Keiner von beiden konnte am nächsten Morgen bei der Verabschiedung vorhersehen, wie die Tirolreise des Sächsischen Königs enden würde! Priester Moriggl ging überwiegend den Weg zu Fuß auf der Hauptstraße Richtung Zirl/ Innsbruck. Er wird weit mehr als 7 Stunden für den rund 28 Kilometer langen Weg gebraucht haben, ob er zwischendurch eine Fahrgelegenheit nutzen konnte, ist nicht überliefert.
Gleichzeitig fuhr König Friedrich August II. mit der bisherigen Kutsche, ein großer Leihwagen, der für den König standesgemäß sein sollte, über eine der damals ganz wenig vorhandenen Brücken bei Haiming von der rechtsseitigen Innseite auf die Nordseite des Inns. Hier hatte die Gemeinde Haiming einen Innübergang, da sie im Tschirgant-Simmering Massiv große Almflächen besaß.
Zwar ist in keiner historischen Quelle dieser Weg der königlichen Kutsche belegt, er konnte aber nicht anders sein, da es keine andere direkte Verbindung über Ötztal- und Pitztaleingang Richtung Imst, wo man eine Jause einlegen wollte, gab. Man wollte mit gutem Grund auf der historischen Hauptverkehrsachse im Inntal bleiben. Heute ist in diesem Gebiet ein Gewirr von Straßenanlagen, neben Autobahn, Bundesstraße und Landstraßen zum Eingang in die bereits genannten Täler, neben einer Vielzahl von modernen Brücken über die Innschlucht.
Der Fahrzeugwechsel
Beim Postamt in Imst fielen die ersten gravierenden Vorentscheidungen über das „weitere Leben“ des Sächsischen Königs. Die ursprüngliche königliche Kutsche war zu groß und zu wenig geländegängig für die vorgesehenen engen Wege des Pitztales.
Man wechselte die Fahrzeuge und wählte einen kleineren Einspännerwagen. Neben dem Kutscher Vögele, ein im Dienste der Post stehender, äußerst erfahrener Postillion, der sich auf ruhige und bewährte Postpferde verließ. Weiter konnten nur der König, sein Flügeladjutant und der Kammerdiener Kleeberg mitfahren. Es ist anzunehmen, aber nirgendwo berichtet, dass das Reisegepäck zur gleichen Zeit im später bedeutungsvollen „Gasthof Neuner“, zum Teil damals von Ortsfremden „Gasthof Brennbichl“, von Einheimischen „Gasthof Mair“, genannt, in angemieteten Zimmern gelagert wurde und die Gepäckträger zwischenzeitlich dort verweilen konnten. Der Gasthof Neuner existiert noch heute an der Einfahrtstraße Richtung Imst, im Weiler Brennbichl, politisch zur Nachbargemeinde Karrösten gehörig.
Gegen 10 Uhr am Vormittag wurde dann zur Exkursion ins Pitztal gestartet und die schicksalhaften Ereignisse begannen ihren Lauf. Voller Freude richtet sich Friedrich August II. auf eine besondere Fahrt in das eindrucksvolle und gewaltige Pitztal ein. Es war ja das Hauptziel seiner damaligen Reise. Ein Hohlweg Richtung Inn vor der sogenannten Langbrücke hat eine Gefällstrecke mit starker Rechtskurve von mehr als 90 Grad, diese ist gut auf der Karte ersichtlich.
Das Unglück
Jetzt passiert das schreckliche Unglück, der Wagen geriet ins Schwanken, der Kutscher stieg wegen extrem ungünstiger Wegverhältnisse ab und legte unter das linke Hinterrad einen Hemmschuh, der als Bremskeil wirken sollte. Dabei wurde im Schritttempo gefahren.
Der König saß rechts in der Kutsche, hielt eine geöffnete Landkarte in der Hand und erläuterte seinem Nebensitzer, Flügeladjutant von Zezschwitz, die geplante Fahrstrecke; der Kammerdiener saß vorne neben dem Postillion.
Bei einer Rechtskurve, nach heutiger Rekonstruktion nur 3,60 Meter breit, Richtung Innbrücke, kam das Unvermeidliche: Der König rief „Halt!“, stand auf und die Kutsche bekam zur rechten Seite hin ein Übergewicht. Sie fiel nach den einfachen physikalischen Gesetzen der Schwerkraft zur rechten Seite um, was authentisch überliefert wird – auch zeitnah im Bild gemalt.
