Bekanntlich verließen um die Jahresmitte 1409 deutsche Magister und Studenten die Prager
Universität und die meisten von ihnen gingen nach Leipzig. Hier schuf eine Bestätigungsbulle des Papstes Alexander V. vom 9. September 1409 die Grundlage für ein Studium generale und damit für die offizielle Anerkennung der Universität Leipzig. Am 2. Dezember 1409 war dann in Anwesenheit der wettinischen Landesherren im Thomaskloster die feierliche Eröffnung.
Seit ihrer Gründung im Jahre 1409 waren also 400 Jahre vergangen. Damit stand zum vierten Male eine nun besondere Jubiläumsfeier an.
Ein Vorzug der Universität Leipzig stand gleich in der ersten Ausgabe der Zeitung „Leipzig“ v. 1. Juli 1807: „Leipzigs Bewohner leben hauptsächlich von Handel, erwerben dadurch Wohlstand und Unabhängigkeit, und machen sich durch den Umgang eine Politur zu eigen, die auf keinen geringen Grad von Kultur schließen läßt. Der Leipziger Kaufmann lebt nicht von der Universität, allein als gebildeter Mann wünscht und sucht er den Umgang mit Gelehrten und Studierenden.
Diese treten dadurch aus ihrer Studierstube heraus in das geschäftliche Getümmel der Welt, haben Gelegenheit sich Kenntnisse zu verschaffen, welche kein anderer Ort darbietet, als eine große Handelsstadt. Beyde Classen, der Gelehrte und Kaufmann, sind von einander unabhängig, beyde suchen einander zu gefallen, beyde theilen einander ihre Einsichten mit, und aus diesem wechselseitigen Umgange entstehen für den Gelehrten und den Studierenden Vortheile, welche ihnen keine andere Universität in Teutschland gewährt.“
Eine Feier für ganz Leipzig
Man sah diesem 9. September 1809 mit Bangen entgegen, denn es herrschte ja noch Krieg zwischen Frankreich und Österreich und das Königreich Sachsen hatte als Mitglied des Rheinbundes am 24. April Österreich offiziell den Krieg erklärt. Am 11. Juni hatten die Österreicher sogar Dresden besetzen können, wurden aber von den Franzosen nach kurzer Zeit wieder vertrieben. Der am 14. Oktober geschlossene Friede erlaubte es nun, wieder an die Feier zu denken und diese vorzubereiten.
Der König veranlasste eine Unterstützung der Säkularfeier in Höhe von 3000 Talern. Allen deutschen Universitäten wurde die Feier angekündigt, eingeladen aber wurden nur die Universitäten Wittenberg, Jena und Halle.
Die Feierlichkeiten begannen, wie der Zeitung „Leipzig“ vom 7., 8. und 14. 12. 1809 zu entnehmen ist, am 4. Dezember um 5 Uhr früh, mit Glockengeläut von allen Türmen der Stadt Leipzig. An mehreren Orten sammelte man sich ab 8 Uhr, um sich dann, geleitet von studentischen „Marschällen“, in die Thomaskirche zu bewegen und sich dort, wieder begleitet vom Geläut aller Turmglocken, gegen 10 Uhr als feierlicher Festzug zu formieren.
Alle Persönlichkeiten von Rang und Namen waren dabei, auch viele von auswärts. Der Zug ging nach der Pauliner- bzw. Universitätskirche, wo ein feierlicher Gottesdienst gehalten wurde, an dem noch viele andere Leute teilnahmen. Mit einem üppigen Mittagsmahl an mehreren hundert Gedecken gingen die öffentlichen Feierlichkeiten an diesem Tage zu Ende.
Auch privat traf man sich zu teils gelehriger, teils fröhlicher Runde.
Am Abend des nächsten Tages, des 5. Dezember, liefen die Studenten der Universität in vorzüglicher Ordnung mit einem Fackelzug durch die Stadt. Wieder mit Gästen von anderen Universitäten, mit Vivat-Rufen auf den Landesherren und die eigene Universität, bestaunt und bejubelt von der Bevölkerung. Im Anschluss und den Feiertag abschließend fand dann ein von der Universität veranstalteter Ball im Gewandhaus statt.
Es begann mit einer privaten Stiftung
Schon 25 Jahre vorher, 1784, hatte Prof. Christian Daniel Beck eine private philologische Gesellschaft gestiftet, deren Mitglieder sich mit alter Literatur und deren Schriftsteller beschäftigten und die sich durch mehrere Schriften ihrer Mitglieder bekannt gemacht hatte. Bei einem Besuch in Leipzig Anfang Mai 1809 erhob nun der sächsische Landesherr diese Gesellschaft zu einem öffentlichen Institut mit gleichem Namen und ernannte Hofrat Beck zum Direktor.
Die zwölf mit Stipendien unterstützten Zöglinge (wie man damals Schüler/Studenten bezeichnete) des Seminariums sollten so gut wie möglich mit klassischer Bildung ausgestattet, zu brauchbaren Lehrern an gelehrten Schulen herangebildet werden.
