Sie sollten vergessen werden – doch immer mehr Menschen, die einst von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden, bekommen wieder einen Namen. Und bronzene Pflastersteine erinnern daran, wo sie einst lebten. Vor den ehemaligen Wohnorten verfolgter und ermordeter Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden am Donnerstag, dem 26. Oktober, insgesamt 23 neue Stolpersteine im Stadtgebiet Leipzig verlegt.
Auch der Konflikt im Nahen Osten geht an dem Projekt nicht spurlos vorbei. Seit vielen Jahren bestehen Kontakte zu jüdischen Familien, deren Vorfahren in Leipzig lebten und an die eigentlich heute erinnert werden sollte. Aus gegebenem Anlass und absolut nachvollziehbar haben zwei Familien aus Israel ihre Reise nach Deutschland abgesagt, teilt das Archiv Bürgerbewegung, das die Stolpersteinverlegungen in Leipzig betreut, mit.
So schreibt Samuel Herold: „Ich habe einen Sohn und eine Enkelin, die in der Armee sind, und daher wird es für mich das Beste sein, meine Reisevorbereitungen vorerst abzusagen.“
Für viele gibt es momentan Wichtigeres und unsere Gedanken sind bei ihnen, erklärt Achim Beier vom Archiv Bürgerbewegung. Somit werden zwei Verlegungen auf hoffentlich bald bessere Zeiten verschoben. Trotzdem waren am Donnerstag Gäste aus den USA, Berlin und Bonn bei der Stolpersteinverlegungen in Leipzig anwesend.
Bisher liegen 704 Stolpersteine an 246 Orten in Leipzig. Am Donnerstag kamen 23 weitere Steine für Opfer der NS-Diktatur hinzu.
Die Biografien der mitr Stolpersteinen gewürdigten Personen
Fritz Lange
Am Lützner Plan für Fritz Lang verlegt: Fritz Lange litt an einer psychischen Erkrankung. Entsprechend der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ wurde er im Rahmen der „Euthanasie“-Morde (Aktion „T4“) ermordet.
Fritz Lange wurde am 21.12.1899 in Leipzig-Stünz geboren, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Fritz Lange war Schlosser von Beruf und arbeitete als Maschinenbauer im Staatlichen Lokomotiven-Reparaturwerk Engelsdorf.
Im Sommer 1933 wurde er wegen einer angeblichen psychischen Erkrankung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen eingewiesen. Entsprechend dem eugenischen Weltbild und der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ galt Herr Lange damit als „erbkrank“ und wurde im Rahmen der „Euthanasie“-Morde (Aktion „T4“) umgebracht. Zur Diagnose und zum Krankheitsverlauf sind keine Akten und Informationen mehr vorhanden.
Im Mai 1940 wurde Fritz Lange von der Landesheil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen ausgewiesen und kam von dort aus in die sogenannte „Zwischenanstalt“ Waldheim. Die „Zwischenanstalten“ lagen im damaligen Einzugsgebiet für die jeweiligen Tötungsanstalten und dienten zur Tarnung der Mordaktion, sowie zum Erschweren der Nachforschung von Angehörigen.
Am 04.09.1940 wurde Fritz Lange (40 Jahre) in einem Transport von 101 Personen aus der „Zwischenanstalt“ Waldheim in die damalige Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein gebracht und dort vermutlich noch am selben Tag mit der ärztlichen Diagnose „Schizophrenie“ in der Gaskammer ermordet. Vor dem Massenmord erfolgte durch anwesende Ärzte eine Scheinuntersuchung, die nur dem Zweck diente, eine glaubwürdige Todesursache zu erfinden. In der Gaskammer waren zur Tarnung Brauseköpfe an der Decke. Die Opfer glaubten, es ginge zum Duschen, da man sogar kleine Seifenstücke verteilte.
Am 23.10.1940 wurden die sterblichen Überreste des Fritz Lange von seinen Eltern, dem Lindenauer Malermeister Emil Lange und Milda Lange, geborene Uhlmann, auf dem Lindenauer Friedhof beigesetzt.
