Kirchenbauwerke gehรถren in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfรคltige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen โ€“ und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die Sankt-Katharinen-Kirche โ€“ zeitweise hatte sie auch den Doppelnamen Sanct Catharina und Sanct Margaretha โ€“ war eine Kirche in Magdeburgs Altstadt. Sie brannte im Zweiten Weltkrieg 1944 aus und war bei den schweren Luftangriffen im Januar 1945 fรผr vielen Magdeburger und Flรผchtlinge Schutz- und Zufluchtsort. Das mehr als 700 Jahre alte Gotteshaus wurde zwischen 1964 und 1966 abgerissen.

Der Grundstein zur Kirche wurde 1230 gelegt. Die Weihe zur Heiligen Katharina (to sunte Katerina) erfolgte, weil der damalige Erzbischof 1220 eine Fingerreliquie der Katharina von Alexandrien nach Magdeburg gebracht hatte. Geweiht wurde sie wohl von Erzbischof Burkhard I. von Woldenberg.

1468 wurde das Kirchenschiff abgerissen, um ein grรถรŸeres zu errichten. 1521 setzte ein Gewitterblitz die Kirche in Brand โ€“ mit geringem Schaden. 1524 traten die Kirchengemeinde, der damalige Pfarrer Johann Ziegenhagen und der Kaplan Bode zum Protestantismus รผber. 1593 wurde eine Turmuhr eingebaut, 1603 eine neue Kanzel errichtet.

Am Sonntag nach Ostern 1613 wรผtete ein Stadtbrand, der auch die St.-Katharinen-Kirche schwer schรคdigte: So wurden auch die Kirchenglocken, das Uhrwerk und die Orgel zerstรถrt.

Als Brandverursacher galt ein Magdeburger namens Teufel: Er hatte in der PeterstraรŸe von seinem Wagen Stroh fรผr Bauzwecke abgeladen, das dabei zu dicht an den Herd geriet. Das Feuer griff schnell auf andere Hรคuser und StraรŸenzรผge รผber, insgesamt brannten 212 Hรคuser nieder.

Die Schรคden an der Kirche wurden schnell beseitigt. Im August 1613 goss GlockengieรŸer Borstelmann eine neue Glocke. Diese musste fรผnf Jahre spรคter wegen eines Sprungs umgegossen werden. 1613 entstand eine neue Orgel, die von Michael Praetorius gelobt wurde. Am 26. November 1630 stรผrzte bei einem schweren Sturm eine der Turmspitzen herunter โ€“ ohne weitere Schรคden an der Kirche.

Bei der Erstรผrmung Magdeburgs von kaiserlichen Truppen unter Tilly am 10. Mai 1631 wurde auch die Katharinenkirche schwer beschรคdigt. In der Kirche gab es ein Massaker, bei dem Tillys Soldaten 53 Menschen, meist Frauen, enthaupteten. Die Kirche fing Feuer, die Tรผrme und das Kirchendach brachen ein, die Orgel wurde vernichtet. Abgesehen vom intakten Gelรคut des Magdeburger Doms, blieben die groรŸe Glocke und die Signierglocke als einzige der gesamten Altstadt erhalten.

1637 errichtete Hans Harnischwischer auf den Trรผmmern des nรถrdlichen Turms einen Glockenstuhl, damit die Glocke wieder gelรคutet werden konnte.

Am 1. Juni 1653 brach der notdรผrftig instandgesetzte Nordturm zusammen. Von der groรŸen Glocke brach der Kronenbรผgel ab. Ein neues Notglockenhaus wurde erst am 18. Mรคrz 1655 eingeweiht, die groรŸe Glocke hatte GlockengieรŸer Georg Schreiber repariert. 1656 stรผrzten die Reste des sรผdlichen Turms ein.

1668 begann der Wiederaufbau der Kirche. Ausgestattet mit Empfehlungsschreiben der Kurfรผrsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und des Administrators des Erzstiftes Magdeburg reisten Spendensammler durch Deutschland und die Niederlande, Schweden und die Schweiz. Die Baukosten sollten 6.000 Taler betragen.

Der neue Altar wurde 1676 von Joachim Balicke gestiftet und von Bildhauer Tobias Wilhelmi und Kunstmaler Fensterer gestaltet.

Die Katharinenkirche Magdeburg 1927. Foto von Berit Wallenberg, gemeinfrei. Quelle: https://commons.wikimedia.org

1679 weihte Ernestus Bake, Pfarrer der benachbarten Sankt-Johannis-Kirche, die wiedererstandene Kirche. 1689 begann die Wiedererrichtung der Kirchturmspitzen, 1692 entstand eine neue Kanzel.

Am 1. August 1695 wurde der Turmknopf gesetzt und die Glocken aus dem Notglockenstuhl in den sรผdlichen Kirchturm gebracht. Im selben Jahr erwarb die Gemeinde fรผr 170 Taler die Orgel der Sankt-Johannis-Kirche, diese wurde 1705 von Orgelbaumeister Arp Schnitger fรผr 260 Taler umgebaut.

