Die wegen anhaltend hoher COVID-19-Fallzahlen und Virus-Mutationen vorgezogene Beratung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ländern am Dienstag hat erste Ergebnisse geliefert. So stehen nun die Eckpfeiler eines nachgeschärften Lockdowns fest, um die Ansteckungsrate in den Griff zu bekommen. Mindestens bis Mitte Februar muss sich die Bevölkerung nun weiterhin auf massive Beschränkungen gefasst machen, um einige Details wird noch gefeilscht. Die L-IZ fasst zusammen, was am Dienstag, 19. Januar 2021 in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.
Der bundesweit geltende Lockdown des öffentlichen Lebens zur Ausbremsung des Virus namens SARS-CoV-2 wird vorerst bis 14. Februar verlängert (hier geht es zum LZ-Liveticker vom 19. Januar 2021). Darauf hat sich Kanzlerin Angela Merkel mit den Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer am Dienstag verständigt. Gaststätten, Bars, Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen bleiben weiterhin dicht, gleiches gilt für weite Teile des Einzelhandels. Ausnahmen gelten etwa beim Lebensmittelverkauf.
Nachgeschärft wurde beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im ÖPNV und geöffneten Läden. Zur Senkung des Infektionsrisikos sollen nur noch Masken mit medizinischen Standards erlaubt sein – entweder die Filtering Face Piece – Masken (FFP2) oder die günstigeren OP-Masken. Eine selbstgenähte Stoffbedeckung oder ein hochgezogener Schal würden nicht mehr ausreichen.
Zudem will die Regierung überall dort, wo es möglich ist, das Home-Office für Beschäftigte ermöglichen. Den größten Gegenwind erfährt die Kanzlerin offenbar beim Thema Schulen und Kitas.
Während sie selbst auf konsequente Schließung gedrängt haben soll, kommt vor allem aus den SPD-geführten Bundesländern Widerstand. Auch eine flächendeckende Ausgangssperre für die Nachtstunden ist hoch umstritten, gilt aber als eher unwahrscheinlich. Sachsen hatte diese für die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr ohnehin schon im Dezember eingeführt – sofern ihr nicht triftige Gründe wie die Berufsausübung entgegenstehen.
Infektionszahlen weiterhin hoch – Bund will bei Corona-Hilfen nachbessern
Im Freistaat bleiben die Infektionszahlen weiterhin auf hohem Niveau, steigen aber derzeit nicht mehr ganz so stark an. Nach offiziellen Angaben sind 168.930 Ansteckungen bestätigt und damit 1.196 mehr als am Vortag. Die Zahl der Toten hat sich um 141 auf 5.289 erhöht. Bei der Zahl der stationär betreuen Patienten (2.467, davon 488 auf Intensivstationen) ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen.
Die durch das Robert-Koch-Institut für Dienstag gemeldeten 11.369 neuen COVID-19-Fälle für ganz Deutschland markieren zumindest eine leicht sinkende Tendenz im Vergleich zur Vorwoche. Ob wirklich von einer zaghaften Trendwende gesprochen werden kann, wird sich freilich erst noch zeigen.
Nach wiederholten Klagen über Antrags- und Auszahlungsprobleme seitens der Unternehmen kündigten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zudem Vereinfachungen bei der Bereitstellung staatlicher Corona-Hilfen an. Auch soll mehr Geld zur Verfügung stehen, um der in der Krise strauchelnden Wirtschaft zu helfen.
NSU-Prozess: Revisionen liegen beim Bundesgerichtshof
Dass der Rechtsstaat und die Gerichte auch in der Pandemie weiter ihre Arbeit tun müssen, hatte sich schon im Frühjahr 2020 abgezeichnet. Seit dem heutigen Tag liegen die Revisionen der inhaftierten Rechtsterroristin Beate Zschäpe und drei weiterer Personen vor dem Bundesgerichtshof. Beate Zschäpe war im Juli 2018 als Mitglied des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden.
Die 2011 aufgeflogene Gruppierung hatte zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen in ganz Deutschland aus rassistischer Motivation getötet. Unter anderem wegen vielfachen Mordes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhandelte das Münchner Oberlandesgericht von 2013 bis 2018 gegen Zschäpe und mehrere mutmaßliche Unterstützer des NSU. Der Prozess galt als einer der längsten deutscher Nachkriegsgeschichte.
Die Verteidigung Zschäpes und dreier ihrer Mitangeklagten hatte Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Vor den Mitgliedern des Senats liegt nun die Mammutaufgabe, sich in das komplexe Verfahren einzuarbeiten und es auf mögliche Rechtsfehler zu prüfen. Eine Entscheidung ist wohl erst in ein paar Monaten zu erwarten.
Wird die AfD zum „Verdachtsfall“?
Die Klassifizierung der AfD zum „Verdachtsfall“ seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz steht offenbar unmittelbar bevor. Mehrere Quellen melden am Dienstag, dass die Hochstufung durch Behördenchef Thomas Haldenwang schon kommende Woche Realität werden könnte.
Die Verfassungsschützer hatten die rechtspopulistische Partei bereits seit 2018 als „Prüffall“ geführt, durften sich in dieser Phase aber nur „allgemein zugänglicher Quellen“ bedienen. Ein „Verdachtsfall“ würde nun auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die AfD erlauben. So wären Telekommunikationsüberwachung und das Anwerben von Vertrauenspersonen denkbar.
Bereits seit geraumer Zeit steht die völkisch-nationalistische und rechtsextreme Strömung der AfD um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke unter Beobachtung. Diesen sogenannten „Flügel“ hatten Höcke und sein Brandenburger Funktionärskollege Andreas Kalbitz im vergangenen Jahr offiziell aufgelöst – doch abseits der formellen Organisation führten die Mitglieder des „Flügels“ ihre Aktivitäten wohl weiter fort.
Unterhalb der Bundesebene gelten schon mehrere Landesverbände der AfD als „Verdachtsfall“. Hier sind dann die Landesämter für Verfassungsschutz zuständig. Die AfD hatte für den Fall einer nachrichtendienstlichen Observation mehrfach juristische Schritte angekündigt und würde sich dann vermutlich als Opfer inszenieren.
Übrigens haben die AfD-Fraktionen in Bund und Ländern am Dienstag ein sofortiges Ende des aktuellen Lockdowns verlangt. Begründung: Die Maßnahmen des Staates hätten keine wissenschaftliche Evidenz.
Worüber die L-IZ heute berichtet hat: Neben dem Liveticker zu den Corona-Beratungen ging es auch um den gestrigen Strafprozess gegen den mutmaßlichen Auwald-Mörder, bei dem der Streit im Gerichtssaal eine neue Eskalationsstufe zu erreichen droht. Außerdem: eine kritische Bilanz der Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße, einen Anlauf für ein ÖPNV-Bildungsticket und aktuelle Haushaltsberatungen mit all ihren Hürden.
Was heute außerdem wichtig war: Eine in den USA geplante Sammelklage aus dem Milieu der deutschen Corona-Leugner gegen den Virologen Christian Drosten hat sich nun offenbar in der Substanz aufgelöst, die ihr zugrunde lag – dem Nichts.
Was morgen wichtig wird: Der neu gewählte US-Präsident Joe Biden wird offiziell ins Amt eingeführt. Nach dem kürzlichen Sturm auf das Kapitol bereiten sich Polizei und Sicherheitsdienste diesmal hoffentlich vor – Journalisten, die vor Ort berichten, stellen sich dennoch auf Krawallen ein.
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