Ernst Moritz Arndt (1769–1860) schlug in seiner im September 1814 erschienenen 22-seitigen Schrift „Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht“ (Frankfurt am Main, bei P. W. Eichenberg) vor, den Jahrestag der Völkerschlacht zu einem nationalen Gedenktag zu erheben; gleichzeitig trat er für die Errichtung eines Nationaldenkmals auf dem Leipziger Schlachtfeld ein.

„Daß auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenkmal errichtet werden muß“, so seine Begründung, „das dem späteren Enkel noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813 geschehen, darüber ist ganz Teutschland, ja wohl fast in der ganzen Welt nur Eine Stimme. Aber wie und in welcher Art dieses Denkmal errichtet werden soll, darüber werden die Stimmen gewiß eben so verschieden lauten, als sie über das Erste einig sind.“

Wenig später kam Arndt dann zu seinen Vorstellungen über die Gestaltung des Denkmals, deren erste zwei Sätze wohl die entscheidenden sind: „Das Denkmal muss draussen stehen, wo so viel Blut floß; es muß so stehen, daß es ringsum von allen Straßen gesehen werden kann, auf welchen die verbündeten Heere zur blutigen Schlacht der Entscheidung heranzogen. Soll es gesehen werden, so muß es groß und herrlich seyn, wie ein Koloß, eine Pyramide, ein Dom in Köln.“

Achtzig Jahre später griff der eigens zu diesem Zweck am 26. April 1894 von Architekt Clemens Thieme (1861–1945) gegründete „Deutsche Patriotenbund zur Errichtung eines Völkerschlachtdenkmals bei Leipzig“ diese Anregung auf. Der Bund stellte sich die Aufgabe, den Bau mithilfe von Beiträgen der Vereinsmitglieder, Lotterie- und Spendengeldern zu finanzieren und die Fertigstellung bis zur Einweihung zum 100. Jahrestag der Schlacht am 18. Oktober 1913 zu gewährleisten.

Die Satirezeitschrift „Der wahre Jacob“ Nr. 245 vom 16.11.1895, S. 2057 machte mit dem Reim „Das projektirte Denkmal der Leipziger Völkerschlacht in Leipzig“ seine Leserschaft auf seine Art mit dem Vorhaben bekannt:

„In der großen Seeschdadt Leibzig
Da grassird de Denkmalswud,
‘s is unglooblich, wem man Alles
Dorden Schdeene setzen duhd.

Wieder ham se jetzt än großen
Sachsen Ganz verflixten Blan gemachd,
Denn ä Denkmal woll’n se bauen
For de Leibz’ger Völkerschlachd.

Ja, das waren große Zeiden!
Dapfer fochd Nabolion, h
Breißen, Russen, Oesterreicher
Dahden ihm Verderben drohn.

Doch de Bolen un de Sachsen
Schdanden zur Franzosen-Schaar,
Und se griegden ihre Hiebe,
Wie de Schlachd verloren war.

Breißen nahm ä Häppchen
Sich als Beude hinderher,
Sachsens Geenig ward gefangen –
‘s war ä gräßliches Malhär.

Zum Gedächdniß solcher Hiebe,
Zum Gedächdniß solcher Schmach
Mißd ihr eich ä Denkmal bauen,
Sonst vergeßd ihrsch nach und nach.“

Nachdem es schon vorher abgelehnte Denkmal-Entwürfe gegeben hatte, engagierte der Bund den Architekten des Kyffhäuserdenkmals, Prof. Bruno Schmitz (der für seinen Denkmal-Entwurf einen 4. Preis im Ideenwettbewerb von 1896 bekommen hatte). Dieser legte 1898 seine Pläne für das Völkerschlachtdenkmal zunächst dem Kaiser Wilhelm vor, dann wurden sie in der großen Berliner Kunstausstellung gezeigt und danach dann auch in Leipzig. Der Entwurf erhielt eine hohe Auszeichnung: mit Genehmigung des Kaisers die Große Goldene Medaille auf der Internationalen Berliner Kunstausstellung.

Vom Herausgeber und verantwortlichen Redakteur der „Gartenlaube“ Adolf Kröner favorisiert, erscheint – neben einer detaillierten Beschreibung im Heft – bereits auf dem Titelblatt des Heftes 30/1897 des Familienblattes dieser Entwurf (Wikisource, gemeinfrei).
Vom Herausgeber und verantwortlichen Redakteur der „Gartenlaube“ Adolf Kröner favorisiert, erscheint – neben einer detaillierten Beschreibung im Heft – bereits auf dem Titelblatt des Heftes 30/1897 des Familienblattes dieser Entwurf. Quelle: Wikisource, gemeinfrei

Damit war auch für den Patriotenbund und den Leipziger Rat der Stadt klar: Mit dieser höchsten Auszeichnung hatte der Denkmal-Entwurf einen noch höheren künstlerischen Wert bekommen. So konnte dann bei der königl. Amtshauptmannschaft das Gesuch mit den beigefügten Zeichnungen im Maßstab 1:100 um Erteilung der Baugenehmigung eingereicht werden.

Und welcher Anblick bot sich den Beamten?

