Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein beeindruckendes Gotteshaus in Dresden. Wer eine Bilderkirche betritt, legt den Kopf in den Nacken: Gemälde an der Decke des Kirchenschiffs zeigen Personen und Szenen aus der Bibel.

Um eine dieser besonderen, auch „Bibelkirchen“ genannten Gotteshäuser in Mitteldeutschland geht es heute: die Kirche Leubnitz in Leubnitz-Neuostra im Süden von Dresden.

Die evangelisch-lutherische Kirche Leubnitz ist ein Sakralbau der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresdens Stadtteil Leubnitz-Neuostra. Sie zählt zu den ältesten Kirchen der Stadt und ist als „Bilderkirche“ einzigartig in und um Dresden. Die Kirche vereint Baustile von der Romanik bis zum Barock und gilt auch baustilistisch als eine der reizvollsten Kirchen Dresdens.

Lage und Vorgeschichte

Die Kirche Leubnitz wurde auf einer Anhöhe des Dorfes Leubnitz errichtet. Sie umgibt ein großzügiger Kirchhof, der als Friedhof genutzt wird und kontinuierlich erweitert wurde.

Nicht bekannt ist, wann die erste Leubnitzer Kirche entstand. Da Leubnitz an der Handelsstraße von Mittelsachsen nach Böhmen lag, wird vermutet, dass der Ort bereits im 10. Jahrhundert eine Missionskirche hatte.

Große Bautätigkeiten begannen nach Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Leubnitzer Kirche erhielt erste Emporen, ab 1666 fanden grundlegende Dacharbeiten statt, sodass anschließend bis 1671 im Inneren eine hölzerne Felderdecke eingezogen werden konnte.

Die Felderdecke wurde von 1671 bis 1673 vom Dresdner Künstler Gottfried Lucas ausgemalt. Auch die Emporenfelder erhielten eine reiche Ausmalung im Stil des frühen Barocks. Zudem wurden bereits um 1667 die Fenster im Stil des Barocks verändert. Die Renaissance-Kanzel aus dem Jahr 1577 wurde 1662 durch einen Schalldeckel ergänzt.

Die Kirche Leubnitz (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419252)
Kirche Leubnitz (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419252)

Jüngere Geschichte

Eine größere Renovierung der Kirche gab es von 1874 bis 1889. Dabei wurden das Maßwerk an den Südfenstern der Kirche und auch die einfachen Butzenscheiben entfernt.

Der spätgotische Ostgiebel wurde vereinfacht und das alte Ziegeldach erneuert. Zudem erhielt die Kirche einen nordöstlichen Anbau in Formen der romanischen Gotik. Im Inneren erfolgten Malerarbeiten unter anderem im Altarbereich.

Vermutlich gab es schon um 1874 erste Risse im Mauerwerk, die auch 1974 in einem Gutachten festgestellt wurden und deren Bildung bis zur Ursachenfindung 2002 anhielt.

1918 wurde wegen des schlechten baulichen Zustands der Kirche eine grundlegende Innenrenovierung angemahnt, jedoch wegen leerer Kassen nach Ende des Ersten Weltkriegs nicht umgesetzt. Man beschränkte sich auf die dringlichsten Renovierungen.

In den Jahren 1922 und 1923 bemalte Karl Schulz die Innenkirche samt Nordemporen neu beziehungsweise frischte Farben auf. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kirche nahezu unversehrt, so gab es nur leichte Schäden am Dach und an den Fenstern.

Unter der Leitung des Instituts für Denkmalpflege folgte schließlich ab 1968 die zehnjährige, umfangreiche Restaurierung der Kirche. Helmar Helas restaurierte unter Mitarbeit von Peter Taubert Altar, Kanzel und Karcher-Epitaph. Der Kirchenraum wurde geweißt und die himmelblaue und mit goldenen Sternen ergänzte Ausmalung des Altarraums aus dem Jahr 1874 entfernt. Helmar Helas und Werner Wischniowski reinigten und konservierten zudem 1974 die Felderdecke.

Die Rissbildung im Mauerwerk wurde erstmals 1993 mithilfe von Bohrungen im Kirchberg untersucht, blieb jedoch ergebnislos. Zu dieser Zeit waren nicht nur große Risse im Gewölbe des Chorraums und an den Spitzbögen der gotischen Fenster aufgetreten. Auch bei weiteren Gebäuden am Kirchberg, darunter Privathäusern sowie dem in der Folge einsturzgefährdeten Gemeindehaus neben der Kirche, zeigten sich Risse.

Der Blick zu Emporen, Orgel und Felderdecke (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419196)
Blick zu Emporen, Orgel und Felderdecke (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419196)

Seit 1996 engagiert sich der Verein zur Sicherung und Erhaltung der Leubnitzer Kirche e. V. für die Kirche und deren kontinuierliche Instandhaltung.

