Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein Gotteshaus im Stadtteil Connewitz von Leipzig, das Kennern auch als Aufnahmestudio ein Begriff ist. Die Paul-Gerhardt-Kirche ist die evangelisch-lutherische Kirche im Süden der Stadt Leipzig im Stadtteil Connewitz.

Sie wurde zwischen 1898 und 1900 erbaut und steht unter Denkmalschutz. Mit ihrem 60 Meter hohen Kirchturm prägt sie maßgeblich das Ortsbild. Seit 1976 wird die Kirche auch regelmäßig als Aufnahmestudio für klassische und kirchliche Musikproduktionen genutzt.

Vorgeschichte

1756 befand sich am Platz der jetzigen Kirche der erste Friedhof zu Connewitz. In seiner Friedhofskapelle durften nur Begräbnisgottesdienste, Betstunden und Katechismus-Unterricht gehalten werden.

Am 3. November 1771 erfolgte die Kirchweihe der Connewitzer Kirche, einer spätbarocken Saalkirche auf dem Schulberg mit etwa 280 Sitzplätzen, in der damaligen Königstraße und heutigen Prinz-Eugen-Straße. Sie entstand „in eigenmächtiger Weise“ ohne behördliche Genehmigung, die Kosten brachten die Bürger von Connewitz aus Spenden und Hypotheken auf ihre Connewitzer Grundstücke auf.

Blick auf Connewitz mit Kirche im Jahr 1813 (J. J. Wagner (Zeichner und Stecher), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72626809)
Connewitz mit Kirche im Jahr 1813 (J. J. Wagner (Zeichner und Stecher), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72626809)

Connewitz gehörte damals kirchlich zu Probstheida. 1842 hatte die Connewitzer Gemeinde ihre Selbständigkeit angestrebt. Es dauerte dann bis zum 7. Oktober 1875, ehe es zur Gründung der Kirchgemeinde Connewitz kam.

Der Ort wuchs: Anfang der 1890er-Jahre hatte Connewitz mehr als 10.000 Einwohner, und so wurde die alte Kirche zu klein. Ab 1892 hatte der Kirchenbauverein die Errichtung eines neuen Gotteshauses zum Ziel. Als Bauplatz wurde der westlich des Connewitzer Kreuzes gelegene alte Friedhof gewählt, der seit 1882 nicht mehr belegt wurde.

Bauwerk und Ausstattung

Den Entwurf für den Kirchbau schuf Julius Zeißig, er orientierte sich dafür an den Formen der deutschen Renaissance. Der erste Spatenstich erfolgte am 4. April 1898, die Grundsteinlegung am 12. Juni 1898, und das Richtfest war am 12. November 1898. Die Kirchweihe wurde am 1. April 1900 gefeiert. Der Abriss der alten Kirche erfolgte 1902.

Nachdem man sich jahrelang auf keinen Namen für die Kirche einigen konnte, ruhte dieses Thema vorerst. Schließlich erhielt der Sakralbau am 24. Oktober 1934 den Namen Paul-Gerhardt-Kirche nach dem bekannten evangelischen Kirchenlieddichter Paul Gerhardt (1607–1676).

Die Paul-Gerhardt-Kirche Connewitz (Lumu, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9746507)
Paul-Gerhardt-Kirche Connewitz (Lumu, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9746507)

Das Gotteshaus steht erhöht in Ost-West-Richtung. Ihr Äußeres besteht aus architektonischen Gliedern aus rötlichem Rochlitzer Porphyr in Kontrast zu verputzten und hell gestrichenen Wandflächen.

An der östlichen Schmalseite steht der 60 Meter hohe Kirchturm mit Hauptportal, geschmückt von zwei Mosaiken. Im Portal Tympanon ist der einladende Christus dargestellt, im Giebelfeld der Ecce homo (Seht, was für ein Mensch!) nach dem Gemälde des Italieners Guido Reni aus der Galerie Dresden.

Der Sakralbau hat im Kirchenschiff mehr als 500 und auf den Emporen mehr als 150 Plätze. Das Kirchenschiff ist 25 Meter lang und 17 Meter breit. Es wird überspannt von einer hölzernen, mit Schmuckleisten gegliederten Tonnendecke.

Diese ist ornamental bemalt von Leipzigs Kunstmaler Paul Edlich. Das Kirchenschiff hat längs beidseitig jeweils vier große Rundbogenfenster, ihr Maßwerk ist bei allen Fenstern verschieden. Dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1943 fielen die mit Seligpreisungen gestalteten Fenster und die Innenausmalung zum Opfer.