Die feierliche Eröffnung des philologischen Seminariums am 6. Dezember 1809 nachmittags 5 Uhr gehörte jetzt auch zur Säkularfeier. Der Direktor hielt vor einer zahlreichen Versammlung aus höheren Beamten und namhaften Gelehrten im Auditorium eine in Latein geführte Dankesrede an den Stifter. Darauf bot ein anderer Redner eine Abhandlung über philosophische alte Sprachforschung und die zweckmäßige Verbindung der Geschäfte des Grammatikers und des Philosophen.
Es folgte eine praktische Übung mit Schülern, den Theophrast in deutscher Sprache zu erklären – als Beispiel für Übungen, die wöchentlich fortgesetzt werden sollten. Der Direktor dankte schließlich und beendete das Ganze mit einem Vers aus einem griechischen Klassiker: „Was man auch immer beginnt, ist ungewiß; / keiner der Menschen, / Hat er den Anfang gewagt, kennt das erwartende Ziel. / Dieser verfolgt die Bahn des strahlenden Ruhmes, und trampelt / In den Abgrund der Schmach, ehʻ er es ahnet, hinab. / Jenem, bereitet ein Gott in Jeglichem, was er begonnen, / Glück und frohen Erfolg, dericeroʻs Academica.“
Aus Anlass der Säkularfeier waren zwei Schriften erschienen
Die erste, ein „Weihgeschenk, der Universität Leipzig bey ihrer vierten Sekularfeyer den 4. Dec. 1809 dargebracht von der ästhetischen Gesellschaft unter dem Vorsitz des M. Amadeus Wendt, Lehrers der Philosophie auf dieser Universität. Leipzig bey Beygang.“ (Der Buchhändler Johann Gottlob Beygang (1755–1823) besaß seit 1795 in der Petersstraße 35 ein „Museum für Freunde der Wissenschaften, der schönen Künste und Lektüre“.
Die Schrift enthielt ein Gedicht von Wendt mit historischen Anmerkungen über Schicksale der Universität mit dem Titel „Philurea“. Es soll ein sehr gelungenes Werk gewesen sein. Die Schrift enthielt noch eine Abhandlung über das Wesen der Ästhetik und ihren Einfluss aufs Leben eines Herrn Herzog, Lehrer der Leipziger Bürgerschule; diese Abhandlung war aber weniger bedeutsam.
Die zweite Schrift trug den Titel „Der Organismus menschlicher Wissenschaft und Kunst. Dargestellt von D. Karl Friedrich Burdach. Leipzig bey Mitzky und Comp.“
Sie wurde gleich nach Erscheinen zu den bedeutendsten und gehaltvollsten Gelegenheitsschriften angesehen, welche seit geraumer Zeit erschienen sind. Einleitend würdigt der Verfasser das große Fest, dem das Werk seine Entstehung verdankt. Und die wohlgelungene Ausstattung der Schrift ist ein Verdienst der noch unbekannten Verlagsbuchhandlung Mitzky und Comp.
„Der durch mehrere medicinische und physiologische Schriften vortheilhaft bekannte Hr. Verf. stellt in diesen Blättern eine wirklich originelle Ansicht von dem inneren Wesen aller menschlichen Geistesfähigkeiten, in so fern sie Kunst und Wissenschaft zum Gegenstande haben, auf eine so lichtvolle Weise dar, daß der Verstand ohne große Anstrengung und mit angenehmer Befriedigung der mit sicherer Hand geleiteten Entwickelung des aus einer großen Idee entspringenden Ganzen folgt.
Der Vortrag ist rein und bestimmt, ohne trocken zu werden, so daß auch der Nichtgelehrte mit angenehmer Befriedigung dem Gange des Verf. zu folgen vermag“, so die Beschreibung in der Zeitung „Leipzig“ vom 12. Dezember 1809. Soweit eine zeitnahe Überlieferung.
Aus heutiger Sicht gibt es eine fundierte, ausführliche Ergänzung von Matthias Donath unter dem Titel: „Zwischen ,Augiasstallʻ und ,Universitas litterarumʻ. Die Universität Leipzig um 1800“, mit dem Untertitel: „Die Säkularfeier 1809 als Spiegel der Universitat“ in den „Beiträgen zur Sozial- und Kulturgeschichte. Leipzig um 1800“ von Thomas Topfstedt und Hartmut Zuwahr, S. 43–60, Sax-Verlag Beucha 1998, mit 2 Abb. (Rektor und Dekane/Studenten in ihren Uniformen zur Feier 1809) und einer Liste der Studentenverbindungen in Leipzig bis zum Jahre 1830.
Gedenken nach 100 Jahren
Am 6. Dezember 1909 beging das (damals so bezeichnete) klassisch-philologische Seminar der Universität Leipzig in seinem Bibliotheksraum die Feier seines hundertsten Geburtstages.
Es ist, abgesehen von der medizinischen Klinik, das älteste der akademischen Institute der Universität.
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