Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die American Church of St. John in Dresden, auch kurz Amerikanische Kirche genannt, war eine US-amerikanische Kirche.

Diese „Amerikanische Sankt-Johannes-Kirche“, so die wörtliche Übersetzung, wurde als Gotteshaus im Stil der Neogotik in der Reichsstraße 5 (heute Fritz-Löffler-Straße) in der Südvorstadt 1884 vollendet.

Wie kam es überhaupt zum US-amerikanischen Gotteshaus in Sachsens Landeshauptstadt? Dresdens Seevorstadt zwischen Bürgerwiese und Wiener Straße war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts das vornehmste Villenviertel der Stadt.

Viele vermögende Leute aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, den USA und Russland bauten, kauften oder mieteten damals dort – Menschen, die samt ihrer Talente, Ideen und Vermögen die Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur in Dresden und im Königreich Sachsen mit voranbrachten. Ihre Häuser waren herrschaftlich und sehenswert – Reiseführer jener Zeit empfahlen dort Spaziergänge.

Diese Wahl-Dresdner aus den USA organisierten selbstverständlich ihr gesellschaftliches Leben in der Wahl-Heimat – selbstverständlich auch ihr religiöses. So gründete sie Dresdens Kirchgemeinde der Episcopal Church in the United States of America (Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika). Sie feierte ihre Gottesdienste zunächst in gemieteten Räumen, so in der alten Waisenhauskirche am Georgplatz.

Nachdem in Dresden die anglikanische Kirchengemeinde ihre Kirche erbaut hatte, wirkte das für die US-Amerikaner als Ansporn: Besonders John Henry Anketell engagierte sich für den Bau einer eigenen Kirche. Die wohlhabende und wohlwollende US-Amerikanerin Mrs. Thompson ermöglichte den Bau mit der am Ostersonntag 1869 gegründeten Stiftung „American Church of St. John in the City of Dresden“.

Die Kirche entstand 1883–1884 nach den Plänen des Architekten Otto Dögel (1855–1891) aus Dresden hinter dem Hauptbahnhof, geweiht mit dem Gottesdienst am 25. Dezember 1884.

Die Hallenkirche mit dreischiffigem Langhaus, kleinerem Querschiff und angrenzendem Chor hatte einen vorgesetzten, straßenseitig zur Bergstraße errichteten Kirchturm – das Gotteshaus wurde dank seiner Gestalt und seinem Standort zum Wahrzeichen der Gemeinde.

 Church in Dresden um 1914. Foto: gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dresden_und_das_Elbgel%C3%A4nde_091a.jpg

Church in Dresden um 1914. Foto: gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org

Der Sakralbau hatte einen künstlerisch gestalteten Altar und eine Krypta; die Kanzel und der Taufstein waren aus französischem Kalkstein. Die Glasmalereien der drei Doppelfenster des Chors entwarf der Historienmaler Anton Dietrich (1833–1904), ausgeführt von der Dresdner Werkstatt Bruno Urban (1851–1910). Im Jahre 1900 hatte die Kirchgemeinde rund 200 Mitglieder.

Eine tiefgreifende Zäsur gab es 1914. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs galten die in Dresden lebenden und arbeitenden US-Bürger als Angehörige des Kriegsgegners: Teils aus eigenem Antrieb, teils aufgrund des nun unterkühlten gesellschaftlichen Umfelds haben sie ihre Wahlheimat Dresden, Sachsen und Deutschland dauerhaft verlassen. Die Kirche wurde seitdem nur noch unregelmäßig genutzt.

Im Bombenhagel der Luftangriffe auf Dresden vom 13. und 14. Februar 1945 brannte das Gotteshaus aus – es wurde Opfer dessen, was im englischsprachigen Militär-Jargon so harmlos klingend „Friendly Fire“ genannt wird.
Die Umfassungsmauern und der Kirchturm mit Turmhelm blieben weitgehend unversehrt. Doch wer in Dresden wollte schon nach den angloamerikanischen Bombenangriffen ein US-amerikanisches Kirchengebäude retten?

Solche Leute gab es. In der Nachkriegszeit bemühten sich ab 1953 Professoren der Baufakultät der Technischen Universität Dresden und Vertreter des Landesdenkmalamts, das nach Meinung von Fachleuten durchaus sanierbare Bauwerk der evangelisch-reformierten Gemeinde zu vermitteln – jedoch erfolglos.

Nachdem diese Kirchgemeinde neue Räume in der früheren Hofgärtnerei an der Brühlschen Terrasse gefunden hatte, wurde 1957 ein Ausbau der „Ami-Kirche“ für die Studentengemeinde erwogen.

Doch dazu hieß es aus Dresdens Stadtplanungsamt ablehnend, dass „mit einer wiederaufgebauten Amerikanischen Kirche, der Zions- und der Lukaskirche drei Kirchen in sehr geringer Entfernung voneinander stünden … in unmittelbarer Nähe [sei] das Auditorium maximum als zukünftiges Wahrzeichen der Technischen Hochschule geplant, [wo]mit … sich die Erhaltung der Amerikanischen Kirche nicht vereinbaren ließe.“

1959 wurde die Kirche gesprengt. Die angekündigten Neubauten der Technischen Hochschule Dresden wurden – wenn überhaupt – anderswo errichtet; das Grundstück blieb Grün- und Freifläche.

Koordinaten: 51° 1′ 56″ N, 13° 43′ 49,5″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/American_Church_of_St_John
https://www.dresden.de/media/pdf/denkmal/verlorene-kirchen-2018_web.pdf
https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-dresden

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