Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Dutzende Kirchen werden inzwischen anders als ursprünglich genutzt, so auch in Halle an der Saale. Im Porträt heute: eine Kirche in Freiberg, die jetzt eine Konzertstätte ist.
Die Nikolaikirche ist das zweitälteste Kirchengebäude in Freiberg. Sie ist seit ihrer Entwidmung als Gotteshaus im Jahr 1975 im Eigentum der Stadt Freiberg.
Geschichte
Die Nikolaikirche in Freiberg wurde zwischen 1185 und 1190 in romanischem Stil erbaut. Sie war wohl auch bei den Stadtbränden in den Jahren 1375, 1386 und 1471 vom Feuer betroffen.
Fast vollständig zerstört wurde das Gotteshaus am 21. Juni 1484, als nachmittags ein Feuer im Haus eines Kupferschmiedes neben dem Pferdestall des Dominikanerklosters an der heutigen Prüferstraße ausbrach. Große Teile der Stadt fielen damals den Flammen zum Opfer, von der Nikolaikirche blieben nur die beiden Türme und die Seitenmauern erhalten.
Um die allgemeine Motivation zur Beteiligung am Wiederaufbau zu fördern, gewährte der päpstliche Nuntius all jenen Menschen einen Ablass, die sich an der Wiederherstellung der Nikolaikirche beteiligten.
Während des Wiederaufbaus erhielt die Kirche ihre zwei Glocken. Sie wurden 1487 und 1498 in der berühmten Glockengießerei Hilliger gefertigt. Um die Finanzierung der Arbeiten zu sichern, ließ Bischof Johann VI. von Meißen ab Juni 1512 Kollekten sammeln. 1518 war die Kirche größtenteils wieder hergestellt – bis zum Jahr 1578 wurde das Langhaus als gotische Hallenkirche erneuert.
1630 erfolgte eine Aufstockung der Westtürme, es folgte von 1750 bis 1753 der barocke Umbau der Kirche unter der Leitung von Johann Christoph Knöffel und Johann Gottlieb Ohndorff. 1753 schuf Johann Gottfried Stecher die Taufe, die am 25. Januar 1754 geweiht wurde. Das Taufbecken erhielt später die Frauenkirche in Dresden.
Die Orgel baute Johann Gottlob Mende in den Jahren von 1842 bis 1845, sie hat zwei Manuale und 28 Register. 1888 baute die Firma Jehmlich aus Dresden das Instrument um.
Jüngere Vergangenheit
Sachsens evangelische Landeskirche verkaufte der Stadtverwaltung Freiberg im Jahr 1975 das baufällige Gotteshaus (also das Gebäude ohne das Grundstück) für 28.000 DDR-Mark – zu zahlen in zehn Jahresraten. Was formalrechtlich bedeutete, dass die Stadtverwaltung Freiberg erst im Jahr 1984 nach Zahlung der letzten Rate Allein-Eigentümerin des Bauwerks wurde.
Weshalb es zu diesem Verkauf kam – noch dazu als Ratenzahlung über zehn Jahre –, darüber schweigen die per Internet zugänglichen Quellen. Vom Verkauf ausgenommen waren Orgel, Altar, Kanzel und Taufstein sowie die Glocken und der Glockenstuhl.
Die Kirche diente dann kurze Zeit als Obstlager und später als Requisitenkammer des gegenüberliegenden Theaters; Erhaltungs- und Umbauarbeiten blieben aus.
Die 1845 erbaute Mende-Orgel wurde im Januar 1976 an die Nikolaikirche in Wismar für 20.000 DDR-Mark verkauft, ihr Prospekt – also das nunmehr leere Gehäuse – verblieb in Freiberg auf der Empore.
Am 31. Januar 1976 verzichtete der Kirchenvorstand der Petri-Nikolai-Gemeinde auf das Inventar des Gotteshauses. Ausgenommen davon waren die Glocken und der Glockenstuhl – sie sind bis heute Eigentum der Petri-Nikolai-Gemeinde Freiberg.
Der Verkaufserlös ermöglichte – so hieß es damals in der evangelischen Kirchengemeinde – die Restaurierung und Ausbau der Petrikirche Freiberg zum Gemeindezentrum. Das war sicher zutreffend – und sollte wohl auch den „inneren Abschied“ der Gläubigen von ihrem Kirchengebäude erleichtern.
