Sie sollten vergessen werden โ doch immer mehr Menschen, die einst von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden, bekommen wieder einen Namen. Und bronzene Pflastersteine erinnern daran, wo sie einst lebten. Vor den ehemaligen Wohnorten verfolgter und ermordeter Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden am Donnerstag, dem 26. Oktober, insgesamt 23 neue Stolpersteine im Stadtgebiet Leipzig verlegt.
Auch der Konflikt im Nahen Osten geht an dem Projekt nicht spurlos vorbei. Seit vielen Jahren bestehen Kontakte zu jรผdischen Familien, deren Vorfahren in Leipzig lebten und an die eigentlich heute erinnert werden sollte. Aus gegebenem Anlass und absolut nachvollziehbar haben zwei Familien aus Israel ihre Reise nach Deutschland abgesagt, teilt das Archiv Bรผrgerbewegung, das die Stolpersteinverlegungen in Leipzig betreut, mit.
So schreibt Samuel Herold: โIch habe einen Sohn und eine Enkelin, die in der Armee sind, und daher wird es fรผr mich das Beste sein, meine Reisevorbereitungen vorerst abzusagen.โ
Fรผr viele gibt es momentan Wichtigeres und unsere Gedanken sind bei ihnen, erklรคrt Achim Beier vom Archiv Bรผrgerbewegung. Somit werden zwei Verlegungen auf hoffentlich bald bessere Zeiten verschoben. Trotzdem waren am Donnerstag Gรคste aus den USA, Berlin und Bonn bei der Stolpersteinverlegungen in Leipzig anwesend.
Bisher liegen 704 Stolpersteine an 246 Orten in Leipzig. Am Donnerstag kamen 23 weitere Steine fรผr Opfer der NS-Diktatur hinzu.
Die Biografien der mitr Stolpersteinen gewรผrdigten Personen
Fritz Lange
Am Lรผtzner Plan fรผr Fritz Lang verlegt: Fritz Lange litt an einer psychischen Erkrankung. Entsprechend der nationalsozialistischen โRassenhygieneโ wurde er im Rahmen der โEuthanasieโ-Morde (Aktion โT4โ) ermordet.
Fritz Lange wurde am 21.12.1899 in Leipzig-Stรผnz geboren, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Fritz Lange war Schlosser von Beruf und arbeitete als Maschinenbauer im Staatlichen Lokomotiven-Reparaturwerk Engelsdorf.
Im Sommer 1933 wurde er wegen einer angeblichen psychischen Erkrankung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dรถsen eingewiesen. Entsprechend dem eugenischen Weltbild und der nationalsozialistischen โRassenhygieneโ galt Herr Lange damit als โerbkrankโ und wurde im Rahmen der โEuthanasieโ-Morde (Aktion โT4โ) umgebracht. Zur Diagnose und zum Krankheitsverlauf sind keine Akten und Informationen mehr vorhanden.
Im Mai 1940 wurde Fritz Lange von der Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dรถsen ausgewiesen und kam von dort aus in die sogenannte โZwischenanstaltโ Waldheim. Die โZwischenanstaltenโ lagen im damaligen Einzugsgebiet fรผr die jeweiligen Tรถtungsanstalten und dienten zur Tarnung der Mordaktion, sowie zum Erschweren der Nachforschung von Angehรถrigen.
Am 04.09.1940 wurde Fritz Lange (40 Jahre) in einem Transport von 101 Personen aus der โZwischenanstaltโ Waldheim in die damalige Tรถtungsanstalt Pirna-Sonnenstein gebracht und dort vermutlich noch am selben Tag mit der รคrztlichen Diagnose โSchizophrenieโ in der Gaskammer ermordet. Vor dem Massenmord erfolgte durch anwesende รrzte eine Scheinuntersuchung, die nur dem Zweck diente, eine glaubwรผrdige Todesursache zu erfinden. In der Gaskammer waren zur Tarnung Brausekรถpfe an der Decke. Die Opfer glaubten, es ginge zum Duschen, da man sogar kleine Seifenstรผcke verteilte.
Am 23.10.1940 wurden die sterblichen รberreste des Fritz Lange von seinen Eltern, dem Lindenauer Malermeister Emil Lange und Milda Lange, geborene Uhlmann, auf dem Lindenauer Friedhof beigesetzt.