„Unser Bild stellt die Vorderansicht des gewaltigen Denkmals dar. 90 m erhebt sich die Vorderfront über den Boden, während ein künstlich geschaffener Hügel sich bis zu 30 m Höhe an der Rückseite des Denkmals hinanzieht. Der Untergrund des dreigeteilten Baus ist 80 m breit. Rechts und links vorn leiten über einen terrassenförmigen Unterbau breite Treppen zu einer groß angelegten Terrasse empor.

Die Mauerwand, welche zwischen den Treppenaufgängen sichtbar ist, zeigt als Schmuck ein Reliefbildwerk, das in der Gestalt des heiligen Michael das Erwachen des deutschen Volkes und dessen siegreiche Erhebung gegen seine Unterdrücker darstellen soll. Von der oberen Terrasse strebt ein in der Höhe sich verjüngender viereckiger Turmbau auf, der eine Halle in sich birgt, deren Wandflächen von vier hohen Bogenöffnungen durchbrochen sind. Nach vorn zu ist die Halle durch einen halbkreisförmigen Säulengang abgeschlossen.

Das Ganze krönt ein säulengetragener Rundbau, der mit einem Kranz von Kugeln geschmückt ist und nach oben in einem von monumentalen Löwen gehaltenen Eisernen Kreuz seinen Abschluß findet. Trotz aller Wuchtigkeit der Massen erweist sich das Denkmal als ein fein durchdachtes wohlgegliedertes Architekturwerk, das einen mächtigen erhebenden Eindruck hinterläßt.

Im Innern des Denkmals führen Treppen bis zur höchsten Spitze empor, von wo aus man Leipzigs weites Schlachtgefilde überblicken kann“, heißt es im „Illustrierten Familienblatt“, mit dem Denkmal-Entwurf auf der Titelseite.

Die Behörde genehmigte das Gesuch ohne Einsprüche und der erste Spatenstich konnte feierlich am 18. Oktober 1898 erfolgen. Für die patriotisch gesinnte Bürgerschaft Leipzigs war dieser Dienstag im Oktober ein Festtag. Auf dem 42.500 Quadratmeter großen Denkmalgelände im Südosten der Stadt loderten die „Oktoberfeuer“. Der Deutsche Patriotenbund hatte zu einem „Commers“ eingeladen, und Tausende waren der Einladung in den Krystall-Palast gefolgt.

Ein Commers für die Patrioten

Aus dem Inhalt der gehaltenen Reden sei hier nur ein Satz aus der Begrüßungsrede des Vorstands-Vorsitzenden des Patriotenbundes Clemens Thieme genannt: Die Errichtung des Völkerschlachtdenkmals sei nicht die Angelegenheit nur einer Person, eines Vereins oder einer Stadt, sie sei die Angelegenheit des gesammten deutschen Volkes, sie sei eine alte deutsche Ehrenschuld. Telegramme gingen an den deutschen Kaiser und den sächsischen König ab.

Erwähnenswert aus dem Bericht der Abendausgabe des Leipziger Tageblatts vom 19. Oktober 1898 sind die Absätze am Schluss:

„Einen hohen, unvergleichlichen Genuß boten die den Commersabend verschönende Gesangsvorträge, die unter Leitung des Herrn Chormeisters Wohlgemuth vom Leipziger Männerchor in geradezu classischer Weise geboten wurden. Der aus den besten Stimmen gleichmäßig zusammengesetzte Chor erwies sich überall sattelfest, mochte es den elegischen Zug zu betoten geben oder den kraftvollen, fortreißenden, wie er in Winklers ,Reiterliede‘ lag.

Für sein Eintreten zu Gunsten des Abends konnte man ihm von Herzen dankbar sein; er selbst vollbrachte eine neue ehrenvolle musikalische That. Rühmenswerthes bot auch die Capelle des 107. Regiments, die unter dem Königl. Musikdirector Walther zu Beginn des Festabends Richard Wagner’s wuchtigen Kaisermarsch in tadelloser Klarheit seiner Tonsprache und darauf Webers ,Jubel-Ouvertureʽ mit ihrer überwältigenden Macht der Weihe spielte und später eine Reihe der Stunde angemessene patriotische Stücke hinzufügte.

Ohne ,gesammeltʽ zu haben ging man natürlich nicht auseinander: Es konnten nach einem freundlichen Appell an die Herzen der Patrioten wiederum 412,34 M dem Fonds überwiesen werden. Als man nach dem wohlgelungen verlaufenen Commers die Halle der Krystall-Palastes, auf deren Colossalwand die Flucht Napoleon’s aus Leipzig dargestellt erschien, verließ, war schon Mitternacht herangekommen. -m.“

In der Leipziger Volkszeitung Nr. 243 vom 19.10.1898, Seite 7, endet der sarkastisch-kritische detaillierte Bericht über das „welterschütternde Ereignis“ mit dem Satz: „Nur eines behaupte man später einmal nicht, nämlich, daß dies Produkt einer künstlichen Mache wirklich eine Schöpfung sei, herausgeboren aus dem einmütigen Geist und unmittelbaren Verlangen des deutschen Volkes.“

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