Richard Wagner, erst 19 Jahre alt, komponierte nach seinen ersten beiden Orchesterwerken, zwei Ouvertüren, im Jahre 1832 seine Symphonie C-Dur. Wie er am 16. Dezember an seinen Freund Theodor Apel schreibt, war das „mein bis jetzt kräftigstes Werk, meine Symphonie“, die er „in einem Zeitraum von sechs Wochen vollendete“. Die Ouvertüre und Schlussmusik im 5. Akt zu „König Enzio“ von Ernst Raupach und die Konzertouvertüre in C-Dur, uraufgeführt am 16. März bzw. 30. April 1832, waren bereits erfolgreich vom Publikum im Königl. Sächs. Hoftheater zu Leipzig aufgenommen worden.

Sein drittes Werk, die Symphonie C-Dur, wurde zum ersten Mal im Saal der Schneiderherberge am Thomaskirchhof aufgeführt.

Wagner erinnert sich in seiner Biografie „Mein Leben“ noch an den Ort, wo diese Aufführung „in der Leipziger ‚Schneider-Herberge‘ vor sich“ ging: „in dieses ehrwürdige Lokal hatte sich nämlich die ‚Euterpe‘ zurückgezogen. Es war ein schmutziger, enger, schmählich erleuchteter Raum, in welchem, unter gemeinsamer Wirkung des Orchesters, mein Werk dem Leipziger Publikum zum ersten Male vorgeführt wurde.

Mir ist dieser Abend durchaus nur wie ein garstiger Gespenstertraum in Erinnerung geblieben: denn mehr überraschte mich die bedeutungsvolle Aufnahme, welche Laube dieser Aufführung gab. (Heinrich Laube, der Redakteur der ‚Zeitung für die elegante Welt‘ ab 1832 – P.U.).“

„Euterpe“ nannte sich ein Leipziger Orchesterverein, der sich 1829 unter dem Namen „Musikverein Euterpe“ formierte und fortan regelmäßig Konzerte in verschiedenen Sälen der Stadt gab – benannt
nach einer der neun Musen.

So stand also die Erstaufführung der Symphonie C-Dur von Richard Wagner unter dem Schutz einer antiken Schutzgöttin der Musik. Hier also, im Saal der Schneider-Herberge, dirigierte Christian Gottlieb Müller (1800–1863, 1831 bis 1838 Musikdirektor des Musikvereins), selbst Geiger und Komponist, am 15. Dezember 1832 die öffentliche Erstaufführung von Richard Wagners Symphonie C-Dur WWV 29.

Die Symphonie wird, als „Neu“ deklariert, am 10. Januar 1833 im 12. Abonnement-Konzert im Saale des Gewandhauses als erster Programmpunkt geboten. Die Symphonie gilt daraufhin, bis 1887, „seit jener Zeit vollkommen vergessen.“ Sie soll nun im kommenden Winter in Berlin durch die königliche Capelle aufgeführt werden.“

Eine „vor einigen Tagen“ durchgespielte Probe „rief durch die Frische der Erfindung und die glänzende Instrumentation, besonders aber durch die Meisterschaft der Factur die ungetheilte Bewunderung aller Ausführenden hervor“, berichtete das Leipziger Tageblatt (LT) am 16. September 1887. Dann, am 30. November 1887, war es endlich so weit: Unter Leitung von Arthur Nikisch (1855–1922) wurde ein Richard-Wagner-Konzert geboten, mit der Symphonie C-Dur WWV 29 („Zum ersten Male“), 4 Liedern, der Faust-Ouvertüre und Szenen aus Parsival.