Recherchen: Ulrike Pรคckert (Groรnichte)
Alfons Mroร
Vor der Huygensstraรe 3 (ehem. Eckardtstraรe 32) wurde ein Stein fรผr Alfons Mroร verlegt: Relativ unbekannt in unserer Erinnerung ist bisher die Verfolgung der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas durch die Nationalsozialisten. Alfons Mroร wurde hingerichtet, weil er den Kriegsdienst verweigerte.
Alfons Mroร (geb. 21.01.1914 in seinem Elternhaus in Roรberg/Schlesien) wurde katholisch getauft und besuchte acht Jahre lang die Volksschule. Sein einziger Bruder Paul wurde am 26. 04. 1916 ebenfalls in Roรberg geboren. Nach dem Tod seines Vaters Johann Mroร im Jahr 1919 heiratete seine Mutter Pauline im Jahr 1927 seinen Stiefvater Paul Demarczyk.
Seit 1932 besuchte Alfons Mroร die Gottesdienste von Jehovas Zeugen (damals noch unter ihrem frรผheren Namen โErnste Bibelforscherโ bekannt). Im Jahr 1934 trat er aus der katholischen Kirche aus. Schon im Sommer 1933 waren Zeugen Jehovas in den meisten deutschen Lรคndern verboten worden, so auch in Sachsen.
Alfons Mroร arbeitete zunรคchst im Fuhrunternehmen seines Stiefvaters und dann bei einem Bauern in der Gegend von Torgau. Von Oktober 1936 bis Oktober 1938 erfรผllte er seine Dienstpflicht beim 3. Infanterie-Regiment 11 in Leipzig. Danach ging er als Gรผterbodenarbeiter zur Reichsbahn in Leipzig. Am 11.12.1939 wurde Alfons Mroร erneut eingezogen: zum 7. Infanterie-Regiment 174 nach Neuhammer am Queis (heute: ลwiฤtoszรณw). Auf Anforderung der Reichsbahn entlieร man ihn am 04.03.1940 wieder, und er kehrte als Gรผterbodenarbeiter nach Leipzig zurรผck.
Am 20.07.1943 erfolgte die nรคchste Einberufung durch das Wehrmeldeamt Leipzig. Statt sich jedoch am 26. Juli wie verlangt beim Grenadier-Ersatzbataillon 185 in Zwickau zu melden, erschien er โam 27.07.1943 auf dem Geschรคftszimmer des Wehrmeldeamtes Leipzig 2 und erklรคrte, dass er als โErnster Bibelforscherโ keinen Wehrdienst leisten kรถnne, das fรผnfte Gebot verbiete das Tรถten von Menschen; er wolle arbeiten, kรถnne aber als Soldat nicht an die Front gehenโ.
Der Gerichtsoffizier des Wehrbezirkskommandos fรผhrte ihm die Folgen seiner Wehrdienstverweigerung vor Augen, doch Alfons Mroร blieb seiner รberzeugung treu โ im Bewusstsein um die drohenden Konsequenzen. Dabei blieb er auch wรคhrend der Vernehmung durch den Untersuchungsfรผhrer des Reichskriegsgerichts und in der Hauptverhandlung.
Am 12.10.1943 verurteilte ihn der 4. Senat des Reichskriegsgerichts in Torgau wegen โZersetzung der Wehrkraftโ zum Tode: โEine mildere Beurteilung ist hier nicht angรคngig, weil der Angeklagte an seiner Weigerung auch jetzt noch hartnรคckig und unbelehrbar festhรคlt. Wer in dieser Weise im Krieg die Treuepflicht gegenรผber seinem Volke verletzt, kann keine Milde erfahren. Der Senat hat deshalb auf die Todesstrafe erkannt.โ
Offenbar zwei oder drei Tage vor der Vollstreckung brachte man Alfons Mroร aus dem Wehrmachtsgefรคngnis Torgau Fort Zinna nach Halle/Saale. Am 05.11.1943 wurde er im Alter von 29 Jahren mit fรผnf weiteren Zeugen Jehovas im Zuchthaus Roter Ochse in Halle/Saale enthauptet. Alfons Mroร war einer von insgesamt 57 Zeugen Jehovas, die wรคhrend der NS-Zeit in Halle/Saale hingerichtet wurden.