Eine zweite, grundlegende Untersuchung gab es von 1996 bis 1999. Sie ergab, dass die Kirche unter ihrem Fundament auf einem Plänermergel-Zersatz steht, der bei Niederschlag aufquillt und bei Trockenheit austrocknet und schrumpft. Die daraus folgenden örtlich leichten Hebungen und Senkungen der Kirche führten zu den Rissen im Mauerwerk. Eine Drainage wurde geschaffen, die Regenwasser abführt, bevor es versickern kann.

In den Jahren 2018/2019 kam es aufgrund zweier sehr trockener Sommer zur deutlichen Senkung der Kirche und starker Rissbildung. Sie musste deshalb teilweise gesperrt werden, und das Amt für Kultur und Denkmalschutz nahm die Notsicherung vor. Die Kirche soll in den nächsten Jahren ein neues Fundament bekommen, um sie zu erhalten. Die notwendigen Gelder sollen durch Fördermittel und Spenden aufgebracht werden.

Von 1999 bis 2001 restaurierte Lydia Wiedemann die Emporenbilder der Kirche. Im Jahr 2005 erhielt die Kirche eine Temperierungsanlage. 2008 wurden die beiden Epitaphien an der Ostwand der Kirche restauriert. Letzte größere Arbeit war die Erneuerung des Dachstuhls im Jahr 2009 mit Neudeckung des Ziegeldachs.

Bauwerk

Das Gotteshaus ist eine Saalkirche mit geradem Chor und Westturm. Der Bruchsteinbau hat kräftige Strebepfeiler sowie ein umlaufendes Gurtgesims im Süden sowie an Chor und Turm. Der Bau schließt mit einem Satteldach ab. Der frühere Zugang zur Kirche befand sich im Süden. Die gotische Pforte wurde 1727 vermauert und vermutlich 1874 zu einem Fenster umgebaut.

Die Kirche wuchs in verschiedenen Epochen und gilt aufgrund ihrer Stilvielfalt von Romanik bis Barock als „eine der reizvollsten Kirchen Dresdens“.

Der zweigeschossige, 39 Meter hohe Turm im Westen der Kirche entstand vor 1188. Er ist bis zur Firsthöhe quadratisch und wird von einem Zeltdach abgeschlossen. Darüber erhebt sich ein achtseitiges, spitzes Türmchen.

Die Turmkugel trägt eine Wetterfahne mit Dresdner Stadtwappen und der Jahreszahl 1702. Die gotischen Gesimse des Turmes haben sich erhalten. Das Langhaus entstand zur Zeit der Spätgotik, vermutlich zwischen 1430 und 1437. Aus dieser Zeit sind die beiden Westjoche des Langhauses und der Triumphbogen erhalten.

Aus der Zeit vor 1437 stammen das ehemals vermauerte Südtor, der aus Kehle und Rundstab gebildete Sockel, die Anordnung der Strebepfeiler, das Gurt- sowie das aus kräftiger Kehle und Platte gebildete Hauptgesims. Die Südseite hat drei hohe Spitzbogenfenster, die im Inneren teilweise von Emporen verdeckt werden.

Im Jahr 1511 erfolgte der Umbau der Kirche. Dem Zeitraum gehören die beiden Ostjoche des Langhauses an sowie das Kreuzgewölbe mit Schlussstein, das Rippenprofil mit einfacher Kehle und der Ostgiebel aus Backstein mit im Stichbogen gebildeten Blenden. Er war ursprünglich als Staffelgiebel erbaut worden, wurde jedoch bei einer Renovierung im Jahr 1874 stark vereinfacht.

Aus den Jahren 1720 und 1721 stammen die Norderweiterung der Kirche und die nordwestliche Vorhalle, die mit der Jahreszahl 1721 bezeichnet ist. Der „Karcheranbau“ genannte Nordanbau zeigt „in zwei Geschossen ein kräftig schlichtes Barock“. Die Vor- bzw. Brauthalle ist eingeschossig.

Innengestaltung

Der Innenraum hat eine flache Holzdecke. Der Saal ist durch je einen Triumphbogen vom zweijochigen Chor sowie vom Turm getrennt. Der Chorraum hat ein Kreuzrippengewölbe. Felderdecke und Emporen sind mit reichem Bilderschmuck versehen. „Als sogenannte Bilderkirche steht sie nahezu einmalig im Lande“, schrieb eine DDR-Zeitung im Jahr 1974.

Felderdecke

Die flache, hölzerne Felderdecke der Kirche wurde von 1671 bis 1673 von Gottfried Lucas mit Leimfarbe ausgemalt. In der Mitte befindet sich ein größeres, vierpassartig begrenztes Feld, an das sich acht angeschnittene Felder sowie 22 rechteckige Felder anschließen.

