Die Nikolaikirche Leipzig und die Thomaskirche Leipzig sind weithin bekannt. Darรผber hinaus gibt es รผber so manche Kirche der Messestadt Wissenswertes und Besonderes zu berichten. Heute im Portrรคt: die Emmauskirche zu Sellerhausen. Die Emmauskirche ist die evangelisch-lutherische Kirche im Osten Leipzigs im Ortsteil Sellerhausen an der Emmausstraรe. Sie wurde von 1898 bis 1900 erbaut und steht unter Denkmalschutz. Mit ihrem markanten, 66 Meter hohen Kirchturm prรคgt sie maรgeblich das Ortsbild.
Das Gotteshaus entstand, nachdem 1892 die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Leipzig-Sellerhausen aus der Kirchengemeinde Schรถnefeld ausgepfarrt und damit selbstรคndig geworden war. Erster Spatenstich war am 27. Juni 1898, Grundsteinlegung am 11. September 1898, Richtfest am 10. September 1899 und Kirchweihtag am 25. Mรคrz 1900.
Die Emmauskirche entstand nach dem Entwurf des Architekten Paul Lange aus Leipzig im Stil des Historismus, die Architektur zeigt sowohl Stilelemente der Neugotik als auch des Neobarock.
Die einschiffige Kirche ist ein Mauerwerksbau mit terrakottafarbener Fassade, ihre besonderen Klinker stammen aus dem damaligen Ullersdorf in Niederschlesien, heute als Ulanowice ein Stadtteil von Lubawka in Polen. Ihr Grundriss orientiert sich am Zentralbau-Gedanken.
Besonders auffรคllig ist der 66 Meter hohe Kirchturm mit dem neobarocken achteckigen Turmhelm, der mit gelbgrรผnlichen, glasierten Dachziegeln gedeckt ist und einen laternenartigen Aufsatz hat. Die Turmfahne trรคgt die Jahreszahlen 1900 fรผr das Weihejahr der Kirche und 1996 fรผr den Abschluss der Sanierungsarbeiten.
Besonderer Blickpunkt ist das Hauptportal an der Westseite mit Auรentreppe und zwei Tรผren, darรผber das groรformatige, farbige Mosaik mit dem Bibelzitat โBleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigetโ โ die an Jesus gerichtete Bitte der Emmaus-Jรผnger (Lukas 24,29).

Den Altarraum รผberspannt ein groรer Bogen mit dem Bibelwort โSiehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Endeโ (Matthรคus 28,20). Fรผnf farbig verglaste Fenster im Chor sorgen fรผr Tageslicht im Innenraum.
Am hรถchsten Punkt des Deckengewรถlbes laufen die Gewรถlberippen auf einen zentralen Ring zu. Der ist blau wie der Himmel, mit einem Kreuz versehen und von Strahlen umkrรคnzt โ und weist so auf das Gรถttliche hin. An Wand, Decke und Sรคulen gibt es dezent florale Schmuck-Elemente wie weiรe Blรคtter, farbige Blรผten und vergoldete Frรผchte.
Die Mehrzahl der Kirchenfenster ist aus bleigefassten Einzelscheiben mit bildkรผnstlerischer Gestaltung gefertigt, weitere Fenster โ etwa aus der Anstalt fรผr Glasmalerei Urban & Goller Dresden โ sind groรflรคchig mit Bildkunst gestaltet.
Die Orgel schuf im Jahr 1900 Richard Kreutzbach (1839โ1903) aus Borna fรผr 10.404 Mark. Sie hatte 32 Register auf zwei Manualen und Pedal mit pneumatischer Traktur und rund 2.500 Orgelpfeifen.
Im Ersten Weltkrieg mussten ihre Zinnpfeifen als Metallspende abgegeben werden. Sie wurden 1927 durch Prospektpfeifen aus Zink von der Orgelbaufirma Julius Jahn & Sohn aus Dresden ersetzt, auch kam ein Register hinzu. 1937 schuf die Orgelbaumeister Alfred Schmeisser aus Rochlitz einen neuen Spieltisch an der Emporenbrรผstung und baute eine elektro-pneumatische Traktur ein.
Die Orgel wurde umdisponiert mit nun 33 Registern (8-6-11-8), drei Manualen und Pedal. 1980 wurde der Orgel-Spieltisch fahrbar gestaltet. 1983 wurde die Orgel grundlegend repariert und intoniert, 1999 gereinigt und nachintoniert. Sie erklingt regelmรครig zu Gottesdiensten und Konzerten. 2017 wurde sie von Orgelbauer Gerd-Christian Bochmann (* 1943) aus Kohren-Sahlis generalรผberholt.