Recherchen: Ulrike Päckert (Großnichte)
Alfons Mroß
Vor der Huygensstraße 3 (ehem. Eckardtstraße 32) wurde ein Stein für Alfons Mroß verlegt: Relativ unbekannt in unserer Erinnerung ist bisher die Verfolgung der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas durch die Nationalsozialisten. Alfons Mroß wurde hingerichtet, weil er den Kriegsdienst verweigerte.
Alfons Mroß (geb. 21.01.1914 in seinem Elternhaus in Roßberg/Schlesien) wurde katholisch getauft und besuchte acht Jahre lang die Volksschule. Sein einziger Bruder Paul wurde am 26. 04. 1916 ebenfalls in Roßberg geboren. Nach dem Tod seines Vaters Johann Mroß im Jahr 1919 heiratete seine Mutter Pauline im Jahr 1927 seinen Stiefvater Paul Demarczyk.
Seit 1932 besuchte Alfons Mroß die Gottesdienste von Jehovas Zeugen (damals noch unter ihrem früheren Namen „Ernste Bibelforscher“ bekannt). Im Jahr 1934 trat er aus der katholischen Kirche aus. Schon im Sommer 1933 waren Zeugen Jehovas in den meisten deutschen Ländern verboten worden, so auch in Sachsen.
Alfons Mroß arbeitete zunächst im Fuhrunternehmen seines Stiefvaters und dann bei einem Bauern in der Gegend von Torgau. Von Oktober 1936 bis Oktober 1938 erfüllte er seine Dienstpflicht beim 3. Infanterie-Regiment 11 in Leipzig. Danach ging er als Güterbodenarbeiter zur Reichsbahn in Leipzig. Am 11.12.1939 wurde Alfons Mroß erneut eingezogen: zum 7. Infanterie-Regiment 174 nach Neuhammer am Queis (heute: Świętoszów). Auf Anforderung der Reichsbahn entließ man ihn am 04.03.1940 wieder, und er kehrte als Güterbodenarbeiter nach Leipzig zurück.
Am 20.07.1943 erfolgte die nächste Einberufung durch das Wehrmeldeamt Leipzig. Statt sich jedoch am 26. Juli wie verlangt beim Grenadier-Ersatzbataillon 185 in Zwickau zu melden, erschien er „am 27.07.1943 auf dem Geschäftszimmer des Wehrmeldeamtes Leipzig 2 und erklärte, dass er als ‚Ernster Bibelforscher‘ keinen Wehrdienst leisten könne, das fünfte Gebot verbiete das Töten von Menschen; er wolle arbeiten, könne aber als Soldat nicht an die Front gehen“.
Der Gerichtsoffizier des Wehrbezirkskommandos führte ihm die Folgen seiner Wehrdienstverweigerung vor Augen, doch Alfons Mroß blieb seiner Überzeugung treu – im Bewusstsein um die drohenden Konsequenzen. Dabei blieb er auch während der Vernehmung durch den Untersuchungsführer des Reichskriegsgerichts und in der Hauptverhandlung.
Am 12.10.1943 verurteilte ihn der 4. Senat des Reichskriegsgerichts in Torgau wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode: „Eine mildere Beurteilung ist hier nicht angängig, weil der Angeklagte an seiner Weigerung auch jetzt noch hartnäckig und unbelehrbar festhält. Wer in dieser Weise im Krieg die Treuepflicht gegenüber seinem Volke verletzt, kann keine Milde erfahren. Der Senat hat deshalb auf die Todesstrafe erkannt.“
Offenbar zwei oder drei Tage vor der Vollstreckung brachte man Alfons Mroß aus dem Wehrmachtsgefängnis Torgau Fort Zinna nach Halle/Saale. Am 05.11.1943 wurde er im Alter von 29 Jahren mit fünf weiteren Zeugen Jehovas im Zuchthaus Roter Ochse in Halle/Saale enthauptet. Alfons Mroß war einer von insgesamt 57 Zeugen Jehovas, die während der NS-Zeit in Halle/Saale hingerichtet wurden.