Recherchen: Jan Schwasta
Familie Weitz
In der Nordstraรe am Parkplatz vor dem Westin Hotel wurden drei Steine fรผr die Familie Weitz verlegt.
Die junge Familie Weitz wurde 1938 nach Polen abgeschoben und musste fรผr die deutsche Kriegswirtschaft im besetzten Polen Zwangsarbeit leisten. Dort wurde sie ermordet.
Moritz Weitz wurde am 8.2.1910 in Leipzig geboren. Er war in der Pelzbranche beschรคftigt. Im Jahr 1935 heiratete er Rosa Goldenberg (*19.6.1918 in Leipzig). Am 12.5.1935 kam ihre Tochter Edith zur Welt. Obwohl in Leipzig geboren, besaร Moritz die polnische Staatsbรผrgerschaft, die automatisch auf die Familienmitglieder รผberging. Als am 28. Oktober 1938 deutschlandweit tausende jรผdische Menschen mit polnischem Pass nach Polen abgeschoben wurden (sog. โPolenaktionโ), war auch die junge Familie Weitz betroffen und sie kam in Krakau unter.
Ein Dokument der deutschen Besatzungsbehรถrden aus Krakau aus dem Jahre 1940 verzeichnet Moritz als Zwangsarbeiter fรผr die Anfertigung von โMilitรคrwachpelzenโ, was durchaus mit seinem Beruf des Kรผrschners korrespondierte. Ab Mรคrz 1941 musste die Familie in das neu errichtete Ghetto fรผr Juden und Jรผdinnen in Krakau umziehen.
Im Jahr 1943 verliert sich die Spur von Moritz Weitz (33 Jahre). Laut einem Dokument, das die SS im Jahr 1944 bei der Registrierung seiner Ehefrau Rosa Weitz in einem Konzentrationslager anfertigte, verstarb Moritz im Jahr 1943 in Krakau. Die genaueren Umstรคnde seines Todes sind bis heute nicht bekannt.
Rosa und ihre Tochter Edith wurden im Zuge der Auflรถsung des Ghettos vermutlich Anfang 1943 zunรคchst in das KZ Plasลบow gebracht. Von dort aus wurden sie im selben Jahr in ein Arbeitslager fรผr Jรผdinnen und Juden nach Skarลผysko-Kamienna deportiert, das von dem Leipziger Rรผstungs- und Munitionsproduzent Hugo-Schneider AG (HASAG) betrieben wurde.
Mit dem Vorrรผcken der Sowjetarmee lรถste die HASAG dieses Arbeitslager auf. Rosa und Edith wurden am 4.8.1944 zusammen mit 1.271 anderen jรผdischen Frauen, Mรคdchen und Kindern von Skarลผysko-Kamienna in das KZ โHASAG Leipzigโ, ein Auรenlager des KZ Buchenwald, zum Produktionsstandort der HASAG nach Leipzig verlegt. Dort wurden die beiden jedoch zusammen mit anderen jรผdischen Mรผttern und Kindern nach nur zwei Wochen am 28.8.1944 von der SS als โarbeitsunfรคhigโ in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Hier wurden Rosa Weitz (26 Jahre) und ihre Tochter Edith (9 Jahre) vermutlich bereits am Folgetag ermordet.
Recherchen: Anja Kruse (Gedenkstรคtte fรผr Zwangsarbeit Leipzig), Torsten Lenz (Arwed-Rossbach-Schule)
Familie Schwamenau
In der Funkenburgstraรe 9 wurden am Donnerstag fรผnf Steine fรผr die Familie Schwamenau verlegt.
Der jรผdischen Familie Schwamenau gelang mit der Hilfe von Familienmitgliedern im April 1939 die Flucht nach Ecuador und weiter in die USA.
Mit dieser Verlegung wird der elterlichen Familien von Lori, Debra und Stephen Kling aus den USA gedacht. Ihre Eltern Edith und Paul Kling (Bรผttnerstraรe 18) wurden in Leipzig geboren und verbrachten hier ihre Kindheit. Das nationalsozialistische Regime verfolgte die jรผdischen Familien durch Ausgrenzung und Diskriminierung.
