Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um ein  Gotteshaus in Naunhof im Landkreis Leipzig mit besonderer Verbindung zu Thomaskantor Georg Christoph Biller. Die Stadtkirche Naunhof ist das evangelische Kirchengebäude in Naunhof südöstlich von Leipzig im Landkreis Leipzig. Das Gotteshaus gehört zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Das Erbauungsjahr der Stadtkirche zu Naunhof bei Leipzig konnte bisher weder urkundlich noch archäologisch genau festgestellt werden. Heute gilt als sicher, dass die Kirche viel älter ist, als lange angenommen wurde.

Bei einem Stein, der aus der südlichen Friedhofsmauer geborgen werden konnte und der wahrscheinlich als Säulenkapitell in einem Turmfenster gedient hat, verweisen Fachleute auf Parallelen aus dem Ende des ersten Jahrtausends. Von diesem ersten Kirchenbau ist beispielsweise das Unterteil des Turmes erhalten geblieben.

Das heutige Kirchenschiff samt Altarraum ist vermutlich – nach dem Abbruch älterer Bauteile – um 1500 erbaut worden. 1581 wurde das Denkmal für Georg Rudolf von Ponickau in der Kirche aufgestellt.

Stadtkirche Naunhof (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98593604)
Stadtkirche Naunhof (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98593604)

Am 31. Dezember 1716 war die Naunhofer Kirche niedergebrannt und hatte dabei alle hölzernen Ausstattungsgegenstände sowie das Gewölbe des Kirchenschiffes eingebüßt. Bis 1719 konnte das Kirchendach mit neuer Kassettendecke wieder aufgebaut werden. 1724 wurde der Kirchenraum im barocken Stil mit Einbau der Emporen und Fertigstellung des Kanzelaltars gestaltet. 1733 wurde das Denkmal für Pfarrer Johann Georg Schöne in der Kirche aufgestellt. Um 1810 entstand der hölzerne Taufstein, er wurde 1996 restauriert.

In den Jahren 1896 bis 1901 entstanden die Bleiglasfenster und wurden im Altarraum eingebaut – sie wurden 1994 restauriert. 1996 erfolgte die Ausmalung im barocken Stil von 1724.

Musik in der Kirche

Zusätzlich zum regen, vielfältigen Leben der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Naunhof ist die Stadtkirche weit über die Region hinaus bekannt als Ort zahlreicher meist kirchenmusikalischer Veranstaltungen. Mit einem vielfältigen Spektrum von Orgelkonzerten, Abendmusiken, Aufführungen großer Oratorien, Chor-, Orchesterkonzerten und Kammermusik in verschiedenen Besetzungen bis hin zu Jazz ist die Naunhofer Stadtkirche seit Jahren ein kulturelles Zentrum der Region.

Zu Gast waren etwa der Landesjugendchor Sachsen, der Thomanerchor Leipzig, Nikolaikantor Jürgen Wolf, die Kammerphilharmonie Leipzig, das Westsächsische Symphonieorchester, der Philharmonische Jugendchor Leipzig, Thomaskantor Gotthold Schwarz mit Concerto Vocale und Sächsischem Barockorchester sowie das Trio Bending Times. Auch musizierten in der Stadtkirche die Kantorei und das Collegium Vocale unter Leitung des einstigen Kantors Marcus Friedrich.

Blick zum Kanzelaltar (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98593603)
Blick zum Kanzelaltar (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98593603)

„Mit Johann Sebastian Bach durch das Kirchenjahr“

Im Dezember 2014 begann Espen Melbø, Kantor in Naunhof von Januar 2012 bis Februar 2017, die Orgel-Konzertreihe „Mit Johann Sebastian Bach durch das Kirchenjahr“. Sein Ziel war, sämtliche Bach-Werke für die Orgel erklingen zu lassen.