Die Felder sind mit aufgesetzten Leisten voneinander getrennt. Diese tragen grüne Blätter, wobei die Schnittpunkte der Leisten durch gedrechselte, goldfarbene Rosen markiert werden und so „an die Darstellung einer Himmelswiese“ erinnern.

Die Felderdecke zeigt religiöse Motive: Im Zentrum befindet sich eine Darstellung des Jüngsten Gerichts, die acht angeschnittenen Felder zeigen Engel mit Werkzeugen der Folterung Christi, 13 rechteckige Tafeln sind mit den 13 Aposteln bemalt, und die restlichen neun Felder zeigen Engel mit Symbolen der Passion Christi. Über der Orgelempore finden sich sechs weitere Felder, die seitlich je zwei Engelsköpfe zeigen und mittig links das Dresdner Stadtwappen sowie rechts das sächsische Kurwappen.

Die Gesamtansicht der Felderdecke (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419176)
Gesamtansicht der Felderdecke (Paulae, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19419176)

Cornelius Gurlitt nannte die Felderdecke „eine tüchtige, beachtenswerthe Arbeit. Die einzelnen Figuren sind decorativ durchgeführt und wirken vom Schiff aus im Verhältniss und Maassstab günstig“. Er bedauerte jedoch bereits 1912, dass „die Farbe vielfach abgefallen [ist]. Eine baldige Restaurirung wäre erwünscht, ehe die alten Farben noch mehr zurückgehen.“ Die Restaurierung der Felderdecke verantworteten im Jahr 1974 Helmar Helas und Werner Wischniowski.

Altar

Der Sandsteinaltar ist eine Arbeit der Steinmetzmeister Johann Christian Ebhardt und Johann Bernhard Reinboth aus dem Jahr 1730, die dafür 470 Reichstaler erhielten. Er ist 3,80 Meter breit, 8 Meter hoch und zum Teil bemalt.

Entgegen den Gepflogenheiten der Zeit ist der Altar nicht als Flügelaltar konzipiert, obwohl er noch Ansätze der Dreigliedrigkeit zeigt. Details des Altars sind vergoldet, wobei wenige Teile, wie Engelsflügel, Amphoren und Gloriole, Holzschnitzereien darstellen. Der mittige Hauptteil zeigt als Relief Christus am Kreuz, darunter rechts Magdalena, die ein Tuch in der Hand hält und das Kreuz umfasst, und links Maria mit gefalteten Händen zu Christus hinaufblickend.

Orgel

Die wahrscheinlich erste Orgel baute im Jahre 1651 der sächsische Hoforgelbauer Tobias Weller. Der kurfürstlich-sächsische Hoforgelmacher Andreas Tamitius stellte 1679 das Orgelwerk fertig und renovierte es zudem in den Jahren 1698/1699. Die zweite Orgelrenovierung nahm 1713 Orgelbauer Friedrich Lindner vor.

Eine neue Kirchenorgel schuf von 1754 bis 1762 Orgelbauer David Schubert, ein Schüler Gottfried Silbermanns, unter Beteiligung von Organist Christian Ebhardt.

Cornelius Gurlitt bezeichnete den Rokoko-Prospekt als „sehr stattliches schön geschnitztes Werk“. Es zeigt muschelartige Gebilde und durchbrochenes Rankenwerk und ist in Weiß gehalten.

Die heutige Orgel wurde 1905 von den Orgelbauern Jehmlich geschaffen und in den erhaltenen Originalprospekt aus dem Jahr 1760 eingebaut. Das Werk hat 29 Register und wurde in den Jahren 1974 und 1975 gereinigt und repariert. Wegen der teilweisen Änderung des Pfeifenbestands bekam die Orgel einen helleren Klang, der dem einer Barockorgel ähnelt.

Zum 100. Jubiläum der Orgel im Jahr 2005 entschloss sich der Kirchenvorstand, die originalen Register von 1905 von der Orgelbaufirma Jehmlich wiederherstellen zu lassen. Am 2. Advent 2007 wurde die Orgel mit der Originaldisposition von 1905 wieder in den Dienst der Gemeinde gestellt.

Geläut

Das heutige Geläut stammt aus dem 20. Jahrhundert. Dresdens Gießerei Bruno Pietzel fertigte 1922 die große Glocke; die mittlere und die kleine Glocke wurden 1949 bzw. 1927 von Franz Schilling & Söhne in Apolda gegossen. Das Geläut aus drei Bronze-Glocken hat die Grundtöne es’, g’ und b’.

Tatort für Fernseh-Krimi

Das Gotteshaus hat eine weitere Besonderheit: 1973 diente es als Drehort für die damals noch junge Krimi-Serie „Polizeiruf 110“ in der Folge „Eine Madonna zuviel“.

Koordinaten: 51° 0′ 46,1″ N, 13° 46′ 2,6″ O

Die Kirche Leubnitz auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Leubnitz-Neuostra

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