Recherchen: Jan Schwasta
Familie Weitz
In der Nordstraße am Parkplatz vor dem Westin Hotel wurden drei Steine für die Familie Weitz verlegt.
Die junge Familie Weitz wurde 1938 nach Polen abgeschoben und musste für die deutsche Kriegswirtschaft im besetzten Polen Zwangsarbeit leisten. Dort wurde sie ermordet.
Moritz Weitz wurde am 8.2.1910 in Leipzig geboren. Er war in der Pelzbranche beschäftigt. Im Jahr 1935 heiratete er Rosa Goldenberg (*19.6.1918 in Leipzig). Am 12.5.1935 kam ihre Tochter Edith zur Welt. Obwohl in Leipzig geboren, besaß Moritz die polnische Staatsbürgerschaft, die automatisch auf die Familienmitglieder überging. Als am 28. Oktober 1938 deutschlandweit tausende jüdische Menschen mit polnischem Pass nach Polen abgeschoben wurden (sog. „Polenaktion“), war auch die junge Familie Weitz betroffen und sie kam in Krakau unter.
Ein Dokument der deutschen Besatzungsbehörden aus Krakau aus dem Jahre 1940 verzeichnet Moritz als Zwangsarbeiter für die Anfertigung von „Militärwachpelzen“, was durchaus mit seinem Beruf des Kürschners korrespondierte. Ab März 1941 musste die Familie in das neu errichtete Ghetto für Juden und Jüdinnen in Krakau umziehen.
Im Jahr 1943 verliert sich die Spur von Moritz Weitz (33 Jahre). Laut einem Dokument, das die SS im Jahr 1944 bei der Registrierung seiner Ehefrau Rosa Weitz in einem Konzentrationslager anfertigte, verstarb Moritz im Jahr 1943 in Krakau. Die genaueren Umstände seines Todes sind bis heute nicht bekannt.
Rosa und ihre Tochter Edith wurden im Zuge der Auflösung des Ghettos vermutlich Anfang 1943 zunächst in das KZ Plasźow gebracht. Von dort aus wurden sie im selben Jahr in ein Arbeitslager für Jüdinnen und Juden nach Skarżysko-Kamienna deportiert, das von dem Leipziger Rüstungs- und Munitionsproduzent Hugo-Schneider AG (HASAG) betrieben wurde.
Mit dem Vorrücken der Sowjetarmee löste die HASAG dieses Arbeitslager auf. Rosa und Edith wurden am 4.8.1944 zusammen mit 1.271 anderen jüdischen Frauen, Mädchen und Kindern von Skarżysko-Kamienna in das KZ „HASAG Leipzig“, ein Außenlager des KZ Buchenwald, zum Produktionsstandort der HASAG nach Leipzig verlegt. Dort wurden die beiden jedoch zusammen mit anderen jüdischen Müttern und Kindern nach nur zwei Wochen am 28.8.1944 von der SS als „arbeitsunfähig“ in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Hier wurden Rosa Weitz (26 Jahre) und ihre Tochter Edith (9 Jahre) vermutlich bereits am Folgetag ermordet.
Recherchen: Anja Kruse (Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig), Torsten Lenz (Arwed-Rossbach-Schule)
Familie Schwamenau
In der Funkenburgstraße 9 wurden am Donnerstag fünf Steine für die Familie Schwamenau verlegt.
Der jüdischen Familie Schwamenau gelang mit der Hilfe von Familienmitgliedern im April 1939 die Flucht nach Ecuador und weiter in die USA.
Mit dieser Verlegung wird der elterlichen Familien von Lori, Debra und Stephen Kling aus den USA gedacht. Ihre Eltern Edith und Paul Kling (Büttnerstraße 18) wurden in Leipzig geboren und verbrachten hier ihre Kindheit. Das nationalsozialistische Regime verfolgte die jüdischen Familien durch Ausgrenzung und Diskriminierung.