Der König stürzte auf den Fahrweg und will sich aufrichten, Flügeladjutant von Zezschwitz gelangt bei dem Verhängnis über ihn hinweg, dazwischen schlägt ein gestürztes Pferd in Panik mit den Hinterbein aus und trifft den König mit den entsetzlichen Folgen. Er wird direkt mit voller Wucht am Kopf hinter dem linken Ohr getroffen; der Kammerdiener reißt ihn auf die Seite und legt ihn am Wegesrand ab.
Bei den anderen Mitfahrern wird nicht von Verletzungen gesprochen. Sofort helfen Augenzeugen vor Ort, dem Verletzten die Wunde zu waschen und tragen ihn auf einer Bahre in den Gasthof Neuner, währenddessen eilt von Zezschwitz zu Fuß nach Imst, um sofort ärztliche Hilfe zu holen.
Was die Marmortafel erzählt
Aber nach intensivem historischen Nachforschen stößt man auch auf etwas andere Schilderungen der schrecklichen Vorkommnisse. Der Journalist Herbert Buzas erinnert sich im November 1949 an eine Übernachtung im Zimmer 2 im Gasthof Neuner in Brennbichl. In diesem Raum sollen viele Utensilien an König Friedrich Alexander II. gedenken. Besonders eine Marmortafel über der Tür bewog den Journalisten Buzas weiter zu recherchieren. Auf der Tafel las er: „In diesem Zimmer verschied Seine Majestät, Friedrich August II. von Sachsen am 9. August 1854 vormittags gegen 11 Uhr an den Folgen der erlittenen Kopfverletzung.”
Eine spätere Begegnung mit der Einheimischen Theresia Mayr stelle die Ereignisse etwas anders dar. Von Ihrer Mutter habe sie immer und immer wieder erzählt bekommen, dass der Kutscher nicht wagte, den König zum Aussteigen zu bewegen. Schließlich soll Friedrich August II. aus eigenem Antrieb ausgestiegen sein und dabei – so die Ausführungen von Theresia Mayr – sei der Monarch so unglücklich zwischen die beiden Pferde gefallen, dass diese erschrocken ausschlugen und den König am Kopf trafen.
Soweit die unterschiedlichen Darstellungen des eigentlichen Unfalls.
Der Tod des Königs
Das folgenreiche Ergebnis bleibt jedoch bei allen Ausführungen gleich! Schwer verletzt und blutüberströmt wurde Friedrich August II. von zahlreichen, schnell zu Hilfe eilenden Einwohnern auf einer Bahre in das nur wenige Hundert Meter entfernt liegende Gasthaus Neuner getragen, in das bereits erwähnte Zimmer 2, das heute noch besichtigt werden kann. Trotz der schnell herbeigerufenen Hilfe zweier Chirurgen aus Imst und Wenns erlangt der König nicht wieder das Bewusstsein und verstirbt innerhalb einer halben Stunde im 57. Lebensjahr. Der rasch herbeigerufene Kaplan Stefan Krismer, ein seelsorgerischer Assistent des Pfarrers, gab die letzte Ölung im Beisein des Flügeladjutanten von Zezschwitz und aller weiterer Bediensteten.
Nachdem König August der Starke in Personalunion von Sachsen und Polen die dortigen Regierungsgeschäfte übernommen hatte, konvertierte er zum Katholizismus und damit das gesamte sächsische Herrscherhaus der Wettiner, trotz erheblicher bürgerlicher Widerstände in Dresden.
Nach dem Unglück wurde bereits an der Unfallstelle durch verschiedene Versuche untersucht, wie empfindlich und schreckhaft die Pferde wären. Zum Beispiel durch Kitzeln, was aber zu keinen unbedachten Reaktionen bei den Tieren führte. Die vom König benutzte Kutsche fuhr der Imster Postillion Vögele, der wenige Tage darauf von einer persönlichen Schuld rehabilitiert wurde; dies betonen auch ranghohe Vertreter des sächsischen Militärs gegenüber dem Postkutscher bei der Leichenüberführung in Nassereith. Eine spätere strafgerichtliche Untersuchung gegen den Postillion Vögele wurde jedenfalls eingestellt.
Zum Teil 1 “Die Reise” geht es hier.
Was nach dem Unfall des Königs geschah, lesen Sie im dritten Teil: Das Nachspiel.
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