Diese Konzertreihe fand beachtliches Publikums-Echo. Melbø setzte auch nach seiner Rückkehr nach Norwegen im Jahr 2017 dieses Projekt fort – er kam speziell dafür mehrmals jährlich für die Konzertreihen-Orgelkonzerte nach Naunhof. Diese außergewöhnliche Konzertserie erlebte Ende August 2018 ihren erfolgreichen Abschluss.

Förderverein

Der Förderverein Ladegastorgel Naunhof war maßgeblich an der Organisation und Realisierung von Konzerten in der Kirche Naunhof beteiligt. Gegründet wurde er 2004, um ursprünglich die Restaurierung der Ladegastorgel zu ermöglichen.

Dies gelang im September 2011, als das Instrument originalgetreu in die Klangkraft und -qualität von 1882 zurückversetzt wurde. Seitdem geht es dem Verein um die langfristige Förderung der Kirchenmusik in Naunhof.

Ladegast-Orgel

1882 erbaute die Firma Friedrich Ladegast aus Weißenfels eine neue zweimanualige Orgel mit 21 Registern. Diese ist damit eine von weltweit nur 200 erhaltenen Instrumenten des berühmten Orgelbaumeisters – und eine von drei seiner Orgeln in der Leipziger Region.

Ladegast-Orgel (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=142649571)
Ladegast-Orgel (ErwinMeier, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=142649571)

1950 erfolgte ein umfangreicher Umbau der Orgel, verbunden mit der Dispositionsveränderung nach barockem Klangideal, ausgeführt von der Firma Jehmlich Orgelbau aus Dresden. Dies veränderte das Ladegastsche Klangbild nachhaltig.

Knapp sechs Jahrzehnte später gab es ein Umdenken: 2008 begann die Orgelwerkstatt Wegscheider aus Dresden mit der Restaurierung der Ladegast-Orgel und der Wiederherstellung der ursprünglichen Disposition von 1882. Dafür gründeten engagierte Naunhofer Bürger einen Förderverein und riefen eine Orgelkommission ins Leben, der auch Gewandhausorganist Michael Schönheit und der damalige Kantor Marcus Friedrich angehörten.

Mit Konzerten und Veranstaltungen konnten über Jahre hinweg mehr als 100.000 Euro Spenden zusammengetragen werden. So gastierte bei den Benefiz-Konzerten in der Stadtkirche Naunhof auch der Thomanerchor Leipzig.

Glocken

Das Geläut besteht aus drei Glocken: zwei davon sind Bronze-Glocken – die eine aus dem Jahr 1717 mit dem Ton e′, gegossen von Johann Christian Fischer; die andere aus dem Jahr 1798 mit dem Ton a′, gegossen von der Glockengießer-Familie Ulrich aus Apolda. Eine Eisenhartguss-Glocke mit dem Ton h′ stammt aus dem Jahr 1957, gegossen von Schilling & Lattermann.

Der spätere Thomaskantor und die Stadtkirche Naunhof

Georg Christoph Biller hatte ein persönliches sehr enges Verhältnis zu dieser Kirche: Das zeigt sich daran, dass er acht seiner Kompositionen im von ihm so benannten „Naunhofer Choralbuch“ veröffentlichte (Biller-Werk-Verzeichnis BiWV 16). Auf dessen Titelseite ist die Stadtkirche Naunhof zu sehen.

Seine enge Verbindung mit dem Gotteshaus von Naunhof wuchs vor allem in der Zeitspanne von Juli 1990 bis Juli 1992: Da war Georg Christoph Biller (1955–2022) Interims-Kantor der Stadtkirche Naunhof. Anschließend folgte er dem Ruf der Thomaskirche zu Leipzig: Er wirkte bis Ende Januar 2015 als Thomaskantor zu Leipzig.

Koordinaten: 51° 16′ 43,8″ N, 12° 35′ 17″ O

Die Stadtkirche Naunhof auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtkirche_Naunhof

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