten sich am frühen Nachmittag über tausend Personen an der Devrientstraße.
Unter dem Motto „Es reicht – 1 Jahr Lockdown ist genug!“ fanden sich die Demonstrierenden nicht auf dem angekündigten Platz der Versammlung zusammen, sondern marschierten in zwei Gruppen durch die Landeshauptstadt. Mehrere hundert Personen bedrängten Polizeibeamte und Journalist/-innen, konnten später aber auf der Magdeburger Straße gestoppt werden. Dabei kam es zu regelrechten Angriffen vor allem auf Polizist/-innen, wie unter anderem der Journalist Julius Geiler auf Twitter dokumentierte. Außerdem rollten vier Autokorsos mit rund 100 Fahrzeugen von Löbau, Meißen, Hoyerswerda und Döbeln nach Dresden. Diese verliefen störungsfrei.
Insgesamt stellten die 1.800 Einsatzkräfte vor Ort fast 1.000 Ordnungswidrigkeiten gegen die Sächsische Corona-Schutzverordnung fest, außerdem 47 Straftaten, darunter Widerstände gegen Vollzugsbeamte, tätliche Angriffe und Verstöße gegen das Waffengesetz. Zwölf Polizist/-innen und einige Pressevertreter/-innen wurden dabei laut der Polizeidirektion Dresden verletzt.
https://twitter.com/glr_berlin/status/1370735824476704773
Reaktionen aus der Politik
Nach den Ausschreitungen haben sowohl Oppositions- als auch Koalitionsparteien im Land eine Sondersitzung im Innenausschuss gefordert. Kerstin Köditz (Linke) kündigte an, am Montag einen entsprechenden Antrag einzureichen. Die Eskalation sei nach den vorherigen Erfahrungen absehbar gewesen.
Sie fordert den Rücktritt von Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Er gefährde mit seinen Einschätzungen Sicherheit und Ordnung sowie Polizist/-innen. Auch Vertreter/-innen der Koalitionsfraktionen unterstützen diese Forderung aus der Opposition.
Die LINKE im Landtag fordert wg. #dd1303 Sondersitzung des Innenausschusses. Wird am Montag beantragt. Dieser Skandal muss gründlich aufgearbeitet werden. Konsequenzen sind überfällig. #WoellerRuecktritt
— Kerstin Köditz (@kerstinkoeditz) March 13, 2021
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, malt ein ähnliches Bild: „Die Mobilisierungsfähigkeit der Querdenken-Bewegung wird von den Sicherheitsbehörden offenbar weiterhin massiv unterschätzt. Gleiches gilt für das Gewaltpotenzial der Demonstrantinnen und Demonstranten, das in Dresden erneut mehr als deutlich geworden ist. Es braucht in den Sicherheitsbehörden endlich ein Bewusstsein dafür, dass die Demos von Corona-Leugnerinnen und -Leugnern aufgrund ihrer offenkundigen demokratiefeindlichen Bestrebungen und der Anschlussfähigkeit für gewaltbereite Rechtsextreme ein erhebliches Gefahrenpotenzial bergen.“
Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) meldete sich mit der Ankündigung zu Wort, dass man im Kabinett „über den künftigen Umgang mit dem Gewaltpotential der Querdenker“ sprechen wird.
Demonstranten ohne Maske und Abstand, die Polizist*innen brutal angreifen. Völlig inakzeptabel! Im Kabinett wird über den künftigen Umgang mit dem Gewaltpotenzial der #Querdenker zu sprechen sein, aber auch über die Frage, warum das Demoverbot nicht durchgesetzt wurde. #dd1303
— Wolfram Günther 🇪🇺🏳️🌈🇺🇦🇮🇱🇩🇪 (@Gruen_WGuenther) March 13, 2021
Sachsen Innenminister Roland Wöller (CDU) erklärte am heutigen Sonntag, der Einsatz werde kritisch und gründlich ausgewertet. Diese Auswertung solle man abwarten, bevor vorschnelle Urteile und pauschale Kritik an der Polizei geäußert werden.