Edith (*13.1.1929) war das zweite von drei Kindern der Eheleute Regina „Gina“ (*30.11.1905 in Leipzig) und Szulem „Salo“ Schwamenau (*18.2.1901 in Kolomea). Gina war eine geborene Hilsenrath (siehe Stolpersteine für ihre Eltern in der Tschaikowskistr. 13). Ediths ältere Schwester hieß Senta (*2.4.1927 in Leipzig) und die jüngste war Thea, die am 5.6.1938 geboren wurde.
Salo Schwamenau kam 1921 im Alter von 20 Jahren von Kassel nach Leipzig. Er war als Kaufmann viel unterwegs und bis 1925 sind Aufenthalte in Hannover, Herne und Dortmund registriert. Gina und Salo heirateten im Mai 1926. Die Familie hatte auf Grund der galizischen Herkunft von Salo die polnische Staatsangehörigkeit, da Kolomea nach dem 1. Weltkrieg zu Polen gehörte (heute Ukraine). Salo Schwamenau arbeitete als Verkäufer in der Weinbranche.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie im April 1939 die Flucht nach Ecuador und 1947 weiter in die USA.
Familie Kling
In der Büttnerstraße 18 wurden vier Steine für die Familie Kling verlegt.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie Kling im Februar 1938 die Flucht in die USA.
Mit dieser Verlegung wird an die elterlichen Familien von Lori, Debra und Stephen Kling und Elayne und Sheryl Kling aus den USA gedacht. Ihre Väter, Paul Kling und Siegfried Kling, wurden in Leipzig geboren und verbrachten hier ihre Kindheit. Das nationalsozialistische Regime verfolgte die jüdischen Familien durch Ausgrenzung und Diskriminierung.
Paul Kling (*31.5.1927 in Leipzig) war der älteste Sohn von Eizig Kling (*15.11.1900 in Kolomea) und Sabina Springer (*1.1.1903 in Tarnow). Siegfried Kling, Pauls jüngerer Bruder, wurde am 30.10.1928 in Leipzig geboren.
Eizig kam 13-jährig mit seinen Eltern nach Leipzig. Noch kurz vor Kriegsende wurde er im Frühjahr 1918 zum Militärdienst gezogen. Auch Sabina kam als Kind mit ihren Eltern im Jahr 1908 nach Leipzig. Im Juni 1926 heirateten beide in Leipzig. Die Familie hatte auf Grund der galizischen Herkunft von Eizig Kling die polnische Staatsangehörigkeit, da Kolomea nach dem 1. Weltkrieg zu Polen gehörte (heute Ukraine). Eizig war im Pelzhandel tätig und betrieb ein erfolgreiches Geschäft in Leipzig.
Mit Hilfe von Familienmitgliedern gelang der jungen Familie im Februar 1938 die Flucht in die USA.
Familie Skomorowsky
In der Hofmeisterstraße/Ecke Brandenburger Straße (ehem. Hofmeisterstr. 17) wurden acht Steine für die Familie Skomorowsky verlegt.
Hier wohnten zu unterschiedlichen Zeiten drei Generationen der Familie Skomorowsky. Mutter Ida bildete den Familienmittelpunkt. Vier ihrer sieben Kinder und sie selbst kamen in der Shoah ums Leben.
In dem heute überbauten Eckhaus zur Brandenburger Straße wohnten zu unterschiedlichen Zeiten drei Generationen der Familie Skomorowsky. Hier befand sich vor Flucht und Deportation der Familienmittelpunkt.
Familien-„Oberhaupt“ war Ida Rachid Skomorowsky. Sie wurde am 24.2.1866 in Orla (damals Russland, heute Polen) geboren. Von 1889 an lebte sie mit ihrem Ehemann Abraham Moses (geb. 13. Mai 1840 in Schytomir/Urkraine) in Leipzig. Gemeinsam flohen sie aus der Ukraine vor den dortigen Judenprogromen nach Deutschland, wo sie sich, wenn auch als Staatenlose, eine sichere Existenz aufbauten. Moses starb bereits 1912.