Edith (*13.1.1929) war das zweite von drei Kindern der Eheleute Regina โGinaโ (*30.11.1905 in Leipzig) und Szulem โSaloโ Schwamenau (*18.2.1901 in Kolomea). Gina war eine geborene Hilsenrath (siehe Stolpersteine fรผr ihre Eltern in der Tschaikowskistr. 13). Ediths รคltere Schwester hieร Senta (*2.4.1927 in Leipzig) und die jรผngste war Thea, die am 5.6.1938 geboren wurde.
Salo Schwamenau kam 1921 im Alter von 20 Jahren von Kassel nach Leipzig. Er war als Kaufmann viel unterwegs und bis 1925 sind Aufenthalte in Hannover, Herne und Dortmund registriert. Gina und Salo heirateten im Mai 1926. Die Familie hatte auf Grund der galizischen Herkunft von Salo die polnische Staatsangehรถrigkeit, da Kolomea nach dem 1. Weltkrieg zu Polen gehรถrte (heute Ukraine). Salo Schwamenau arbeitete als Verkรคufer in der Weinbranche.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie im April 1939 die Flucht nach Ecuador und 1947 weiter in die USA.
Familie Kling
In der Bรผttnerstraรe 18 wurden vier Steine fรผr die Familie Kling verlegt.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie Kling im Februar 1938 die Flucht in die USA.
Mit dieser Verlegung wird an die elterlichen Familien von Lori, Debra und Stephen Kling und Elayne und Sheryl Kling aus den USA gedacht. Ihre Vรคter, Paul Kling und Siegfried Kling, wurden in Leipzig geboren und verbrachten hier ihre Kindheit. Das nationalsozialistische Regime verfolgte die jรผdischen Familien durch Ausgrenzung und Diskriminierung.
Paul Kling (*31.5.1927 in Leipzig) war der รคlteste Sohn von Eizig Kling (*15.11.1900 in Kolomea) und Sabina Springer (*1.1.1903 in Tarnow). Siegfried Kling, Pauls jรผngerer Bruder, wurde am 30.10.1928 in Leipzig geboren.
Eizig kam 13-jรคhrig mit seinen Eltern nach Leipzig. Noch kurz vor Kriegsende wurde er im Frรผhjahr 1918 zum Militรคrdienst gezogen. Auch Sabina kam als Kind mit ihren Eltern im Jahr 1908 nach Leipzig. Im Juni 1926 heirateten beide in Leipzig. Die Familie hatte auf Grund der galizischen Herkunft von Eizig Kling die polnische Staatsangehรถrigkeit, da Kolomea nach dem 1. Weltkrieg zu Polen gehรถrte (heute Ukraine). Eizig war im Pelzhandel tรคtig und betrieb ein erfolgreiches Geschรคft in Leipzig.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie im Februar 1938 die Flucht in die USA.
Familie Skomorowsky
In der Hofmeisterstraรe/Ecke Brandenburger Straรe (ehem. Hofmeisterstr. 17) wurden acht Steine fรผr die Familie Skomorowsky verlegt.
Hier wohnten zu unterschiedlichen Zeiten drei Generationen der Familie Skomorowsky. Mutter Ida bildete den Familienmittelpunkt. Vier ihrer sieben Kinder und sie selbst kamen in der Shoah ums Leben.
In dem heute รผberbauten Eckhaus zur Brandenburger Straรe wohnten zu unterschiedlichen Zeiten drei Generationen der Familie Skomorowsky. Hier befand sich vor Flucht und Deportation der Familienmittelpunkt.
Familien-โOberhauptโ war Ida Rachid Skomorowsky. Sie wurde am 24.2.1866 in Orla (damals Russland, heute Polen) geboren. Von 1889 an lebte sie mit ihrem Ehemann Abraham Moses (geb. 13. Mai 1840 in Schytomir/Urkraine) in Leipzig. Gemeinsam flohen sie aus der Ukraine vor den dortigen Judenprogromen nach Deutschland, wo sie sich, wenn auch als Staatenlose, eine sichere Existenz aufbauten. Moses starb bereits 1912.