„Ich verurteile die Gewalt gegen Polizisten und Journalisten auf das Schärfste. Trotz Versammlungsverbots haben die Coronaleugner mit roher Gewalt und grenzenlosem Egoismus gezeigt, dass sie den Rechtsstaat und die Gesundheit aller mit Füßen treten.“
Auf die seit dem vergangenen Jahr auch innerhalb der Koalition gegen seine Person gerichtete Kritik ging Wöller dabei nicht ein. Auch die sogenannte „Bewegung Leipzig“, welche zuvor auf ihrem Telegramkanal wiederholt auf Dresden hingewiesen und zur Demonstration aufgerufen hatte, verstummte nach den Ereignissen in der Landeshauptstadt und hat bislang nicht zur Gewalt der Demonstrationsteilnehmer Stellung genommen.
Gegen Braunkohle und für Menschenrechte
Szenenwechsel: in Leipzig fanden an diesem Wochenende ebenfalls einige Kundgebungen und Proteste statt. Am Samstag, 13. März, demonstrierten Greenpeace-Aktivist/-innen in insgesamt 46 deutschen Städten für einen schnelleren Ausstieg aus der Braunkohle. Mahnwachen und Plakataktionen wollten unter anderem vor der Nikolaikirche in Leipzig den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zur Verantwortung ziehen.
Auf der Greenpeace-Website heißt es: „Heute demonstrierten wir (…) gegen den Abbau von weiteren 900 Millionen Tonnen Braunkohle im Rheinischen Revier und die damit verbundene Umsiedelung von über 1500 Menschen. Trotz des Kohleaussstiegs hält Ministerpräsident und seit neuestem CDU-Vorsitzender Armin Laschet bisher an der geplanten Umsiedlung von weiteren Dörfern für den Braunkohleabbau fest. In diesem Frühling wird entschieden, wie die Grenzen des Tagebaues im Rheinischen Revier zukünftig gesteckt werden. Damit wäre der Weg frei zur Förderung von 900 Millionen Tonnen Braunkohle bis 2038.“
Des Weiteren veranstaltete das Kollektiv „Über Grenzen“ am Samstagabend unter dem Titel „Von Leipzig bis Lipa – Menschenrechte kennen keine Grenzen“ eine künstlerisch-perfomative Videokundgebung am Pöge-Haus in Leipzig. Eine große Leinwand zeigte dokumentarische Kurzfilme von Betroffenen, um auf die menschenverachtenden Missstände an den europäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen.
„Jeden Tag geschehen gewaltvolle illegale Pushbacks an den EU Außengrenzen, bei denen Menschen von den Behörden vor Ort brutal zurückgedrängt werden. Dieses kriminelle Verhalten wird nicht nur durch die EU toleriert, es wird von ihr initiiert und finanziert. Illegale Pushbacks sind eine Form, in der sich das rassistische System der EU und Deutschlands verdeutlicht“, heißt es in der Pressemitteilung des Kollektivs.
„Schutzsuchenden werden an den EU-Außengrenzen aktiv ihre Menschenrechte aberkannt, indem sie gezwungen werden, in menschenunwürdigen Lagern zu leben, indem ihnen faktisch das Recht auf Asyl aberkannt wird, indem ihre Stimmen systematisch unterdrückt werden.“
Sachsens Corona-Inzidenz am Wochenende über 100
Am Samstag und Sonntag lag die 7-Tage-Inzidenz in Sachsen zwei Tage in Folge über 100, so das Robert-Koch-Institut. Die 100er-Marke gilt als kritische Grenze für erneute Verschärfungen. Das Vogtland markiert weiterhin den sächsischen Hotspot mit rund 296 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Die Inzidenz der Stadt Leipzig liegt, Stand 14. März, bei knapp 64.
Trotz der steigenden Inzidenzen dürfen ab morgen, 15. März, laut der Sächsischen Corona-Schutzverordnung Botanische Gärten, Zoos, Tierparks, Museen, Galerien und Gedenkstätten mit vorheriger Terminbuchung wieder öffnen.
Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis oder der kreisfreien Stadt an drei Tagen hintereinander über 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner liegen, müssen die Einrichtungen jedoch wieder schließen. Einige Institutionen, wie beispielsweise der Leipziger Zoo, entscheiden sich aber schon jetzt dazu vorerst nicht zu öffnen.
