Es war so eine Hoffnung, ein altes Rätsel zu lösen, die Alfred E. Otto Paul von der Paul-Benndorf-Gesellschaft da hatte, als vor einem halben Jahr das Grab von Marinus van der Lubbe auf dem Südfriedhof geöffnet wurde. Könnte man vielleicht anhand seiner sterblichen Überreste noch herausfinden, ob van der Lubbe im Reichstagsbrandprozess mit Drogen ruhiggestellt wurde? Und wenn ja: mit welchen? Aber 89 Jahre sind eine lange Zeit.

Nach rund sechsmonatiger forensischer Untersuchungen liegen die Ergebnisse zum Grab von Marinus van der Lubbe auf dem Leipziger Südfriedhof jetzt vor, meldet die Stadt. Immerhin ist die Identität des Begrabenen jetzt eindeutig geklärt.

Aus dem Gutachten der Leipziger Gerichtsmedizin geht hervor, dass die sich im Grab befindenden Gebeine tatsächlich die sterblichen Überreste des Niederländers sind, der 1933 wegen der Brandstiftung des Reichstags in Berlin zum Tode verurteilt worden war. In dieser Frage hatte es bislang keine eindeutige Sicherheit gegeben.

Keine Drogen nachweisbar

Aber viel wichtiger war ja die Frage, ob van der Lubbe während des Prozesses toxische Substanzen verabreicht worden waren. Gelöst ist diese Frage freilich nicht. Nur: Die Toxikologen fanden keine derartigen Hinweise.

Allerdings könne 89 Jahre nach dem Tod ein solcher Nachweis wissenschaftlich nur sehr schwer geführt werden, teilte das Institut für Gerichtsmedizin mit. Das Nichtauffinden toxikologischer Spuren kann bedeuten, dass van der Lubbe solche nicht verabreicht worden waren, muss es aber nicht.

„Aufgrund der langen Zeitspanne zwischen Tod und Exhumierung sind Zersetzungsprozesse jedoch hochgradig wahrscheinlich, sodass eine Beibringung von Arzneimittelwirkstoffen weder bestätigt noch vollständig widerlegt werden kann“, heißt es in dem Gutachten.

Die Experten hatten in einem aufwendigen und langwierigen Verfahren Haare, Zahn, Knochen, Weichteilreste des Leichnams sowie Bodenproben untersucht. Die anatomische Untersuchung zeigte keine Hinweise auf grobe körperliche Misshandlungen zu Lebzeiten.

Aber das völlig abwesende Verhalten van der Lubbes im Gerichtssaal ließ schon damals Vermutungen aufkommen, er wäre während des Prozesses unter sedierende Drogen gesetzt worden.

Identität geklärt

Die Identität des Leichnams konnte hingegen mittels DNA-Abgleich ermittelt werden. DNA-Proben aus einem Zahn wurden mit einer Speichelprobe eines Enkels des Bruders van der Lubbes abgeglichen. Die Untersuchung ergab eine „vollständige Übereinstimmung“ der in männlicher Linie vererbten Merkmale; damit sei die Identität des Leichnams nachgewiesen.

Die Untersuchung räumte zugleich mit einem historischen Gerücht auf. Laut zeitgenössischen Quellen soll van der Lubbe „in doppelter Tiefe“ bestattet worden sein, um eine Ausgrabung zu verhindern. Die Exhumierung zeigte jetzt: Der Leichnam war in der regulären Tiefe von zwei Metern beigesetzt.

Der 1909 in Leiden in den Niederlanden geborene van der Lubbe war am 27. Februar 1933 im brennenden Reichstagsgebäude in Berlin von der Polizei festgenommen worden. Im Reichstagsbrandprozess im Leipziger Reichsgericht war van der Lubbe im Dezember 1933 zum Tode verurteilt worden; das Urteil wurde am 10. Januar 1934 vollstreckt, sein Leichnam auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt. Unter Historikern gibt es bis heute Streit, ob van der Lubbe in dem Prozess unter Drogen gestanden haben könnte. Auch seine alleinige Täterschaft ist umstritten, meint die Stadt.

Was Uwe Soukup in seinem Buch „Die Brandstiftung“ ziemlich gründlich widerlegt. Und die Rolle des Polizeibeamten Walter Zirpins kann man hier ebenfalls erwähnen. Die Einzeltäterthese hatte mehrere Väter.

Das Grab von Marinus van der Lubbe war in Abstimmung mit dem für den Leipziger Südfriedhof zuständigen Amt für Stadtgrün und Gewässer durch die Paul-Benndorf-Gesellschaft geöffnet worden

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