Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Diesmal geht es um die Autobahnkirche in Wilsdruff an der A4 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Sachsen. Angespannt unterwegs auf der Autobahn? Zeit für eine Pause nach unzähligen Langstrecken-Kilometern?
Wie wäre es mit einem Zwischenstopp? Etwa an einer Autobahnkirche: Durchatmen und eine Portion Ruhe tanken – um dann entspannt-besonnen weiterzufahren.
Das ist – stark verkürzt – die Idee der Autobahnkirchen. Um einige sehenswerte, offiziell „Autobahnkirchen“ genannte Gotteshäuser in Mitteldeutschland geht es in dieser kleinen Serie. Heute als letzte Folge: die Autobahnkirche Wilsdruff im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Die Jakobikirche zu Wilsdruff ist eine der ältesten in ihrer ursprünglichen Gestalt erhaltenen Dorfkirchen im sächsischen Raum. Sie liegt auf einer Anhöhe oberhalb des Stadtzentrums. Nach jetzigen Erkenntnissen wurde das Gotteshaus Mitte des 12. Jahrhunderts an der Kreuzung bedeutender Wege als Kaufmannskirche im damaligen Wilandesdorf erbaut – noch vor der Stadtgründung von Wilsdruff.
Möglicherweise entstand sie als Niederlassung für Mönche des Benediktinerordens; laut Cornelius Gurlitt ist sie „eine der größten sächsischen Anlagen dieser Art“.
Seit 2005 ist das Gotteshaus auch eine ökumenische Autobahnkirche an der Bundesautobahn 4, Ausfahrt 77a, zwischen dem Autobahndreieck Nossen (Bundesautobahn 14) und dem Autobahndreieck Dresden-West (Bundesautobahn 17).
Geschichte und Bauwerk
Nahe der Jakobikirche entstand um 1200 Wilsdruffs Stadtkirche St. Nikolai, wodurch die abseits des Stadtkerns gelegene Jakobikirche an Bedeutung verlor.
Nach Einführung der Reformation wurde sie nur noch selten genutzt. Sie blieb Begräbniskirche der Herren von Schönberg, welche Stadt und Rittergut jahrhundertelang in ihrem Besitz hatten. An diese Nutzung erinnern ein Epitaph des Ritters Hans von Schönberg neben dem Altar sowie Wappen und Bilder an der Herrschaftsempore.
Deutlich ist am Gebäude noch der romanische Baustil der Entstehungszeit mit dicken Bruchsteinmauern und schlitzbogenartigen Rundbogenfenstern zu erkennen.
Die Kirche ist als Saalkirche angelegt und besteht aus einem geräumigen Kirchenschiff, einem kleinen Chor und der halbkreisförmigen Apsis mit dem Altar. 1591 erhielt sie ihren heutigen, mehrfach erneuerten Dachreiter.
1686 wurden die Fenster der Südseite vergrößert. Von der früheren Ausmalung sind heute nur noch Reste erhalten – so etwa einige Weihekreuze und Bildfragmente im Chorraum.
Im Jahr 1919 wurde die Jakobikirche zur Gedenkstätte für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen umgewandelt und zugleich ein Ehrenfriedhof angelegt. Auch aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Ehrengräber befinden sich dort.
1976 wurden Dachreiter und Dach der Jakobikirche von einem Sturm teilweise zerstört. Erste Pläne sahen vor, das Dach komplett abzutragen und die Kirche als Ruine verfallen zu lassen. Es gab aber auch den Plan, das Sakralgebäude zu sichern und für das Heimatmuseum Wilsdruff zu nutzen. Doch es blieb bei der Idee, als sich die politischen Verhältnisse aufgrund der Friedlichen Revolution in der DDR grundlegend geändert hatten.
1984 wurde der umliegende Friedhof geschlossen und das Kirchengebäude der Stadt übereignet. Das war auch der Grund für den Ausbau des Altars, des Gestühls und der Kanzel.
Nach 1990 konnten die Sanierungsarbeiten fortgesetzt werden – finanziert von der Stadt Wilsdruff, der Stiftung „Leben und Arbeit“ und privaten Spendern.
Seit dem 24. Juni 2005 ist die Kirche wieder geweiht und die 30. ökumenische Autobahnkirche in Deutschland.
Nach Abschluss des Ausbaus sollen hier neben Andachten Ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden.
Historisches Geläut
Eine Besonderheit ist die um 1250 gegossene, in Bezug auf den heiligen Bischof Benno von Meißen, als Bennoglocke bezeichnete, große Glocke.
Ihre Wandung zeigt figürliche Glockenritzzeichnungen, die wahrscheinlich einen Fuchs darstellen, der den Gänsen predigt. Mit diesem Gleichnis sollte von „teuflischen Irrlehren“ abgehalten werden, wobei der Glockenschlag diese Absicht zur „Abwehr des Bösen“ noch fördern sollte. Die endgültige Deutung der Bildszenen steht noch aus; auch die Beziehung zu Bischof Benno ist nicht belegt.
Das Geläut bestand aus drei Bronzeglocken, eine aus dem 13. Jahrhundert und zwei aus dem 15. Jahrhundert. Die beiden letzteren Glocken wurden um 1985 abgehangen, als die Kirche urbanes Eigentum wurde.
Die älteste Glocke ist seit dem Jahr 1591 eine Dauerleihgabe der Evangelischen-Lutherischen Ortsgemeinde. Sie wurde um 1280 gegossen, ihr Gießmeister ist unbekannt. Ihr unterer Durchmesser beträgt 902 Millimeter, sie wiegt 450 Kilogramm und hat den Schlagton a′.
Autobahnkirche
Mit dem Jahr 2005 hat für das Kirchlein ein neues Nutzungskapitel begonnen: Unter dem Motto „Auftanken für die Seele“ machen die Stadt Wilsdruff, die Stiftung Leben und Arbeit, die Kirchgemeinde Wilsdruff und das Landhotel Keils Gut das Gotteshaus als Autobahnkirche zugänglich – mit der Nutzung für Gottesdienste, Ausstellungen, kulturelle Veranstaltungen und zur persönlichen Andacht.
Die komplette Sanierung dauert an, die Kirche ist weiter zugänglich. Sie ist täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet – die Bundesautobahn 4 befindet sich gut ein Kilometer nördlich.
Angekündigt wird eine naheliegende Autobahnkirche mit blauen Informationstafeln entlang der Autobahn. Einfach mal ausprobieren – den Zwischenstopp an der Autobahnkirche!
Koordinaten: 51° 3′ 5,9″ N, 13° 32′ 30,2″ O
Die Jakobikirche Wilsdruff auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakobikirche_(Wilsdruff)
Keine Kommentare bisher