Kirchenbauwerke gehรถren in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfรคltige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen โ€“ und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die Kirche St. Franziskus Xaverius โ€“ auch Katholische Pfarrkirche zu Dresden-Neustadt genannt โ€“ war ein Bauwerk in Dresden-Neustadt, das im Zweiten Weltkrieg Brandschรคden erlitt und 1957 gesprengt wurde.

Traditionsreicher Teil des Ortes

In der Zeit nach der Reformation wurde in der Rittergasse im Jahr 1730 eine Kapelle dem heiligen Franziskus Xaverius geweiht. 1826 wurde sie zur Pfarrkirche. In der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen mit der Industrialisierung zahlreiche katholische Christen nach Dresden, die meisten kamen aus Bรถhmen.

Das Bau-Grundstรผck fรผr die neue Kirche war eine Brachflรคche sรผdlich des Albertplatzes im Bereich der frรผheren Neustรคdter Befestigungsanlagen, am ehemaligen Schwarzen Thor (heute: Jorge-Gomondai-Platz im spitzen Winkel zwischen HauptstraรŸe und AlbertstraรŸe). Sachsens kรถnigliche Staatsregierung stellte die Flรคche unentgeltlich zur Verfรผgung, der Staatsfiskus steuerte fรผr das Bauwerk 10.000 Taler bei.

Die Kirche mit Platz fรผr 400 Personen entstand ab 1852 nach dem Entwurf des Architekten Heinrich Hermann Bothen (1814โ€“1878) unter Leitung des Architekten Ludwig Theodor Choulant (1827โ€“1900). Sie wurde von den beiden fast 45 Meter hohen, viereckigen Kirchtรผrmen gerahmt. Die Baukosten betrugen 150.000 Mark. Bischof Ludwig Forwerk weihte sie am 8. Dezember 1855.

Das Gotteshaus war mit den beiden Tรผrmen und zusammen mit der benachbarten Dreikรถnigskirche markanter Bestandteil des Ortsbilds jener Ecke Dresdens. Die Fassade hatte eine an die Romanik angelehnte, lombardisch geprรคgte Gestaltung.

Die einschiffige Kirche hatte zu beiden Seiten angebaute Rรคumlichkeiten fรผr die Pfarrverwaltung und die gemeindeeigene Schule. Diese Anbauten verliehen ihr ein markantes Erscheinungsbild โ€“ zusammen mit den erwรคhnten Tรผrmen am Ostgiebel.

Marmor und reichhaltige Verzierung

Das Hauptportal befand sich an der gegenรผberliegenden, der HauptstraรŸe zugewandten Westseite. Die beiden Sรคulen am Portal waren aus MeiรŸner Granit, Kapitell und Basis aus weiรŸem Parischen Marmor gefertigt. Das Feld รผber der Eingangstรผr fรผllte ein Tympanon mit dem Bild der Mutter Gottes und ihrem Christuskind. Schรถpfer dieses Gemรคldes war Dresdens Maler und Akademieprofessor Ludwig Kriebel (1823โ€“1890). Auf der Spitze des Portalgiebels stand eine Christusfigur vom Bildhauer Ernst Hรคhnel.

Der Innenraum des Kirchenschiffes war von altchristlicher und sizilianisch-normannischer Formen- und Ornamentgebung geprรคgt. Rot, grรผn und blau schimmerten die Wรคnde aufgrund der entsprechenden Kunstmarmorplatten. Der offene Dachstuhl war blau gestrichen und mit goldenen Sternen verziert. Das Bauwerk war 35 Meter lang und an der Front zur HauptstraรŸe 38 Meter breit.

Ansicht mit Hauptportal im Jahr 1878. Abbildung gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Bauten_von_Dresden_(1878)_Illustrationsseite_050a.jpg
Ansicht mit Hauptportal im Jahr 1878. Abbildung gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Bauten_von_Dresden_(1878)_Illustrationsseite_050a.jpg

Im Innenraum hatten die Wand- und Deckenflรคchen eine umfangreiche ornamentale und figรผrliche Bemalung. Reichhaltige Zier schmรผckte die Kanzel sowie die Brรผstungen des Orgelchores und der Oratorien. Die Kanzel flankierten vier Figuren der Evangelisten. Der Schalldeckel รผber der Kanzel trug die Figur des Apostels Paulus. Diese Figuren waren als Kopien nach รคlteren Plastiken des Peter Vischer des ร„lteren gefertigt.

Der Altar aus weiรŸem und dunkelgrรผnem Werkstein stand im um sechs Stufen erhรถhten Presbyterium. Seitlich des Altars waren die Rรคume der Sakristei und der Taufkapelle.

Kriegsschรคden und erinnerungsloser Abriss

Zu den Besonderheiten des Kirchenraumes zรคhlte die reichhaltige Ausmalung der Decke und der Wรคnde. Sie entwarf der Maler und Akademieprofessor Julius Schnorr von Carolsfeld aus Dresden. An der Ausfรผhrung waren die Malschรผler Zumpe, Sachse und Kirchbach beteiligt. Weitere Werke stammten von Karl Gottlob Schรถnherr (1824โ€“1906).

In der Bombennacht vom 13. zum 14. Februar 1945 brannte die Kirche, beim Angriff am 17. April 1945 stรผrzte der Sรผdturm ein.

Ab Mai 1945 bezog die Gemeinde St. Franziskus Xaverius den katholischen Teil der Simultankirche Dresdens (Simultankirchen werden sowohl evangelisch als auch katholisch genutzt), der Garnisonkirche St. Martin im Stadtteil Albertstadt.

Das Bistum Dresden-MeiรŸen verzichtete auf sein historisches Kirchenbauwerk und favorisierte einen Neubau โ€“ der jedoch nicht zustande kam. So wurde aus der Notlรถsung in der Garnisonkirche eine Dauerlรถsung. Spรคter entstand direkt neben dieser Kirche ein katholisch genutzter Neubau mit Gemeinderรคumen, Kindereinrichtung, Kanzlei und Pfarrerwohnung.

Das architektonisch eindrucksvolle Gotteshaus wurde im Jahr 1957 abgerissen. Das Grundstรผck blieb danach unbebaut, spรคter wurde es als Grรผnanlage zwischen HauptstraรŸe und AlbertstraรŸe gestaltet. Dort erinnert heute nichts mehr an die katholische Kirche zu Ehren des Francisco de Xavier (1506โ€“1552), im deutschsprachigen Sprachraum auch bekannt als Heiliger Franz Xaver.

Koordinaten: 51ยฐ 3โ€ฒ 42,5โ€ณ N, 13ยฐ 44โ€ฒ 44โ€ณ O

Weblinks:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Franziskus_Xaverius_(Dresden)
https://st-martin-dresden.de/st-martin/gemeinde-neustadt/geschichte/
https://www.dresden.de/media/pdf/denkmal/verlorene-kirchen-2018_web.pdf

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