Außerdem wurde im Neuen Rathaus in Leipzig das neue Testzentrum eröffnet. Bereits am Samstag bildete sich eine lange Schlange am Martin-Luther-Ring. Das Testzentrum ist jeden Tag geöffnet: wochentags von 8 bis 18 Uhr, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr. Dort können sich auch Personen testen lassen, die nicht in Leipzig leben.
Unerwartete Harmonie bei der Leipziger Linkspartei
Über fünf verschiedene Orte in Leipzig verteilte sich am Samstag, 13. März, die Leipziger Linkspartei, um ihre Kandidat/-innen für die Bundestagswahl im September aufzustellen. Corona-konform wurde sich digital und zu kleineren Gruppen versammelt. Sören Pellmann wurde im Wahlkreis Leipzig Süd (153) aufgestellt.
„Mein Ziel ist, das rote Herz Sachsens in Leipzig erfolgreich zu verteidigen. Nach dem erfolgreichen Gewinn des Direktmandates im Herbst 2017 will ich diesen Erfolg 2021 wiederholen“, so Pellmann.
„Die Linke ist die einzige Bundestagspartei, die glaubwürdig für soziale Gerechtigkeit kämpft. Das werden wir auch weiterhin tun und zugleich in der nächsten Wahlperiode die Frage beantworten müssen: wer soll für die Kosten der Krise bezahlen? Unsere Antwort ist klar: wer viel hat, muss auch mehr dazu beitragen, u.a. ist die Vermögensabgabe überfällig.“
Im Wahlkreis Leipzig-Nord (152) bewarb sich Nina Treu um die Direktkandidatur bei der Bundestagswahl. Sie wurde von den 121 Anwesenden mit 93,4 Prozent gewählt.
Nina Treu dazu: „Ich freue mich sehr, als Lindenauerin für den Wahlkreis Nord antreten zu dürfen. Ich möchte ein starkes Zeichen für Klimagerechtigkeit und sozial-ökologischen Umbau setzen und unsere Mitbürger/-innen für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem begeistern. Für Leipzig bedeutet das: Wirtschaftspolitik klimagerecht gestalten, Aufwertung von Sorge- und Pflegearbeit, bezahlbarer und guter Wohnraum und ÖPNV für alle. Gemeinsam mit einem breiten Wahlkampfteam mit Menschen aus Zivilgesellschaft, sozialen Bewegungen und Partei werden wir um den Wahlkreis Nord kämpfen.“
Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: Über die geplanten Aktionen des Leipziger Klimabündnisses zum internationalen Klimastreik am Freitag, 19. März.
Die Cammerspiele bereiten sich auf die Premiere von „It’s a man’s wor(l)d“ vor – am 22. April soll das Publikum direkt im Saal das Theaterstück bewundern können.
Die sächsische Automobilbau-Branche hat im Jahr 2020 einen enormen Exporteinbruch zu verzeichnen.
Was am Wochenende außerdem wichtig war: Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Integrations- und Migrationsforschung führt das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung eine Diskriminierungsstudie durch.
Alle in Sachsen lebenden Personen können an der 25-minütigen Online-Umfrage (Link zur Umfrage) teilnehmen, die als Fundament für die Auswertung gilt.
Sturmtief „Luis“ hat am Samstag in Sachsen für heftigen Wind, Regen und umgestürzte Bäume gesorgt. In Dresden mussten Straßenbahnen zwangspausieren, die Einsatzkräfte waren im ganzen Freistaat dauerhaft gefordert.
Was morgen wichtig wird: Neben den Öffnungen verschiedener Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen sich ab morgen, 15. März, auch Beschäftigte mit direktem Kundenkontakt regelmäßig testen lassen.
Ab 17 Uhr findet morgen in der Nähe des Bahngeländes Ecke Rosa-Luxemburg-Straße / Schulze-Delitzsch-Straße eine Veranstaltung unter dem Motto „Femizide stoppen – patriarchale Gewalt bekämpfen! Gedenkkundgebung für eine ermordete Frau im Leipziger Osten“ statt.
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