Dieser Christian Fürchtegott Gellert soll ja zu Lebzeiten (*04.07.1715 Hainichen; †13.12.1769 Leipzig) neben Christian Felix Weiße der meistgelesene deutsche Schriftsteller gewesen sein. Aber eben nur zu Lebzeiten, denn 300 Jahre nach seiner Geburt stand tags zuvor auf der Kulturseite der LVZ Nr. 52 vom 3. Juli 2015 der Satz: „Dessen 300. Geburtstag feiert morgen jene literarische Welt, die den Leipziger Dichter, Roman- und Theaterautor, Aufklärer und Moralphilosophen ziemlich gründlich vergessen hat.“

Gellert schrieb Lustspiele und einen Roman. Seine 1746/48 erschienenen Erzählungen und Fabeln wurden viel gelesen, weil sie in einer klaren und verständlichen Ausdrucksweise geschrieben sind – so ganz anders, als man vom barocken Zierrat und herkömmlichen Kanzleistil gewöhnt war. Dieses Prinzip der Natürlichkeit hat Gellert für die damals wichtigste Kommunikationsform in seiner „Praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen“ (1751) dargelegt.

Das heutige Gellert-Grab auf dem Südfriedhof. Foto: Ralf Julke
Das heutige Gellert-Grab auf dem Leipziger Südfriedhof. Foto: Ralf Julke

Werner Marx zitiert im Nachwort seines 2013 herausgegebenen Buches „Christian Fürchtegott Gellert. Der alte Dichter & der junge Criticus. Fabeln. Gedichte. Briefe“ aus Goethes „Dichtung und Wahrheit“ seine Begegnung als Leipziger Student mit Gellert noch in dessen letzten Lebensjahren am Katheter: „Die Verehrung und Liebe, welche Gellert von allen jungen Leuten genoss, war außerordentlich.

Ich hatte ihn schon besucht und war freundlich von ihm aufgenommen worden. Nicht groß von Gestalt, zierlich, aber nicht hager, sanfte, eher traurige Augen, eine sehr schöne Stirn, eine nicht übertriebene Habichtnase, ein feiner Mund, ein gefälliges Oval seines Gesichts, alles machte seine Gegenwart angenehm und wünschenswert.“

Goethe war es auch, der Gellerts Morallehre als „Fundament der deutschen sittlichen Kultur“ bezeichnete.
Auch so manchen Einwohner im sächsischen Hainichen erfüllte es mit Stolz, einen der Ihren als berühmten Dichter und seit 1745 an der Universität Leipzig arbeitenden akademischen Lehrer zu wissen, ab 1751 gar als außerordentlichen Professor für Philosophie. Stolz wollten aber auch nicht ortsansässige einstige Mitschüler und Spielgefährten sein.

„Wenn man in Leipzig die Dresdner Straße, von der Stadt kommend, hinabgeht, sieht man eine einsame Kirche vor sich stehen, die ihren schlanken Thurm hoch in die Lüfte erhebt; sie erscheint so einsam, weil der Kirchhof, der sie früher umgab, weggeräumt ist, und somit die Todten ihre Kirche haben verlassen müssen. Nur ein Grab ist geblieben und das ist das Gellert's. Es besteht in einer einfachen Steinplatte mit dem Reliefbildniß des edlen Todten und einer Anpflanzung von Cypressen, die einen kleinen, von einem Eisengitter umfriedeten Raum schmücken. Gellert allein, von Allen, die hier entfernt wurden, ist geblieben; an seine Ruhestätte hat die Hand, die hier aufräumte, nicht rühren dürfen. Aber wie lange wird er noch sein Plätzchen behalten?“ („Die Gartenlaube“ 1857, Heft 23, S. 312, 313, Abb. gemeinfrei).
„Wenn man in Leipzig die Dresdner Straße, von der Stadt kommend, hinabgeht, sieht man eine einsame Kirche vor sich stehen, die ihren schlanken Thurm hoch in die Lüfte erhebt; sie erscheint so einsam, weil der Kirchhof, der sie früher umgab, weggeräumt ist, und somit die Todten ihre Kirche haben verlassen müssen. Nur ein Grab ist geblieben und das ist das Gellert’s. Es besteht in einer einfachen Steinplatte mit dem Reliefbildniß des edlen Todten und einer Anpflanzung von Cypressen, die einen kleinen, von einem Eisengitter umfriedeten Raum schmücken. Gellert allein, von Allen, die hier entfernt wurden, ist geblieben; an seine Ruhestätte hat die Hand, die hier aufräumte, nicht rühren dürfen. Aber wie lange wird er noch sein Plätzchen behalten?“ („Die Gartenlaube“ 1857, Heft 23, S. 312, 313, Abb. gemeinfrei).

So machten sich dann eines Tages, wie „Die Gartenlaube“ 1874 im Heft 10 berichtet, die Bauern Wohlgemuth, Schütze, Müller und Zobel aus dem nahe gelegenen Berthelsdorf auf den zur damaligen Zeit beschwerlichen Weg nach Leipzig, um die Messe zu besuchen, mal so richtig was zu erleben! Die Vier besannen sich aber bald auf Gellert, überwanden ihre Scheu und besuchten ihn, den einstigen Spielgefährten, in seiner bescheidenen Junggesellenwohnung.

Sie wurden von Gellert herzlich empfangen. Als sie gehen wollen, fiel ihnen ein, dass sie ja keinen Beweis vom Besuch haben, um glaubwürdig zu Hause berichten zu können. Sie baten um ein paar Zeilen und beim Zurücktreten ins Zimmer behielten Müller und Zobel ihre Mützen auf dem Kopf! Gellert besah sich die Vier etwas länger, setzte sich dann schmunzelnd an seinen Tisch, schrieb etwas auf einen kleinen Zettel, klebte diesen zu, übergab ihn den Bauern.

Zu Hause angekommen, versammelte man sich erwartungsvoll in einem Gasthofe. Viele Leute, des Lesens unkundig, kamen, um beim Vorlesen dabeizusein. Auf dem Zettel stand nur folgendes Verslein und es gab viel Gelächter:

Wär’ ich immer wohlgemuth
Und ein guter Schütze,
Schöß ich Müllern durch den Hut,
Zobeln durch die Mütze.

1847 erschien im Verlag J. J. Weber Leipzig im 5. Band von Heinrich Laubes Dramatischen Werken das Charakter-Lustspiel „Gottsched und Gellert“. Die 305 Seiten (davon 44 S. Einleitung) sind im Internet bei Google Books einsehbar.

Hainichen im sächsischen Erzgebirge hat seit 20. Juni 1985 ein eigenes Gellert-Museum, dessen Geschichte 1893 mit einem Aufruf des Bürgermeisters Georg Bernhard Friedel, im Rathaus Andenken an „unseren Gellert“ zu sammeln, begann. Viel mehr darüber zu erfahren ist im Internet auf der Website der Stadt.

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