Jedoch war diese Summe viel zu gering, angesichts der tatsächlichen Baukosten in der Petrikirche. Was nur wenigen Leuten bekannt war: Als maßgebliche Ergänzung flossen Finanzmittel aus einem Kirchenbauprogramm in der DDR in Höhe von 258.000 DDR-Mark. Dies war möglich, weil zuvor 258.000 D-Mark aus der Bundesrepublik Deutschland von der evangelischen Kirche und von staatlicher Seite bezahlt worden waren.
Abriss-Pläne?
Doch wie sollte es mit der Nikolaikirche in Freiberg weitergehen? Entgegen ihrer offiziellen Ankündigungen hatten die Verantwortlichen der SED und der Stadt Freiberg keineswegs die Absicht, die Nikolaikirche zu erhalten.
So notierte am 31. März 1975 Freibergs Bürgermeister Ullmann (LDPD): „Sowohl Bauzustand, Lage, architektonischer und kultureller oder baudenkmalwürdiger Zustand rechtfertigen in keiner Weise, dieses Gebäude grundlegend zu erhalten“. Weiter schrieb er, „dass mit der Fortsetzung des Baugeschehens in der Stadt Freiberg mit hoher Wahrscheinlichkeit etwa Mitte der 80er Jahre dieses Gebiet zum Bebauungsgebiet erklärt wird.“
Neue Zukunft als Konzerthaus
Doch es kam zum Glück nicht nur für die Nikolaikirche anders – und zwar grundsätzlich mit der Friedlichen Revolution in der DDR 1989 und 1990: Der städtische Sakralbau wurde in den Folgejahren grundlegend saniert, die Arbeiten im Jahr 2002 abgeschlossen und wird seitdem für vielfältige kulturelle Zwecke genutzt.
Vom romanischen Ursprungsbau hat die Doppelturmfassade überdauert. Das einstige Gotteshaus mit dem offiziellen Namen „Konzert- und Tagungshalle Nikolaikirche“ kann auch gemietet werden.
Koordinaten: 50° 55′ 6,1″ N, 13° 20′ 45,3″ O
Anmerkung des Autors zum Beitrag 100 der Serie „Sonntagskirche“
Es begann mit der Markuskirche Leipzig-Reudnitz: Das zur DDR-Zeit gesprengte Gotteshaus war Thema im Oktober 2021 im ersten Beitrag dieser Art. Daraus erwuchs dann ein Jahr später – nach mehr als 50 nicht nummerierten sonntäglichen Beiträgen – wegen des nunmehr etablierten Erscheinungstages der Serien-Name „Sonntagskirche“ sowie von da an die Nummerierung ab Folge 56.
Mit dem Beitrag heute ist die runde Zahl 100 erreicht, was den Autor gleichermaßen überrascht und freut. Gab es doch in all der Zeit für die meisten der Beiträge binnen weniger Tage dreistellige Klickzahlen – was für ein Nischen-Thema wie dieses bemerkenswert ist.
Zu den Spitzenreitern gehören – wen wundert es? – drei Beiträge über einstige Gotteshäuser in Leipzig: mit jeweils rund 2.200 Klicks die Paulinerkirche und die zweite katholische Trinitatiskirche Leipzig sowie mit mehr als 6.400 Klicks die Johanniskirche Leipzig.
Der Autor dankt erstens der LZ-Redaktion für die freundliche Unterstützung von Anfang an. Zweitens den zahlreichen Menschen, die für die Beiträge die Informationen erfasst, gesammelt und zusammen mit Fotografien im Internet zur Verfügung gestellt haben. Und drittens – last but not least – all jenen Menschen, die mit nachhaltigem Interesse diese Serie Sonntag für Sonntag begleitet und damit ermöglicht haben!
Holger Zürch, 28. Dezember 2023
P.S.: Die 99 anderen Serien-Beiträge sind zu finden beim Klick auf den Button „Kirchengeschichte“ (unten) oder direkt hier.
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Vielen Dank an den Autor, auf diese Weise habe ich wieder was über meine Heimatstadt gelernt und dass es ausgerechnet die #100 ist, erfreut mich auch sehr. 🙂
Guten Rutsch ins Neue Jahr!