Bildhauer Konstantin Dausch (1841–1908) hat 1875, ab 1873 in Rom arbeitend, diese in Carraramarmor ausgeführte Skulptur der Euterpe geschaffen, die dann „in den Salon des kunstsinnigen Herrn Kocher nach Manchester wanderte“. (Abb. entnommen der „Illustrirten Zeitung“ Nr. 1683 v. 02.10.1875, S. 264, ohne weitere Angaben)
Der Bildhauer Konstantin Dausch (1841–1908) hat 1875, ab 1873 in Rom arbeitend, diese in Carraramarmor ausgeführte Skulptur der Euterpe geschaffen, die dann „in den Salon des kunstsinnigen Herrn Kocher nach Manchester wanderte“. (Abb. entnommen der „Illustrirten Zeitung“ Nr. 1683 v. 02.10.1875, S. 264, ohne weitere Angaben)

Was ist nun zwischen jenem 10. Januar 1833 und dem 30. November 1887 geschehen? Auskunft geben uns zwei Quellen: Der Brief von Wagner an das „Musikalische Wochenblatt“, an Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch, veröffentlicht in der Nr. 3 vom 11. Januar 1883, und die Rezension von Martin Krause im LT vom 2. Dezember 1887 über das Wagnerkonzert, wobei Krause die Fakten dem Brief an Fritzsch entnommen hat.

Das letzte Weihnachtsfest

Sein letztes Weihnachtsfest erlebt Richard Wagner 1882 in Venedig. Seine Frau Cosima Francesca Gaetana (1837–1930) will er zu ihrem 45. Geburtstag am 24. Dezember mit einer privaten Aufführung seiner vor fünfzig Jahren entstandenen Sinfonie in C-Dur, die er dirigieren will, im Teatro La Fenice überraschen. Bei den Proben gibt es Probleme, er erzählt ihr davon und „verplappert“ sich dabei.

Möglich wird die private Aufführung, weil ein Stimmsatz der Partitur wieder aufgefunden wird. Anton Seidl, einer seiner Assistenten aus der Nibelungenkanzlei, von Wagner im Jahre 1878 beauftragt, kann die Partitur wiederherstellen und Wagner bearbeitet sie mit kleinen Änderungen.

Über die Aufführung am 24. Dezember 1882 im Teatro La Fenice schreibt Cosima am 24. Dezember 1882 in ihr Tagebuch: „Gegen 7 ½ Uhr fahren wir bei herrlichstem Mondschein und unter Glockengeläute in die Fenice, drei Gondeln. Eva darf mit uns sein! Der Saal festlich erleuchtet; der Vater, die Kinder, ich zuerst [hin]ein, freundlich empfangen. Etwas später R., jubelnd empfangen. Die zwei ersten Sätze werden ziemlich rasch hintereinander gespielt, dann entsteht eine Pause, R. kommt zu mir und zu meinem Vater, spricht sehr heiter mit mir.

Ich lasse den Orchester-Mitgliedern danken, was mir ein Evviva einbringt. Am Schluß kommen die Musiker zu uns, man trinkt auf mein Wohl. Dann sagt R. meinem Vater in’s Ohr: ‚Hast du deine Tochter lieb?‘ Dieser erschrickt; ‚dann setze dich an das Klavier und spiele‘. Mein Vater tut es sofort zur jubelnden Freude aller. Dann erzählt R. französisch die Geschichte seiner Symphonie; gegen elf Uhr fahren wir heim, Venedig wie in blauer Verklärung! Die Kinder entzückt von dem Abend, R. sehr befriedigt!“

Vier Tage später geht die Familie gemeinsam „bei herrlichstem Sonnenschein“ spazieren und auch Richard Wagner ist „besonders gut gestimmt, weil er seine Arbeit – den Bericht über die Symphonie – beginnen konnte. Das schwemmt bei ihm stets allen Ärger weg.“

Gemeint ist der Bericht über die Wiederaufführung seines Jugendwerkes an den Herausgeber des „Musikalischen Wochenblattes“. Den Bericht vollendet Wagner noch im alten Jahr. Am 31. Dezember 1882 schickt er das Manuskript an den Leipziger Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch, der ihn im Heft 3 des Wochenblattes (11.01.1883) und später in Band 10 von Wagners Gesammelten Schriften veröffentlicht.

Die im Beitrag erwähnten und im Internet leicht zugänglichen Dokumente sind auf alle Fälle eine gut lesbare und aufschlussreiche Lektüre!

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