Aus der Ehe gingen 12 Kinder hervor.
Isidor wurde am 9.2.1894 in Leipzig geboren. Er betrieb seit Mitte der 1910er Jahre in der Nikolaistraße eine Rauchwarenhandlung. Dafür tätigte er Einkäufe aus ganz Deutschland und war dementsprechend viel unterwegs.
Im Jahre 1920 heiratete er die nichtjüdische Lina Schmidt (Jahrgang 1893), die dafür ihre deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben musste und wie ihr Mann staatenlos wurde. Die junge Familie wohnte mit ihren drei Kindern Wolfgang (Jg. 1915), Kurt (Jg. 1921) und Jutta (Jg. 1924) in der Eisenbahnstraße 5. Um das Rauchwarengeschäft vor der Enteignung durch die Regelungen der Nürnberger Gesetze zu retten, ließen sich Isidor und Lina nach 1935 scheiden (rechtskräftiges Urteil 1939) und Lina konnte so die Kürschnerei auch alleine weiter betreiben.
In dieser Zeit musste Isidor zurück zu seiner Mutter und seinen Schwestern in die Hofmeisterstraße ziehen. Lina versorgte die gesamte dort lebende Familie. Isidor arbeitete von der Hofmeisterstraße aus mit. Die Scheidung der Ehe wurde ausschließlich aus Überlebensgründen vollzogen. Doch es rettete das Leben von Isidor nicht. Isidor Skomorowsky (50 Jahre) wurde am 13.1.1944 nach Theresienstadt und am 28.9.1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Für seine Kinder blieb die Angst vor der Deportation bis zum Kriegsende.
Josef Skomorowsky wurde am 13.4.1895 in Leipzig geboren. Er war nicht verheiratet. Im Jahr 1939 ging er nach Berlin. Am 14.11.1941 wurde Josef (46 Jahre) von dort aus nach Minsk deportiert und ermordet.
Tochter Hanne Skomorowsky wurde am 29.6.1896 in Leipzig geboren. Im Jahr 1920 heiratete sie Hirsch Slominasky-Segalowitz. Die Ehe wurde jedoch geschieden. Nach der Scheidung lebte Hanne in der Hofmeisterstraße. Sie (46 Jahre) wurde am 13.7.1942 Richtung Osten deportiert und im Konzentrationslager ermordet.
Clara Skomorowsky wurde am 15.7.1897 in Leipzig geboren. Sie war seit 1933 mit dem Kaufmann Walter Malzoff (*12.9.1894 in Landsberg) verheiratet. Ihre Tochter Margarete kam am 13.7.1933 zur Welt. Der Familie gelang noch vor dem Krieg zunächst die Flucht in die Schweiz. Doch sie wurde wieder nach Deutschland abgeschoben und am 21.1.1942 nach Riga deportiert. Am Vorabend der Deportation traf sich die Familie bei Lina in der Eisenbahnstraße, wie uns das Familiengedächtnis übermittelt.
Die kleine Gretel lief dabei singend durch die Wohnung: „Wir fahren in den Urlaub!”. Nach der Auflösung des Rigaer Ghettos 1944 kamen Clara (47 Jahre), Walter (50 Jahre) und Margarete (11 Jahre) im KZ Kaiserwald – Strasdenhof ums Leben. Marie Skomorowsky wurde am 6.11.1898 in Leipzig geboren. Ihr gelang mit einem der letzten Schiffe vor Kriegsbeginn am 24.8.1939 die Flucht in die USA.
Dort lebten ihre Brüder Hermann (Jg. 1891) und Adolf (Jg. 1904), die schon in den 1920er Jahren in Baltimore bzw. New York ihren Wohnsitz und ihre Geschäftstätigkeit aufnahmen. Als die Ehefrau von Adolf starb, erhielt Marie Skomorowsky die Genehmigung zur Einreise in die USA zwecks Führung des Haushalts und Betreuung der Kinder ihres Bruders.