Ursprรผnglich gab es drei Bronze-Kirchenglocken als C-Dur-Gelรคut mit einem Gewicht von mehr als 70 Zentnern, gegossen von der Firma G. A. Jauck in Leipzig โ die Glockenweihe war am 3. Dezember 1899. Am 3. Juni 1917 lรคuteten sie letztmals zusammen: Die mittlere und die groรe Glocke mussten als sogenannte โMetallspende des Deutschen Volkesโ fรผr Rรผstungszwecke abgegeben werden; sie wurden im Kirchturm zerschlagen und die Gemeinde mit 10.500 Mark entschรคdigt.

Die kleine Glocke wurde 1924 an die Kirchgemeinde Paunsdorf verkauft. An ihre Stelle kamen drei Eisenhartgussglocken; das Es-Dur-Gelรคut wiegt 66 Zentner; es wurde am 24. Februar 1924 in den Turm eingehoben.
Seit 1929 gibt es ein elektrisches Lรคutewerk. Der Dreiklang des Gelรคutes besteht aus den Tรถnen esโฒ, gโฒ und bโฒ, gegossen 1923 von Schilling & Lattermann.
1927 wurde zwischen Vorhalle und Kirchenschiff ein Durchgangsraum abgetrennt fรผr die Nutzung als Winterkirche und kleinere Veranstaltungen.
Den Zweiten Weltkrieg รผberstand das Gotteshaus ohne grรถรere Schรคden.
Von 1971 bis 1981 wurde die Kirche innen umgestaltet, um sie auch als Gemeindezentrum nutzen zu kรถnnen.
Diese Arbeiten fanden in Eigenregie der Gemeinde statt โ und mit der damals unentbehrlichen Fรคhigkeit zur Improvisation. Die Orgelempore wurde in das Kirchenschiff hinein vergrรถรert und der darunterliegende Raum abgetrennt.
Auf diese Weise entstand der Gemeindesaal zwischen Vorhalle und Schiff mit den beiden steinernen Sรคulen im Raum. Die unteren Seitenschiffe wurden ebenfalls abgetrennt, nach Norden hin entstand so ein kleinerer Gemeinderaum. Auf der Sรผdseite wurde das Pfarramt eingerichtet.
Ebenfalls in den 1970er Jahren wurde von Kirchenbรคnken, Orgelprospekt, Brรผstungen und anderen Holzteilen der dunkle Farbanstrich entfernt. Der helle, warme Ton des freigelegten Naturholzes schenkte dem Inneren eine Atmosphรคre der Helligkeit und der Weite des Raumes.
Zwischen 1993 und 1994 folgte die Sanierung des Kirchturms, die Auรensanierung der Kirche von 1993 bis 1999 sowie von 2020 bis 2022. 2019 wurde der Gemeindesaal in der Emmauskirche saniert.
Ein โHusarenstรผckโ gelang einigen Christen der Emmaus-Kirchgemeinde Anfang der 1980er-Jahre: Ihre freiwilligen Arbeitsstunden in der Emmauskirche rechneten sie in ihren Betrieben als sogenannte NAW-Leistung (NAW = Nationales Aufbauwerk) ab und lieรen sie damit offiziell anerkennen.
Das fรผhrte zu dem fรผr die DDR auรergewรถhnlichen Umstand, dass im Mai 1981 der Emmausgemeinde vom Nationalrat der Nationalen Front der DDR die Ehrenmedaille โSchรถner unsere Stรคdte und Gemeindenโ verliehen wurde โ zusammen mit einer Prรคmie von 100 DDR-Mark.
2020 verรถffentlichte der Fรถrderverein Denkmal Emmauskirche Leipzig e. V. gemeinsam mit dem Bรผrgerverein Sellerhausen-Stรผnz e. V. das detailreich gestaltete Buch โRund um die Emmauskirche gestern und heute โ Unterwegs in Leipzig-Sellerhausen und -Stรผnz โ Ein fotografischer Stadtteilrundgangโ (ISBN 978-3-00-063447-5), eine nicht nur auf dem Buchtitel eindrucksvolle Reverenz an das Wahrzeichen von Sellerhausen.
Nach vielen Monaten hinter Baugerรผst und Planen wird die nun auch auรen nach neuesten Erkenntnissen restaurierte Emmauskirche bald wieder so vollendet erstrahlen wie bei ihrer Einweihung vor 122 Jahren. So wird sie hoffentlich viele Jahrzehnte sowohl Wind, Wetter und Stรผrmen als auch Frost und Schnee wacker trotzen kรถnnen.
Koordinaten: 51ยฐ 20โฒ 35,8โณ N, 12ยฐ 25โฒ 38,5โณ O
Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Emmauskirche_(Leipzig)
https://www.kirchspiel-leipzig.de/kirchen-und-friedhoefe/sellerhausen-volkmarsdorf/emmauskirche/
https://foerderverein-emmauskirche.de/
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