Aus der Ehe gingen 12 Kinder hervor.
Isidor wurde am 9.2.1894 in Leipzig geboren. Er betrieb seit Mitte der 1910er Jahre in der Nikolaistraรe eine Rauchwarenhandlung. Dafรผr tรคtigte er Einkรคufe aus ganz Deutschland und war dementsprechend viel unterwegs.
Im Jahre 1920 heiratete er die nichtjรผdische Lina Schmidt (Jahrgang 1893), die dafรผr ihre deutsche Staatsbรผrgerschaft aufgeben musste und wie ihr Mann staatenlos wurde. Die junge Familie wohnte mit ihren drei Kindern Wolfgang (Jg. 1915), Kurt (Jg. 1921) und Jutta (Jg. 1924) in der Eisenbahnstraรe 5. Um das Rauchwarengeschรคft vor der Enteignung durch die Regelungen der Nรผrnberger Gesetze zu retten, lieรen sich Isidor und Lina nach 1935 scheiden (rechtskrรคftiges Urteil 1939) und Lina konnte so die Kรผrschnerei auch alleine weiter betreiben.
In dieser Zeit musste Isidor zurรผck zu seiner Mutter und seinen Schwestern in die Hofmeisterstraรe ziehen. Lina versorgte die gesamte dort lebende Familie. Isidor arbeitete von der Hofmeisterstraรe aus mit. Die Scheidung der Ehe wurde ausschlieรlich aus รberlebensgrรผnden vollzogen. Doch es rettete das Leben von Isidor nicht. Isidor Skomorowsky (50 Jahre) wurde am 13.1.1944 nach Theresienstadt und am 28.9.1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Fรผr seine Kinder blieb die Angst vor der Deportation bis zum Kriegsende.
Josef Skomorowsky wurde am 13.4.1895 in Leipzig geboren. Er war nicht verheiratet. Im Jahr 1939 ging er nach Berlin. Am 14.11.1941 wurde Josef (46 Jahre) von dort aus nach Minsk deportiert und ermordet.
Tochter Hanne Skomorowsky wurde am 29.6.1896 in Leipzig geboren. Im Jahr 1920 heiratete sie Hirsch Slominasky-Segalowitz. Die Ehe wurde jedoch geschieden. Nach der Scheidung lebte Hanne in der Hofmeisterstraรe. Sie (46 Jahre) wurde am 13.7.1942 Richtung Osten deportiert und im Konzentrationslager ermordet.
Clara Skomorowsky wurde am 15.7.1897 in Leipzig geboren. Sie war seit 1933 mit dem Kaufmann Walter Malzoff (*12.9.1894 in Landsberg) verheiratet. Ihre Tochter Margarete kam am 13.7.1933 zur Welt. Der Familie gelang noch vor dem Krieg zunรคchst die Flucht in die Schweiz. Doch sie wurde wieder nach Deutschland abgeschoben und am 21.1.1942 nach Riga deportiert. Am Vorabend der Deportation traf sich die Familie bei Lina in der Eisenbahnstraรe, wie uns das Familiengedรคchtnis รผbermittelt.
Die kleine Gretel lief dabei singend durch die Wohnung: โWir fahren in den Urlaub!โ. Nach der Auflรถsung des Rigaer Ghettos 1944 kamen Clara (47 Jahre), Walter (50 Jahre) und Margarete (11 Jahre) im KZ Kaiserwald โ Strasdenhof ums Leben. Marie Skomorowsky wurde am 6.11.1898 in Leipzig geboren. Ihr gelang mit einem der letzten Schiffe vor Kriegsbeginn am 24.8.1939 die Flucht in die USA.
Dort lebten ihre Brรผder Hermann (Jg. 1891) und Adolf (Jg. 1904), die schon in den 1920er Jahren in Baltimore bzw. New York ihren Wohnsitz und ihre Geschรคftstรคtigkeit aufnahmen. Als die Ehefrau von Adolf starb, erhielt Marie Skomorowsky die Genehmigung zur Einreise in die USA zwecks Fรผhrung des Haushalts und Betreuung der Kinder ihres Bruders.
