Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch ihre Zukunft ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen auch über Mitteldeutschland hinaus – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.
Die evangelisch-lutherische St.-Petri-Kirche war eine Kirche in Nordhausen in Thüringen, sie wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Erhalten blieb der Kirchturm, der heute als Petri-Turm bekannt ist und als Aussichtsturm dient.
Geschichte
Auf dem früher Löseberg genannten Petersberg befand sich vermutlich ein germanischer Kultplatz als Thingstätte. Auf diesem Platz wurde 1220 eine Kirche St. Petri erstmals urkundlich erwähnt. Der Bau der bis 1945 bestehenden Kirche begann 1334.
Um das Gotteshaus herum entwickelte sich ein Handwerker- und Wohnviertel, der Kirchturm entstand von 1362 bis 1377. 1522 hielt in der Kirche Lorenz Süße, Prior des nahegelegenen Augustinerklosters, die erste protestantische Predigt in Nordhausen.
Am 9. Dezember 1660 riss ein Sturm einen der vier Nebenhelme des Kirchturms herunter. Ein zweiter wurde bald darauf entfernt. Der mit vier Glocken bestückte Kirchturm hatte seit 1731 eine Turmwächterwohnung. 1772 wurde auf die Turmspitze eine neue Kirchturmkugel mit Posaunenengel gesetzt.
Im Jahr 1900 erfolgte wegen Schäden im Inneren der Kirche aufgrund von Feuchtigkeit eine umfassende Erneuerung des Kirchengebäudes. Ebenfalls um diese Zeit entstand ein Treppenanbau an der Nordseite.
Ausstattung
Eine Kanzel entstand im Jahr 1612 im barocken Stil, sie war aus Holz geschnitzt. Ihre Brüstung war verziert mit Reliefs biblischer Szenen: Christi Taufe, Mariä Verkündigung, Anbetung der Hirten, Lasset die Kindlein zu mir kommen, Christus als guter Hirte, Christi Verklärung sowie das Opfer des Isaak – unten versehen mit einem jeweils passenden Bibelspruch.
Die sieben Felder waren mit acht Apostelfiguren voneinander abgegrenzt, die auf von Frauenköpfen getragenen Postamenten standen. Die Kanzel wurde von Christophorus mit dem Jesuskind getragen.
1751 folgte ein barocker Altar: Er war verziert mit einem korinthischen Säulenaufbau, links und rechts standen die Figuren des Petrus und des Paulus. Das Epitaph des Bürgermeisters Ernst und seiner Ehefrau befand sich an der Nordwand des Chores, das Epitaph des Stadtschreibers Johann Pfeiffer aus dem Jahr 1552 zeigte das stehende Vollbild des Verstorbenen, umgeben mit einer lateinischen Grabschrift.
Das bronzene Taufbecken aus dem Jahr 1429 stand im Chorraum. Es misst 84 Zentimeter in der Höhe und 68 Zentimeter im Durchmesser, sein Volumen beträgt gut 90 Liter. Die Kuppa wird getragen von vier bärtigen Männern in der Kleidung des 15. Jahrhunderts. Ein Schriftband in gotischer Minuskel umzieht den unteren Rand. Maßwerkblenden teilen die Außenfläche des Taufbeckens in 16 Felder. Diese zeigen biblische Figuren im Hochrelief, von denen Johannes der Täufer, Petrus, Paulus, Jakobus und Laurentius erkennbar sind.
Orgeln
Aus dem Jahr 1597 stammte die erste Orgel, ihre Nachfolgerin entstand 1679. Bei einem Schneegestöber mit Gewitter am 11. Januar 1682 traf ein Blitz die Kirche und brachte etliche Pfeifen zum Schmelzen.
1751–1752 baute Johann Michael Hartung eine Orgel mit 23 Registern auf zwei Manualen und Pedal. 1913 sammelte die Gemeinde Geld für den Bau einer neuen Orgel. Diese schuf 1914 die Firma P. Furtwängler & Hammer aus Hannover, sie hatte drei Manuale, Pedal und 45 Register. Sie wurde 1945 zusammen mit der Kirche zerstört.
Geläut
Das Geläut bestand aus vier Bronze-Kirchglocken. Die größte goss am 24. September 1652 Erfurts Glockengießer Wolfgang Geyer am Töpfertor aus der Glockenspeise der vorigen Glocke, sie wog 3.600 Kilogramm. Die sogenannte Vesperglocke erklang seit dem 6. September 1612 jeden Tag mittags um 12 Uhr. Die „Bierglocke“ wurde jeden Abend um 8 Uhr geläutet.
Zweiter Weltkrieg
In der Nacht vom 3. auf den 4. April 1945 fiel die Kirche einem britischen Luftangriff auf Nordhausen zum Opfer. Der Sakralbau erlitt mehrere Volltreffer, der brennende Turm stürzte auf das Kirchendach. Mehr als hundert Menschen, die im Gotteshaus Schutz gesucht hatten, kamen dabei ums Leben.
Die Petri-Kirche und ihr Stadtviertel wurden nach dem Zweiten Weltkrieg dem Erdboden gleichgemacht, die Kirchentrümmer beseitigt. Nur der Stumpf des Kirchturms blieb stehen, er erhielt 1954 ein notdürftiges Dach.
Jüngere Vergangenheit und Gegenwart
Bis 1987 war der Turm weithin als stumpfe Luftkriegsruine erkennbar, am 4. April 1987 erhielt er wieder einen Turmhelm. Er wurde seit 1990 zum Luftkriegs-Gedenkort umgestaltet. Ein „Raum der Ruhe“ ist dem Gedenken an die mehr als 100 Menschen gewidmet, die bei den Bombeneinschlägen in der Kirche getötet wurden. Die Lage des früheren Kirchenschiffs wurde markiert.
Nunmehr 62 Meter hoch, wird der Kirchturm seit 1994 als Aussichtsturm genutzt: Der Rundblick reicht bei klarer Sicht bis zum Harz und Kyffhäuser, zum Eichsfeld und zur Hainleite.
Das ihn umgebende Areal des Petersberges wurde von 2000 bis 2004 für die zweite Thüringer Landesgartenschau vollkommen neu gestaltet – es entstanden Flächen zur Freizeitgestaltung mit Sport- und Spielmöglichkeiten, Heckengärten und Wasserspiele.
Die Erinnerung an Nordhausens Petri-Kirche lebt – zusätzlich zum Petri-Kirchturm in enger Nachbarschaft zur Petersbergschule – in der 1950 erbauten Justus-Jonas-Kirche Nordhausen-Niedersalza fort: Jenes Taufbecken aus dem Jahr 1429 steht dort als historisches Zeugnis – und ist bei jeder Taufe Mittelpunkt des Geschehens.
Koordinaten: 51° 30′ 1,2″ N, 10° 47′ 49,4″ O
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