Zwischen dem Ende der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) im Oktober 1897 und der Eröffnung des Palmengartens im April 1899 lagen nur knapp 1,5 Jahre. Wie konnte eine Stadt diesen Kraftakt stemmen und wer waren hier die Entscheidungsträger? Das fragt sich das Team, das auch das STIGA-Jubiläum gestaltet hat. Denn irgendwie hatte Leipzigs Verwaltung den 125. Geburtstag des Palmengartens in diesem Jahr gar nicht auf dem Schirm.
Anfang des Jahres reichte deshalb Mike Demmig extra eine Petition ein, welche die Stadt aufforderte, das Jubiläum doch noch in geeigneter Form zu feiern und sichtbar zu machen.
Petition findet Zustimmung im Stadtrat
In der Ratsversammlung am 24. April kam dann der Vorschlag des Petitionsausschusses zur Abstimmung, der wenigstens noch eine nachgeholte Erinnerung an das Jubiläum beinhaltete.
In der Begründung des Vorschlags heißt es: „Der Verwaltungsstandpunkt zur Petition begrüßte den Vorschlag des Petenten dem Grunde nach, empfahl jedoch im Ergebnis eine Ablehnung, da sich ein entsprechendes dezernatsübergreifendes Themenprojekt zum 125-jährigen Jubiläum des Gartendenkmals Palmengarten innerhalb des vom Petenten vorgeschlagenen Jahres 2024 aus Zeitgründen nicht umsetzen ließe.
Zum Ausgleich schlug der Verwaltungsstandpunkt vor, im zweiten Halbjahr 2024 Informationstafeln aus Anlass des 125-jährigen Bestehens zu gestalten und aufzustellen.“
Immerhin etwas. Diesen Vorschlag unterstützte der Petitionsausschuss dann natürlich.
Wurde dann aber deutlich in Hinsicht auf den ablehnenden Standpunkt der Verwaltung: „Gleichwohl sollen die weitergehenden Vorschläge des Petenten nicht unter alleinigem Verweis auf Zeitgründe abgelehnt werden. Das Gartendenkmal Palmengarten besitzt eine umfangreich vorhandene denkmalwürdige, historische Originalsubstanz mit großem Zeugniswert, die für die zukünftigen Generationen erhalten und weiterentwickelt werden muss.
Der Austausch hierzu hat mit der Stadtgesellschaft stattzufinden. Dabei sollen gesellschaftsrelevante Fragen der Pflege der Leipziger Park- und Gartenbaukultur, der Müllproblematik oder der Sicherheit in öffentlichen Grünanlagen, der Vandalismusprävention gegenüber Kultur- und Gartendenkmälern, der Sicherung notwendiger klimawirksamer Frei- und Grünflächen im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung und der damit verbundenen Konflikte einer wachsenden Stadt öffentlichkeitswirksam diskutiert werden.
Wenn zu diesen Zwecken ein Themenprojekt allein aus Zeitgründen nicht für das Jubiläumsjahr 2024 angestoßen werden kann, so soll dies für das nächste runde Jubiläum des Palmengartens im Jahr 2029 anvisiert werden.
Um das Vorhaben für das Jahr 2029 auf solide personelle, finanzielle sowie organisatorische Füße zu stellen, wird der Oberbürgermeister beauftragt zu prüfen, ob und wie anlässlich des 130-jährigen Jubiläums des Gartendenkmals Palmengarten ein dezernatsübergreifendes Themenprojekt in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren durchgeführt werden kann.
Die Prüfung berücksichtigt auch, ob das vorgeschlagene Themenprojekt in die Umsetzung des Rahmenkonzepts Erinnerungskultur integriert werden kann, um ein abgestimmtes erinnerungspolitisches Vorgehen zu erzielen.
Prüfergebnis und Umsetzungskonzept werden dem Stadtrat bis zum 31.12.2024 zur Kenntnis gegeben.“
Diesen Beschlussvorschlag nahm die Ratsversammlung am 24. April dann auch ohne Gegenstimmen an. Womit es 2024 also noch ein paar Info-Tafeln geben könnte. Aber die Engagierten der STIGA wollen trotzdem 2024 den Palmengarten stärker ins Bewusstsein der Leipzigerinnen und Leipziger zurückholen.
