Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Heute geht es um eine sogenannte Bartning-Kirche in Forst in der Lausitz.
Die Johann-Sebastian-Bach-Kirche in Forst (Lausitz) ist eine Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Forst in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Sie steht im Stadtgebiet „Mexiko“ südlich der Altstadt an der Ecke Muskauer Straße / Am Stadtpark. Das Gotteshaus gehört wie die Stadtkirche St. Nikolai zur Evangelischen Kirchengemeinde Forst im Kirchenkreis Cottbus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Geschichte
Die beiden Innenstadtkirchen in Forst – St. Nikolai und Marienkirche – waren stark kriegsbeschädigt. Es gab die Idee, die kleinere Marienkirche wiederaufzubauen. Das Vorhaben scheiterte jedoch an der städtebaulichen Konzeption für den Wiederaufbau der Stadt Forst.
Daher wurde ab April 1947 ein Kirchenneubau an anderer Stelle erwogen. Am 6. April 1948 beschloss der Gemeindekirchenrat, eine neue Kirche im Süden der Stadt zu errichten. Am 4. Mai 1948 überbrachte Bischof Dibelius der Kirchgemeinde die Nachricht, dass vom Evangelischen Hilfswerk die Errichtung einer sogenannten Bartning-Notkirche bewilligt wurde.
Der erste Spatenstich war am 11. Februar 1950, eine Woche später begannen die mehrere Wochen dauernden Ausschachtungsarbeiten, gefolgt ab 6. März von den Maurerarbeiten. Der Grundstein wurde am 1. April 1950 gelegt, Richtfest war am 20. April 1950.
Die Einweihung der Kirche, im Wesentlichen vom Lutherischen Weltbund und dem Evangelischen Hilfswerk finanziert, erfolgte am 29. Oktober 1950. So entstand in kürzester Zeit dieses neue Gotteshaus als sogenannte Typ-B-Kirche nach dem Typenentwurf von Otto Bartning.
Ermöglicht hat es das Notkirchenprogramm der Evangelischen Kirche – dank der Stiftung der US-amerikanischen Sektion des Lutherischen Weltbunds. Bauherr war das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland (HEKD). Der Sakralbau wurde mit dem Gottesdienst von Bischof Dibelius am 29. Oktober 1950 geweiht.
Bartning-Kirchen
Die Bartning-Notkirchen entstanden aufgrund des Kirchbauprogramms des Evangelischen Hilfswerks, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Architekt Otto Bartning (1883–1959) entwickelte. Das Programm hatte zum Ziel, den Mangel an gottesdienstlichen Räumen zu lindern. Ursachen waren die Zerstörung vieler Kirchen im Zweiten Weltkrieg und der Zuzug von Millionen christlichen Flüchtlingen aufgrund der Vertreibung aus deren Heimat.
Finanziert haben diese Gotteshäuser der Weltrat der Kirchen in Genf, die Lutheran World Federation, die Evangelical and Reformed Church, die Presbyterian Church und das Schweizer Hilfswerk – die Kosten pro Gotteshaus betrugen jeweils 10.000 US-Dollar.
Otto Bartning entwarf einen Modellraum in Leichtbauweise aus vorgefertigten, genormten Einzelteilen. Die Notkirchen, für die er auf einen Entwurf von 1922 zurückgriff, haben als Besonderheiten ein sogenanntes Fensterband im Obergaden und das an einen Schiffsbauch erinnernde Kirchenschiff.
Dank der Fertigbauteile und der Mitarbeit der Gemeinde kostete der Bau einer Bartning-Kirche nur etwa die Hälfte dessen, was damals ein Kirchenbau in Massivbauweise gekostet hätte. In einer solchen Kirche finden zwischen 350 und 500 Gottesdienstbesucher Platz. Integriert waren meist eine Sakristei und ein abtrennbarer Gemeinderaum unter der Empore.