1701 wurde wieder eine Uhr im Kirchturm installiert, 1707 der Kirchhof mit einer Mauer umgeben. 1723 kam es erneut in der Nachbarschaft zu einem Brand, der auf einen der Kirchtรผrme รผbergriff.

Zumindest in der Zeit um 1750 war fรผr die Kirche der Doppelname Sanct Catharina und Sanct Margaretha gebrรคuchlich. 1798 vollendete Johann Wilhelm Grรผneberg seine Orgel.

In der Zeit der franzรถsischen Besatzung war die Kirche 1806 Pferdestall und ab 1811 Warenlager. Am 9. Dezember 1812 bekamen die katholische Kirche die Katharinenkirche zugesprochen, die zweckfremde Nutzung dauerte jedoch an: Im September 1813 begann die Nutzung als Rinderstall, worauf im Januar 1814 eine Viehseuche in der Kirche ausbrach.

Nach dem Abzug der franzรถsischen Truppen erhielt die evangelische Katharinengemeinde am 15. Mai 1816 auf Befehl Friedrich Wilhelm III. ihre Kirche zurรผck. 2 276 Taler wurden zur Beseitigung der schlimmsten Schรคden aufgewandt, wobei das Geld zum Teil vom preuรŸischen Staat stammte. Am 15. April 1817 erfolgte die รœbergabe und am 20. April die neuerliche evangelische Weihe der Kirche.

In den 1870er Jahren gab es umfangreiche Instandsetzungsarbeiten. 1876 wurden groรŸe Teile der Inneneinrichtung und der FuรŸboden erneuert. Der Einbau einer Gasleitung ermรถglichte Beleuchtung und damit Gottesdienste auch in den Abendstunden. 1880 schuf Orgelbauer Reubke sein Instrument, 1890 wurde die Heizungsanlage fertiggestellt.

Wรคhrend des Ersten Weltkrieges musste die Kirche drei ihrer Bronzeglocken fรผr Rรผstungszwecke abgeben. Es blieb nur die groรŸe Glocke von 1613. 1925 folgte die Umstellung auf elektrische Beleuchtung, 1927 wurden zwei neue Glocken geweiht.

Beim Bombenangriff wรคhrend des Zweiten Weltkrieges am 28. September 1944 brannte die Katharinenkirche aus. In die Ruine der Kirche retteten sich beim schwersten Luftangriff auf Magdeburg am 16. Januar 1945 viele Menschen und entkamen so dem Brand in der Innenstadt.

Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit demselben Schicksal wรผnschten sich die Christen dort das Wiedererstehen ihrer Kirche. Von 1961 bis 1963 organisierte die โ€žAktion Sรผhnezeichenโ€œ Aufrรคum- und Erhaltungsarbeiten.

Doch es blieb ein frommer Wunsch: Magdeburgs DDR-Stadtplaner hatten vor, den nรถrdlichen Abschnitt des Breiten Wegs zum sozialistisch geprรคgten Stadtzentrum zu gestalten โ€“ da stรถrten die Kirchen in diesem Bereich. Zunรคchst war zwar die Einbeziehung der Katharinenkirche in das neue Stadtbild geplant, doch am 5. Februar 1964 wurde der Abriss des Kirchenschiffes beschlossen.

Nach hitzig gefรผhrten Debatten wurde entschieden, dass zumindest die Tรผrme stehen bleiben kรถnnten. Es war โ€“ wie sich spรคter zeigte โ€“ ein โ€žSpiel auf Zeitโ€œ seitens der Abrissbefรผrworter.

Die Katharinenkirche diente zahlreichen Generationen von Magdeburgern regelmรครŸig zur Andacht sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Ort festlicher Begegnung. Sie war vertraute, heimatliche Feierstรคtte fรผr Taufe und Konfirmation, fรผr Trauung, Silberne und Goldene Hochzeit und fรผr den Heimgang Hunderter Bรผrger. Sie war Platz der Gemeinsamkeit fรผr Andacht und Hoffnung, fรผr Zuversicht und Freude, fรผr Trauer und Leid.

Die Sprengung des Kirchenschiffes erfolgte am 24. Mรคrz 1964. Im Juli 1965 wurde auch der Abriss der Tรผrme angeordnet, sie wurden 1966 gesprengt. Nach 736 Jahren endete damit die Geschichte der Katharinenkirche.
Am frรผheren Standort der Kirche wurde in der DDR-Zeit das โ€žHaus der Lehrerโ€œ errichtet โ€“ es trรคgt nach UmbaumaรŸnahmen nun den Namen โ€žKatharinenturmโ€œ.

Heute erinnert am ehemaligen Standort ein Bronzemodell an die St.-Katharinen-Kirche.

Koordinaten: 52ยฐ 8โ€ฒ 5โ€ณ N, 11ยฐ 38โ€ฒ 19,9โ€ณ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Katharinen_(Magdeburg)
https://www.ek-md.de/kulturtourismus/kulturtourismus-verlorenekirche.html
https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-magdeburg

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