Die Geschichte
Zur Geschichte des Parks erzählen sie: „Natürlich war – ähnlich wie die STIGA – der Palmengarten von langer Hand erdacht und geplant. Laut der Eröffnungsrede wurde bereits 1861 von einem Komitee, dem der Zoologe und Universitätsprofessor Dr. Victor Carus vorstand, der Wunsch geäußert, das ‚Kuhturm-Areal‘ eines ‚belehrenden Unterhaltung bestimmten Unternehmens‘ zu widmen und die Idee hatte Bestand: 19 Jahre später bildete sich ein ‚Komitee zur Errichtung eines zoologischen und Palmengartens‘.
Als nach einem passenden Austragungsort für die internationale Gartenbauausstellung 1893 gesucht wurde, sah der Handelsgärtner Otto Moßdorf seine Gelegenheit gekommen, auf die Interessen dieses Komitees mit Nachdruck hinzuweisen. Oberbürgermeister Georgi willigte ein: Durch die Gartenbauausstellung hergerichtet und durch das erhöhte Luppe-Ufer hochwassergeschützt, sollte das Kuhturmgrundstück endlich einem langfristigen Nutzen zugeführt und dafür ein Wettbewerb ausgeschrieben werden.
Ein Palmengarten, wie ihn Köln, Frankfurt a. Main, Charlottenburg und Hannover bereits besaßen, ‚müsste doch auch hier in Leipzig zu schaffen sein‘. Hohe Baumgruppen sollten stehen bleiben und damit den 189.777 qm großen Park umranden und auch darüber hinaus wurde den Leipzigern einiges geboten: zwei Restaurants, eine Konzertmuschel, ein Weiher mit Grotte für Gondelfahrten, eine Orangerie, ein überdachter botanischer Garten, der von einem beeindrucken-den Gastraum aus einsehbar war sowie wechselnde Bepflanzungen der Themengärten im Parkgelände.
Dieser Lust- und Ziergarten ließ kaum einen Wunsch offen und befriedete Stimmen, die sich nach der Überbauung der Leipziger Bürgergärten und dem Abriss des STIGA-Kneipenviertels ein modernes, innenstadtnahes Etablissement mit Garten- und Musikgenuss wünschten. Durch das Gesellschaftshaus konnte Leipzig dem anhaltenden ‚Trend‘ der in ganz Europa entstehenden botanischen Gärten und Palmengärten anknüpfen und seiner Entwicklung zu einer Großstadt Ausdruck verleihen.
Dieser großbürgerliche Traum fand mit dem I. Weltkrieg und dem Nationalsozialismus ein leises Ende: Mit der Absicht, Gebäude für die Gutenberg-Reichsausstellung 1939 zu errichten, wurde das Gesellschaftshaus und der Kuhturm gesprengt.“
MeinPark erzählt die Hintergründe
Auf der meinPark-Seite kann man inzwischen eine ganze Reihe Beiträge zur Geschichte des Palmengartens lesen. Und erste Veranstaltungen im Palmengarten sind auch schon terminiert.
Die Termine:
20. Mai: Klingender Park mit einer Hommage an den Leipziger Palmengarten mit dem Musikpavillon-Salonorchester, Open-Air-Ausstellung und Bücherverkauf am Musikpavillon, Clara-Zetkin-Park
19. Mai, 8. Juni, 27. Juli, 24. August, 14. September und 20. Oktober: „Man verlebt hier eine gute Zeit“, ein historischer Rundgang mit Daniela Neumann durch den Leipziger Palmengarten. Treffpunkt: Essbarer Palmengarten, gegenüber der Kleinmesse – im Park links.
8. September: Klingender Park mit einer Hommage an den Palmengarten, anlässlich des 9. Industrie|Kultur|Festivals am Musikpavillon, Clara-Zetkin-Park.
Ende Oktober 2024 bis Mitte März 2025 soll es dann auch eine Kabinettsausstellung über den Palmengarten im Capa-Haus geben.
Keine Kommentare bisher
Wunderbares Thema, wunderbare Photos von Ihnen, lieber Autor! Wissen Sie, wieso man vor Jahrzehnten den Teich um einige Verzweigungen beraubt hat, also in Richtung Kleine Luppe? Man kommt ja noch über Buckel, die mal Brücken waren. Wäre es nicht schön, den Teich wieder in voller Größe zu haben?