Die heutigen Buntglasfenster schuf Leipzigs Maler Alfred Brumme (1891–1967), sie wurden 1954 eingesetzt: Sie dienen der Verkündigung mittels Symbolen, jeweils verknüpft mit einem Liedvers von Paul Gerhardt. Es gibt je ein Paar Weihnachts-, Karfreitags-, Oster- und Pfingstfenster.

Die Fenster im Altarraum zeigen die Symbole der Taufe und des Heiligen Abendmahls. Die Fenster in der Vorhalle, 1959 erschaffen von Alfred Brumme, dienen dem Gedächtnis an die Opfer des
Zweiten Weltkrieges.

Kunstvoller Mittelpunkt der Kirche ist das Schnitzbild Heiliges Abendmahl, das sich auf die Bibelstelle im Johannes-Evangelium 13,34 bezieht. Es stammt wie der Altar und die Kanzel vom Holzbildhauer Heinrich Behr aus Leipzig. Er orientierte sich an byzantinischen Vorbildern und an einem gemäßigten Jugendstil.

Das Abendmahls-Relief entstand 1893 und war zuvor auf der Weltausstellung in Chicago zu sehen, dort erhielt es in der Abteilung Deutsche Kunst den Kunstpreis. Ab 2014 erfolgten zahlreiche Außen- und Innen-Sanierungsarbeiten am beziehungsweise im Kirchgebäude.

Orgel

Die Orgel im Vorgängerbau stammte von Johann Gottlob Mende aus Leipzig aus dem Jahr 1846. Die Orgel für diesen Sakralbau schuf Orgelbaumeister Friedrich Ladegast im Jahr 1903, sie hatte drei Manuale, Pedal, 34 Register und 1886 Pfeifen.

Ein Blick zu Empore und Orgel (Colomen, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65917193)
Blick zu Empore und Orgel (Colomen, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65917193)

Seit dem 21. April 1974 erklingt eine Schuke-Orgel mit zwei Manualen, Pedal, 28 Registern und 2.079 Orgelpfeifen.

Geläut

Bis zur kriegsbedingten Glockenabnahme der Bronze-Kirchenglocken aufgrund der NS-staatlich verordneten „Metallspende des deutschen Volkes“ am 2. Dezember 1941 hatte die Paul-Gerhardt-Kirche ein Glockengeläut in reinem C-Dur-Dreiklang.

Das jetzige Bronzegeläut wurde am 1. Juli 1956 geweiht. Die Glockengießerei Schilling Apolda lieferte zunächst nicht die gewünschte Tonlage der Bronze-Glocken: Wegen der zu hohen Stimmung der drei großen Glocken wurde die kleine Glocke neu gegossen und im Dezember 1956 ersetzt.

Die Glocken mit den Tönen f′ +2, as′ -1, b′ +5 und des″ -5 haben einzelne Gewichte von 960, 533, 362 und 179 kg, ihre unteren Durchmesser betragen 1158, 957, 858 und 684 mm.

Aufnahmestudio „Paul-Gerhardt-Kirche“

Seit 1976 ist die Paul-Gerhardt-Kirche Connewitz aufgrund ihrer hervorragenden Akustik immer wieder Aufnahme-Studio für klassische und kirchliche Musik. Innerhalb von vier Jahrzehnten wurden dort Werke und Musikstücke für 360 Schallplatten und/oder CDs aufgezeichnet; inzwischen dürften es einige Dutzend mehr geworden sein.

Bei vielen dieser Aufzeichnungen ist – wenn auch im Kleingedruckten – die Paul-Gerhardt-Kirche als Aufnahmeort angegeben. Mehr als ein Nebeneffekt: Die jeweiligen Studio-Mieten sind zur gleichermaßen verlässlichen wie bedeutenden Einnahmequelle geworden.

Was somit wohl nur wenigen Liebhabern dieser Musikrichtungen bewusst ist: Sie sind beim Hören dieser Schallplatten- und CD-Aufnahmen aus Leipzig-Connewitz zumindest akustisch in dieser Paul-Gerhardt-Kirche zu Gast. Die Zahl dieser „Gasthörer“ in aller Herren Länder dürfte mit Blick auf die Verkaufszahlen dieser „Connewitz-Tonträger“ – vorsichtig geschätzt – wohl im hohen fünfstelligen oder gar sechsstelligen Bereich liegen.

Koordinaten: 51° 18′ 32,8″ N, 12° 22′ 16,6″ O

Die Paul-Gerhardt-Kirche auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul-Gerhardt-Kirche_(Leipzig-Connewitz)

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