Hermann und Adolf bemรผhten sich vehement um eine Ausreise ihrer Mutter. Sie trafen Ida 1935/1936 in Paris. Sie sollte ihnen folgen und in die USA ausreisen. Doch Ida fรผhlte sich fรผr diesen Schritt zu alt, konnte nicht ahnen, welches Grauen noch auf sie zukommen wรผrde und hatte in Leipzig ihre Kinder, auch die zwei jรผngsten Tรถchter, Isabelle (Jg. 1909) und Ursula (Jg. 1907?). Beide heirateten Franzosen, zogen Anfang der 1940er Jahre nach Frankreich, wurden von ihren Ehemรคnnern versteckt und รผberlebten den Holocaust. Isabelle war die Ehefrau des Prรคfekten von Sรผdfrankreich Jean-Pierre Moatti.
Ida Jachid Skomorowsky (76 Jahre) jedoch wurde am 19.9.1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und kam am 25.11.1942 ums Leben.
Recherchen: Dr. Vera Pialek, Udo Skomorowsky (Enkelin und Enkel von Lina Skomorowsky)
Erich Ferl
In der Wurzner Straรe 171 wurde am Nachmittag auch ein Stein fรผr Erich Ferl verlegt.
Kurz nach der Machtรผbergabe an die Nationalsozialisten wurde der 17-jรคhrige Kommunist Erich Ferl im Mรคrz 1933 von der SA erschossen.
Erich Ferl wurde am 24.12.1915 in Leipzig Paunsdorf geboren. Seine Kindheit erlebte er in Paunsdorf, bis die Familie 1924 in die Wurzener Straรe 171 nach Leipzig Sellerhausen-Stรผnz umzog. Erich Ferl besuchte acht Jahre lang die Volksschule. Sein Vater, der als Rangierer bei der Reichsbahn in Engelsdorf beschรคftigt war, starb 1926 bei einem Arbeitsunfall. Erich Ferl hatte noch einen jรผngeren Bruder.
Nach seiner Schulzeit begann er 1929 mit 14 Jahren eine Lehre zum Steinsetzer. Diese brach er nach 1ยฝ Jahren aus Desinteresse ab, wie seine Mutter Milda Ferl (geb. Luckner) in einem nach dem Krieg geschriebenen Lebenslauf angab. Erich Ferl blieb arbeitslos. Inspiriert durch Schulfreunde in Stรผnz und seinen Onkel Herbert Luckner, der bis 1933 Stadtverordneter der Kommunistischen Partei (KPD) war, kam er schon frรผhzeitig mit politischen Themen in Berรผhrung.
Er engagierte sich seit seinem letzten Schuljahr in der kommunistischen Jugend.
Am Abend des 23. Mรคrz 1933 ging Erich zu einem Treffen im ehemaligen Parteilokal โParkfriedenโ in der Karl-Hรคrting-Straรe. Diese Zusammenkunft wurde von der SA und der Polizei aufgelรถst. Es fielen Schรผsse. Durch fรผnf Schรผsse schwer verletzt, wurde Erich in das Krankenhaus St. Jakob (heute Uniklinik) gebracht. Die nationalsozialistische Propaganda schob die Schuld an der Schieรerei dem politischen Gegner zu.
In der โNeuen Leipziger Zeitungโ vom 25.3.1933 titelte sie โKommunistischer Feuerรผberfallโ und entlastete die Tรคter, indem sie feststellte, Ferl sei โ[โฆ] von seinen eigenen Parteigenossen angeschossen wordenโ. Eine Untersuchung des Falls im Jahr 1946 konnte die wahren Tรคter nicht mehr ermitteln.
Erich Ferl (17 Jahre) erlag am Abend des 24. Mรคrz 1933 seinen Verletzungen.
Patenschaft: Ein Projekt des Erich-Zeigner-Haus-e.V. mit der Neuen Nikolaischule Leipzig
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Bleibt zu erinnern, daร die Wurzner Straรe jahrzehntelang Erich-Ferl-Straรe hieร https://www.leipzig-lexikon.de/reg/em.htm#erichferlstrasse 1991 fand man es passend, diese Namensgebung rรผckabzuwickeln. Nebenbei: Steinsetzer, Ferls Lehrberuf, waren รผbrigens die, die u.a. Pflastersteine verlegten.