Das benötigte Holz für das zeltförmige Tragwerk, die Einbauten und das Gestühl stifteten meist Gemeinden in Skandinavien oder den USA. Das tragende Gerüst aus sieben hölzernen Dreigelenkbindern wurde in wenigen Tagen auf dem von der Kirchgemeinde zu errichtetem Fundament aufgestellt. Von da an organisierte die Kirchgemeinde alles Weitere selbst.
Das Grundmodell ließ sich leicht lokalen Bedürfnissen anpassen. Für die nichttragenden Wände wurden oft Trümmersteine verwendet. Der Kirchturm wurde häufig seitlich an der symmetrischen Westfassade angesetzt.
Es gab zwei Typen dieses Kirchenbaus: Typ A mit Spitztonnengewölbe und gemauertem Altarraum – er wurde wegen der aufwendigeren Dachkonstruktion nur zweimal errichtet.
Den Typ B als „Saalkirche mit Satteldach“ gab es mit drei verschiedenen Chorabschlüssen: mit polygonalem Altarraum, mit angemauertem Altarraum oder ohne gesonderten Altarraum.
Entstanden sind 41 Gotteshäuser vom Typ B, zwei davon wurden später an einen anderen Ort umgesetzt. Zwei der Bartning-Kirchen – die in Aachen und in Düsseldorf – wurden später abgebrochen; von der Notkirche in Hannover-List wurden die Binder in einer anderen Kirche wiederverwendet.
Bartning-Kirchen galten – anders als es die Bezeichnung „Notkirche“ vermuten lässt – von Anfang an keineswegs als Provisorien. Das zeigt sich auch daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten Denkmalschutzbehörden in einigen Fällen den Abriss einer solchen Notkirche wie auch den Bau eines Nachfolge-Gotteshauses verhindert haben.
Bartning-Kirchen in der DDR
Auf dem damaligen Gebiet der DDR entstanden als Bartning-Notkirchen folgende Gotteshäuser: Offenbarungskirche Berlin, Gnadenkirche Chemnitz-Borna, Friedenskirche Dresden-Löbtau, Trinitatiskirche Leipzig-Reudnitz, Justus-Jonas-Kirche Nordhausen-Salza, Johanniskirche Rostock, Friedenskirche Stralsund, Neue Kirche Wismar sowie diese Kirche in Forst in der Lausitz. Hinzu kam im Jahr 1950 als Bartning-Diasporakapelle die Cyriakkapelle Erfurt.
Bauwerk und Orgel
Diese Kirche in Forst ist wie die anderen Bartning-Notkirchen eine Konstruktion aus Holzbindern, die in Erfurt vorgefertigt wurden; sie hat einen polygonalen Chorabschluss. Das Mauerwerk ist zwischen den Bindern aus Ziegeln hochgezogen, die innen und außen verputzt sind. Zwischen Mauerwerk und Dach ist ein umlaufendes Fensterband eingezogen.
Die Schieferdeckung des Dachs wurde 1989 erneuert, in dieser Zeit erfolgte auch die Restaurierung. Die Kirchenfenster wurden in den 1990er Jahren teilweise erneuert.
Die Giebelwand der Stirnseite trägt einen kleinen Glockenstuhl, in dem die Glocke sichtbar ist. Unter der Westempore ist der Gemeinderaum.
Seit 1964 hat das Gotteshaus eine Eule-Orgel mit 708 Pfeifen, sie ist ausgestattet mit 11 Registern mit mechanischer Traktur auf zwei Manualen und Pedal.
Kulturort Kirche
Gelegentlich ist die Johann-Sebastian-Bach-Kirche in Forst (Lausitz) auch Aufführungsstätte für Kulturveranstaltungen und Konzerte, so etwa für das „Trio Volante“ aus Berlin.
Koordinaten: 51° 43′ 48″ N, 14° 38′ 20,4″ O
Link zu Fotos mit Innenansicht der Kirche: https://web.kirche-forst.de/index.php?pid=0302
Die Johann-Sebastian-Bach-Kirche in Forst (Lausitz) in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann-Sebastian-Bach-Kirche_(Forst_(Lausitz))
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