Hermann und Adolf bemühten sich vehement um eine Ausreise ihrer Mutter. Sie trafen Ida 1935/1936 in Paris. Sie sollte ihnen folgen und in die USA ausreisen. Doch Ida fühlte sich für diesen Schritt zu alt, konnte nicht ahnen, welches Grauen noch auf sie zukommen würde und hatte in Leipzig ihre Kinder, auch die zwei jüngsten Töchter, Isabelle (Jg. 1909) und Ursula (Jg. 1907?). Beide heirateten Franzosen, zogen Anfang der 1940er Jahre nach Frankreich, wurden von ihren Ehemännern versteckt und überlebten den Holocaust. Isabelle war die Ehefrau des Präfekten von Südfrankreich Jean-Pierre Moatti.
Ida Jachid Skomorowsky (76 Jahre) jedoch wurde am 19.9.1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und kam am 25.11.1942 ums Leben.
Recherchen: Dr. Vera Pialek, Udo Skomorowsky (Enkelin und Enkel von Lina Skomorowsky)
Erich Ferl
In der Wurzner Straße 171 wurde am Nachmittag auch ein Stein für Erich Ferl verlegt.
Kurz nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde der 17-jährige Kommunist Erich Ferl im März 1933 von der SA erschossen.
Erich Ferl wurde am 24.12.1915 in Leipzig Paunsdorf geboren. Seine Kindheit erlebte er in Paunsdorf, bis die Familie 1924 in die Wurzener Straße 171 nach Leipzig Sellerhausen-Stünz umzog. Erich Ferl besuchte acht Jahre lang die Volksschule. Sein Vater, der als Rangierer bei der Reichsbahn in Engelsdorf beschäftigt war, starb 1926 bei einem Arbeitsunfall. Erich Ferl hatte noch einen jüngeren Bruder.
Nach seiner Schulzeit begann er 1929 mit 14 Jahren eine Lehre zum Steinsetzer. Diese brach er nach 1½ Jahren aus Desinteresse ab, wie seine Mutter Milda Ferl (geb. Luckner) in einem nach dem Krieg geschriebenen Lebenslauf angab. Erich Ferl blieb arbeitslos. Inspiriert durch Schulfreunde in Stünz und seinen Onkel Herbert Luckner, der bis 1933 Stadtverordneter der Kommunistischen Partei (KPD) war, kam er schon frühzeitig mit politischen Themen in Berührung.
Er engagierte sich seit seinem letzten Schuljahr in der kommunistischen Jugend.
Am Abend des 23. März 1933 ging Erich zu einem Treffen im ehemaligen Parteilokal „Parkfrieden“ in der Karl-Härting-Straße. Diese Zusammenkunft wurde von der SA und der Polizei aufgelöst. Es fielen Schüsse. Durch fünf Schüsse schwer verletzt, wurde Erich in das Krankenhaus St. Jakob (heute Uniklinik) gebracht. Die nationalsozialistische Propaganda schob die Schuld an der Schießerei dem politischen Gegner zu.
In der „Neuen Leipziger Zeitung“ vom 25.3.1933 titelte sie „Kommunistischer Feuerüberfall“ und entlastete die Täter, indem sie feststellte, Ferl sei „[…] von seinen eigenen Parteigenossen angeschossen worden“. Eine Untersuchung des Falls im Jahr 1946 konnte die wahren Täter nicht mehr ermitteln.
Erich Ferl (17 Jahre) erlag am Abend des 24. März 1933 seinen Verletzungen.
Patenschaft: Ein Projekt des Erich-Zeigner-Haus-e.V. mit der Neuen Nikolaischule Leipzig
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Bleibt zu erinnern, daß die Wurzner Straße jahrzehntelang Erich-Ferl-Straße hieß https://www.leipzig-lexikon.de/reg/em.htm#erichferlstrasse 1991 fand man es passend, diese Namensgebung rückabzuwickeln. Nebenbei: Steinsetzer, Ferls Lehrberuf, waren übrigens die, die u.a. Pflastersteine verlegten.