Von nun an in Leipzig eine regelrechte Theaterkritik zu betreiben, kündigte am 2. Januar 1820 das tags zuvor neu erschienene „Leipziger Tageblatt“, damals noch „Allergnädigst privilegiert“, mit den Worten an: „Es ist dem Tageblatte einer Stadt, die ein eigenes Theater besitzt, unerläßliche Bedingung, über die Kunstleistungen ihrer Bühne zuweilen einige Nachricht zu ertheilen. (…) Nur die ersten Aufführungen neuer oder neu einstudirter Stücke sollen von uns parteilos beurtheilt werden.

Fremde Künstler, welche unser Theater als Gäste betreten, sollen sich einer gerechten Würdigung ihrer Leistungen zu erfreuen haben. Daß übrigens die Beurtheilung dem Stücke auf dem Fuße folgt, soll hoffentlich Beifall finden.“

So erschien dann am 4. Januar 1820 im „Leipziger Tageblatt“ die erste Theaterkritik über das am 1. Januar zuerst aufgeführte einaktige, seit 1804 bekannte Lustspiel „Der Wittwer“ von Johann Ludwig Deinhardstein, gefolgt von dem zum ersten Mal aufgeführten Lustspiel des August von Kotzebue „Capitain Belronde“.

Ankündigung der Theaterkritiken im "Leipziger Tageblatt" vom 2. Januar 1820. Foto: Digitalisat der SLUB Dresden
Ankündigung der Theaterkritiken im „Leipziger Tageblatt“ vom 2. Januar 1820. Foto: Digitalisat der SLUB Dresden

Im Deinhardsteinschen, für Privatbühnen geschriebenen Lustspiel, als „metrische Idylle“ bezeichnet, wirken drei Personen mit: Lise, Peter und Christel, Peters Sohn, sieben Jahre alt.

„Der Dichter will den Abscheu, welchen eine junge Dorfschöne gegen die Heirat mit einem Wittwer hat, durch die geistige und körperliche Liebenswürdigkeit des Kindes von einem Wittwer überwinden, welchem sie bereit war, ihre Hand zu geben, ehe sie dessen früheres Verhältniß erfuhr. In dem Bestreben, die Partie des Kindes recht interessant zu machen, läßt er dasselbe in einen Ton von höchst unnatürlicher Naivität fallen, welcher den Hörer für einzelne würklich schöne Züge der zwei Hauptpersonen erkälten muß. Die Verse – sind gereimt, jedoch nicht ohne poetische Härten.

Die Darstellung von Lisens und Peters Charakter war nicht übel, nur merkte man dem Letztern das Studium der Rolle zu sehr an. Das Kind, ein 21-jähriges Mädchen, fand gerechten lauten Beifall. Es hat uns geschienen, daß der Dichter für diese kleine Rolle einen bessern Darsteller fand, als er hoffen durfte.

Der Capitain Belronde in 3 Akten nach dem Französischen des Picard, von Kotzebue bearbeitet. Dieses Lustspiel voll französischer Leichtfertigkeit hat Kotzebue sehr glücklich umgeschmolzen. Er konnte dessen Fehler in der Anlage nicht gänzlich beseitigen, ohne ein ganz anderes Stück entstehen zu sehen. Es hat einige starke Stellen, die in der leichten französischen Conversations-Sprache leicht durchschlüpfen, gestrichen, dagegen anderes eingesetzt oder hervor gehoben, was in einer Sammlung kotzebuescher Zweideutigkeiten seinen Platz verdient. Ein Verstoß gegen dramatische Wahrscheinlichkeit ist besonders das Auftreten der Personen ohne gehörige Motivierung, gerade wie sie der Dichter braucht, besonders in den 2 letzten Akten.

Die Aufführung der Lustspiele findet bekanntlich auf unserem Theater immer noch einige Schwierigkeit. Leichtigkeit der Bewegungen; stummes Spiel; Verläugnung der Persönlichkeit fällt einigen, sonst geschätzten Mitgliedern, nur im Ensemble, oft schwer. Es ist aber schlimm, daß gerade im Lustspiele jedes einzelne Glied dem Ganzen sich vollkommen einpassen muß. Die Rolle des Capitains Belronde wurde vortrefflich gegeben.“

Das Lustspiel ist auch als Buchausgabe im Verlag von Paul Gotthelf Kummer in Leipzig 1817 erschienen; seit 1784 erschienen bei Kummer 106 Titel von Kotzebue.

Die „Leipziger allgemeine Zeitung“ 1837

In der „Leipziger allgemeinen Zeitung“ – sie erschien ab 1. Oktober 1837 – steht am folgenden Tage in einem Brief aus München eine erste Theaterkritik: „Auch zum hiesigen Theater wollte die Kammer nicht beisteuern, und das mit Recht. Wäre das Theater wirklich eine hohe Bildungsanstalt, dann würde es auch seinen guten Einfluß auf die Provinzen üben, und es wäre nicht mehr als billig, von ihnen einen Beitrag zu verlangen.

So aber könnte man es mehr eine Verbildungs- als eine Bildungsanstalt nennen, alle Stücke von höherem Interesse sind fast ganz davon verbannt, oder werden auf eine schläfrig gezwungene Weise dargestellt. Kann man nun von den Ständen zu einer Einrichtung Geld verlangen, die lediglich besteht, damit die Hauptstädter täglich einige Stunden todtschlagen?“

Die „Leipziger Volkszeitung“ 1894

In der „Leipziger Volkszeitung“ erschien gleich in ihrer ersten Ausgabe am 1. Oktober 1894 folgende Theaterkritik: „Neues Theater, 30. September. Hänsel und Gretel, Märchenoper von Engelbert Humperdink. Seit Richard Wagner ist es wohl keinem deutschen Opernkomponisten gelungen, sich zu so schneller und unbedingter Anerkennung durchzuringen, wie Engelbert Humperding, dessen Hänsel und Gretel gestern zum drittenmal in Leipzig unter großem Beifall in Scene ging.

Es war keine leichte Aufgabe, die dieser verdienstvolle Komponist sich gestellt hatte; galt es doch, deutsche Kunst in deutschen Landen wieder zu Ehren zu bringen und die affektierte Sentimentalität der in Mode gekommenen Italiener zu verdrängen. Humperdink hat diese Aufgabe gelöst. Seine Märchenoper durchweht ein Hauch naiver, sinniger Volkspoesie; eine an Mozart gemahnende, rührende Einfachheit, gewürzt durch einen oft köstlichen Humor, verbindet sich in diesem Werke mit großer dramatischer Ausdruckskraft und tiefempfundener Stimmungsmalerei.

Humperding wählte für seine Komposition den Stil der Wagnerschen Musikdramen erster Epoche, geht dabei jedoch selbständig und durchaus originell zu Werke. Die schlichte Handlung bietet leider keine Veranlassung, den Meister auch in einer tragisch bedeutsamen Scene kennen zu lernen, und dies ist schade, denn sollte er auch auf dem Gebiete der Tragik einem Rich. Wagner nahe kommen, dann darf die musikalische Welt gespannt auf sein ferneres Schaffen sein.“

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